Zur Betrachtung des Göttlichen gelangen

Johannes Cassian / Bild: Archiv

Wer zur Wissenschaft des Schauens, zur Betrachtung des Göttlichen, zur Erkenntnis der heiligen Erfahrungen gelangen will, muß sich zunächst mit aller Hingabe und Kraft das Wissen der Praxis erwerben: Ohne dies läßt sich die Beschauung nicht erlangen.
Johannes Cassian (360 – 435)

… so wird die Welt vom Übel bald genesen

Anagarika Govinda, Mandala (Der heilige Kreis), Pastell – MAGISCHE BLÄTTER

Bevor wir in das Reich der Schauung treten,
Muß uns ein dreifach heil‘ger Kreis umgeben,
Ein Kreis aus Reinheit, Kraft und tiefem Wissen,
Den wir als Schutzwall magisch um uns weben.

Des Herzens Reinheit ist der Lotusblütenkreis;
Der zweite Kreis besteht aus Szeptern aus Demant:
Das Reich der Geistesmacht, das seine Ziele weiß;
Der dritte ist ein Weisheitsflammenkeis,
der von des Herzens Mitte ausgesandt.

Dies sind die Kreise, die wir erschaffen,
Denn ohne sie wird unser Geist erschlaffen,
Und nicht dem so bequemen Irrweg widerstehen,
Die Welt als bloßes Trugbild anzusehen.

Denn nur, wer diese Welt als das erkennt,
Was Tod und Leben immerdar vereint,
Und was am tiefsten im Gemüt ihm brennt
Und Spiegel ist, der weder ja sagt noch verneint:

Dem wird die Welt zu einem Zauberkreise,
In der ein jeder Ort zum Mittelpunkte wird,
In dem uns auf die wunderbarste Weise
Das Rätsel uns‘res Daseins wird entwirrt.

Dann bleibt nichts einzeln, in sich selbst verschlossen,
Kein Punkt erstarrt zu einem festen »Ich«,
In jedem wird das Ganze voll genossen:
Die Welt im kleinsten selbst noch spiegelt sich.

So werden wir befreit zu höh‘rem Leben
Und sehn die Welt als uns‘res Geistes Wesen.
Und wenn wir unser Bestes ihr nur geben,
So wird die Welt vom Übel bald genesen.

Anagarika Govinda (1898 – 1985)

Erschienen in: MAGISCHE BLÄTTER, CI. Jahrgang, Sommer 2020 – Verlag: Magische Blätter Ronnenberg. Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos e.V. – https://verlagmagischeblaetter.eu/kontakt

Mitgefühl: Hochachtung für die Schöpfung

Fotographik (c) wak

Mitgefühl ist eine spirituelle Kraft, ein Lebensstil, eine Umgangsform. Es ist die Art, wie wir mit allem im Leben umgehen, mit uns selbst, mit unserem Körper, mit unseren Vorstellungen und Träumen, mit unseren Nachbarn, und auch mit unseren Feinden. Einfühlungsvermögen ist eine Geisteshaltung, aus der Hochachtung für die Schöpfung spricht. Durch sie betrachtet man jedes Geschöpf als heilig und göttlich, denn das ist es auch.

Matthew Fox (* 1940)

Stilles Zwiegespräch

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In der mystischen Theologie ist allerdings die vorzügliche Übung: mit Gott
zu sprechen, und Gott im Grunde des Herzens sprechen zu hören; und weil dies
Gespräch durch sehr geheime Sehnsucht und Einflößungen geschieht, nennen wir es
ein stilles Zwiegespräch.

Die Augen sprechen zu den Augen und das Herz zum Herzen; und niemand
versteht was gesprochen wird, außer die Liebenden, die zu einander sprechen.

Franz von Sales (1567-1622) In: Theotimus oder von der Liebe Gottes (S. 540-542)

Lass nicht ab an deiner eigenen Statue zu wirken

Buddhaskizze von Antony Gormley / Foto: (c) wak

Kehre ein zu dir selbst und sieh dich an. Und wenn du siehst, dass du noch nicht schön bist, so mache es wie der Bildhauer, der von einer Statue, die schön werden soll, hier etwas fortmeißelt, dort etwas glättet und da etwas reinigt, bis er der Statue ein schönes Gesicht gegeben hat. So mach’ du es auch: Nimm weg, was unnütz, richte gerade, was krumm ist, reinige, was dunkel ist und mache es hell. Lass nicht ab, an deiner eigenen Statue zu wirken, bis dir der göttliche Glanz der Tugend aufleuchtet und du sie auf ihrem heiligen Sockel stehend erblickst. Und wenn du soweit gekommen bist, dann hemmt dich nichts mehr, dann bist du ganz du selbst und ganz und gar reines, wahres Licht. Du bist eins mit dem Schauen, gewinnst Zutrauen zu dir, bist so hoch gestiegen, dass du keine Weisung mehr brauchst.

Plotin (204 – 270) in den „Enneaden“

Werke der Poesie und Mythen

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… während alle heiligen Schriften durch die Jahrhunderte hindurch von der Einsicht inspiriert zu sein scheinen, dass das menschliche Leben nach dem Tod weitergeht und dass für jeden, der der spirituellen Realität begegnet ist, der Tod seinen Stachel und das Grab seinen Sieg verloren hat, hat die moderne Welt nicht mehr den Prüfstein, Fakt und Fiktion in den alten Schriften zu unterscheiden, und betrachtet sie daher im Wesentlichen als Werke der Poesie und der Mythen. Indem sie die Vertrauenswürdigkeit der Offenbarung anzweifelt, die früher die autorisierte Offenbarung von Wirklichkeiten bedeutete, die die sterblichen Sinne nicht wahrnehmen können, hat das Wort selbst seinen früheren Wert verloren und ruft nun eher das Bild einer subjektiven Phantasie hervor.“… während alle heiligen Schriften durch die Jahrhunderte hindurch von der Einsicht inspiriert zu sein scheinen, dass das menschliche Leben nach dem Tod weitergeht und dass für jeden, der der spirituellen Realität begegnet ist, der Tod seinen Stachel und das Grab seinen Sieg verloren hat, hat die moderne Welt nicht mehr den Prüfstein, Fakt und Fiktion in den alten Schriften zu unterscheiden, und betrachtet sie daher im Wesentlichen als Werke der Poesie und der Mythen. Indem sie die Vertrauenswürdigkeit der „Offenbarung“ anzweifelt, die früher die autorisierte Offenbarung von Wirklichkeiten bedeutete, die die sterblichen Sinne nicht wahrnehmen können, hat das Wort selbst seinen früheren Wert verloren und ruft nun eher das Bild einer subjektiven Phantasie hervor.

Der Vortrag „Persönliches Überleben: Reflexionen über die Folgen“ von Bodo Reichenbach wurde auf der Jahreskonferenz 1995 der ACADEMY OF RELIGION AND PSYCHICAL RESEARCH gehalten.

Der vollständige Vortrag kann hier nachgelesen werden:

XIV. MAGISCHE BLÄTTER BUCH
CIV. Jahrgang Sommer 2023

Die letzte Gemäldeausstellung Bô Yin Râs 1976 im Schloßmuseum Aschaffenburg. (Heft 42 | Juli 2023)

EINZELBUCH, 333 Seiten, 20,00 € (zuzüglich Versandkosten) ISBN-Nr. 978-3948-5941-7-6

Herausgeber: Verlag Magische Blätter – Ronnenberg | Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos

Bestellungen hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu subject: BESTELLEN MAGISCHE BLÄTTER BUCH XIV

Gott in sich selbst schauen

Foto: (c) wak

Hesychia ist Stillesein des Geistes und der Welt, Vergessen des Niedrigen, geheimnisvolles Erkennen des Höheren, das Hingeben der Gedanken an etwas Besseres, als sie selber sind. So schauen die, die ihr Herz durch solch heiliges Schweigen (Hesychia) gereinigt und sich auf unaussprechliche Weise mit dem alles Denken und Erkennen übersteigenden Lichte vereinigt haben, Gott in sich selbst wie in einem Spiegel.

Gregorius Palamas (1296/97 – 1359)

Sieht Gott, schaut Gott, liebt Gott

Umschlag der „Offenbarungen der göttlichen Liebe“ / Archiv

… Die Wahrheit sieht Gott, und die Weisheit sieht Gott, und von diesen beiden kommt das dritte, nämlich eine heilige, wunderbare Freude an Gott, die Liebe ist. Wo Wahrheit und Weisheit wahrhaftig sind, da ist auch die Liebe wahrhaftig, die aus beiden hervorgeht. Und alles ist von Gott gemacht; denn er ist die unendliche souveräne Wahrheit, die unendliche souveräne Weisheit, die unendliche souveräne Liebe, die nicht gemacht ist; und die Seele des Menschen ist ein Geschöpf in Gott, das dieselben Eigenschaften hat, die gemacht sind, und das immerfort das tut, wozu es gemacht ist: es sieht Gott, es schaut Gott, und es liebt Gott. Daran erfreut sich Gott in der Kreatur, und die Kreatur in Gott, indem sie unendlich staunt.

Juliana von Norwich (* um 1342 – nach 1413) in „Offenbarungen der göttlichen Liebe. 1373. Hier: Kapitel 44