Alte Selbstbeschreibungen abstreifen

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Die erste Aufgabe ist zweifellos die, Ihr Identitätsgefühl von Ihren Selbstbeschreibungen zu lösen. Damit ist nicht gemeint, dass Sie eine andere Beschreibung für sich finden, welche die richtige wäre. Es bedeutet zu erkennen, dass Sie nicht beschrieben werden können. Nichts von dem, was mit Ihrem Namen benannt wird – Ihr Körper, Ihre Geschichte, Ihre Persönlichkeit, Ihre Gefühle –, ist letzten Endes „Sie“. Was auch immer beschrieben und von anderen Beschreibungen unterschieden werden kann, all das gilt es abzustreifen, damit die übriggebliebene Selbstheit als „nackt“ bezeichnet werden kann, wie es in den mystischen Überlieferungen häufig geschieht.

Beatrice Bruteau (1930 – 2014) in ihrem Essay “Prayer and Identity”

Gefunden habe ich diesen Hinweis hier: https://chalice-verlag.de/gebet-der-sammlung-cynthia-bourgeault-christliche-meditation/

Mitgefühl: Hochachtung für die Schöpfung

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Mitgefühl ist eine spirituelle Kraft, ein Lebensstil, eine Umgangsform. Es ist die Art, wie wir mit allem im Leben umgehen, mit uns selbst, mit unserem Körper, mit unseren Vorstellungen und Träumen, mit unseren Nachbarn, und auch mit unseren Feinden. Einfühlungsvermögen ist eine Geisteshaltung, aus der Hochachtung für die Schöpfung spricht. Durch sie betrachtet man jedes Geschöpf als heilig und göttlich, denn das ist es auch.

Matthew Fox (* 1940)

Simone Weil zum „Vaterunser“

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Die unendliche Süße dieses griechischen Textes hat mich so sehr ergriffen, dass ich mich mehrere Tage lang nicht davon abhalten konnte, ihn immer wieder zu wiederholen. In der folgenden Woche begann ich mit der Weinlese. Ich rezitierte jeden Tag vor der Arbeit das Vaterunser auf Griechisch und wiederholte es sehr oft im Weinberg. Seitdem habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, es jeden Morgen einmal mit absoluter Aufmerksamkeit durchzusprechen. …

Manchmal kommt es vor, dass ich es aus purem Vergnügen noch einmal sage, aber ich mache es nur, wenn ich den Impuls wirklich verspüre. Die Wirkung dieser Übung ist außergewöhnlich und überrascht mich jedes Mal aufs Neue, denn obwohl ich sie jeden Tag erlebe, übertrifft sie bei jeder Wiederholung meine Erwartungen. Manchmal reißen die allerersten Worte meine Gedanken aus meinem Körper und transportieren sie an einen Ort außerhalb des Raums, wo es weder Perspektive noch Standpunkt gibt. Die Unendlichkeit der gewöhnlichen Wahrnehmungserweiterungen wird durch eine Unendlichkeit im zweiten oder manchmal dritten Grad ersetzt. Gleichzeitig herrscht Stille, die jeden Teil dieser Unendlichkeit der Unendlichkeit ausfüllt, eine Stille, die keine Abwesenheit von Klang ist, sondern Gegenstand einer positiven Empfindung ist, positiver als die des Klangs. Geräusche, wenn überhaupt welche, erreichen mich erst, nachdem ich diese Stille durchbrochen habe. Manchmal ist Christus auch während dieser Rezitation oder in anderen Momenten persönlich bei mir anwesend, aber seine Gegenwart ist unendlich realer, bewegender, klarer als bei dem ersten Mal, als er von mir Besitz ergriff.

Simone Weil (1909 – 1943) in einem Brief an Pater Perrin

Mehr zu ihr hier von Ronald Steckel: https://www.ardaudiothek.de/episode/das-innere-licht/schwerkraft-und-licht-4-6/rbbkultur/10433357/

Mystiker kennen eine andere Wahrheit

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Wissenschaftler mögen uns erzählen, dass unser Universum vor dreizehn Milliarden Jahren mit dem Urknall begann, als von einem unendlich heißen und dichten singulären Punkt aus Materie in die Existenz kam. Aber die Mystiker kennen eine andere Wahrheit: wie aus einer ungeborenen und unsterblichen Leere die Existenz unaufhörlich als Fluss von Licht und Liebe in die Schöpfung kommt und dann die physische Form erhält. Und die Liebe bleibt, die Grundlage, die Essenz von allem – von jedem Teilchen und jedem Stern. Sie ist die Urenergie, die Kraft und Präsenz in der erschaffenen Welt. Und sie ist unsere göttliche Natur, die sich in unserem Körper und in unserer Seele immer entwickelt und verändert, auch wenn sie beständig ist.

Llewellyn Vaughan-Lee (* 1953) in: Liebender und Geliebter: Die mystische Liebe im Sufismus

Liebender und Geliebter: Die mystische Liebe im Sufismus

Am Anfang ihrer Entwicklung

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Stellen wir uns ein Buch vor, in dem jede Zeile die Geschichte von tausend Jahren abdeckt, wobei jede Seite vierzig Zeilen hat. So würde die Geschichte des Universums eine Bibliothek mit tausend Büchern füllen, von denen jedes 375 Seiten hat. Die Geschichte der Menschheit würde nur die letzten 50 Seiten des tausendsten Bandes der Geschichte des Universums umfassen. Es ist begreiflich, dass sich die Menschheit ganz am Anfang ihrer Entwicklung befindet, kurz vor ihrem ersten Schritt zur Selbst-Erschaffung, der zur Erschaffung ihres eigenen Körpers führt.

Kapitel Sechs: Jacob Böhme und die Evolution des Menschen. Von Basarab Nicolescu aus seinem Buch „Wissenschaft, Sinn und Evolution – die Kosmologie Jacob Böhmes.

Der vollständige Beitrag kann hier nachgelesen werden:

XV. MAGISCHE BLÄTTER BUCH
CIV. Jahrgang Herbst 2023

Nachlese. (Heft 43 | August 2023)

EINZELBUCH, 333 Seiten, 20,00 € (zuzüglich Versandkosten) ISBN-Nr. 978-3948-5941-8-3

Herausgeber: Verlag Magische Blätter – Ronnenberg | Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos

Bestellungen hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu subject: BESTELLEN MAGISCHE BLÄTTER BUCH XV

zwei vor, eins zurück – so springen wie in Echternach

In einer Information zur Echter Springprozession heißt es: „In der Springprozession kann man den Ausdruck lebensbejahender Freude, aber auch den Charakter inständiger Bitte leidgeprüfter Menschen erkennen. Sie ist Gebet, Haltung des Menschen vor Gott; nicht nur der Geist des Menschen, sondern auch sein Körper ist einprägsam an diesem Gebet beteiligt. Mit Recht wird gesagt : „Menschen, die mit den Füssen beten“. Willibrord wir angerufen gegen Fallsucht (Epilepsie). Davon ausgehend wird behauptet, beim Springen werde das krankhafte Fallen nachgeahmt und die Fürsprache des Heiligen bei Gott angerufen, um sich vor der Krankheit (manchmal „Echternacher Krankheit“ genannt) zu schützen, oder um andere, die von der Krankheit befallen sind, durch Gottes Gnade zu befreien. Also eine Anwendung des Prinzips :“Similia similibus curare“, eine Art Heiltanz. Damit steht Willibrord neben anderen Heiligen, die gegen Bewegungskrankheiten angerufen werden : Johannes der Täufer (Johannistanz) oder Vitus/Guy (Veitstanz ; die Echternacher Springprozession wird gelegentlich im Französischen „danse de Saint Guy“ genannt). Das Springen kann auch freudiger Ausdruck der Haltung des Menschen vor Gott sein. ….
Man springt nicht für sich allein, sondern in einer Gruppe, man hält sich gegenseitig (meist durch Taschentücher verbunden) , man stimmt sich auf andere ab und folgt dem vorgegebenen Rhythmus der Melodie, man scheut sich nicht vor körperlicher Anstrengung (Dauer des Prozessionsweges : etwa 1 Stunde), man lässt sich nicht durch ungünstige Witterungsverhältnisse abschrecken. Es fällt auf, dass besonders Jugendliche von dieser Prozession begeistert sind. Wie jede Prozession ist auch die Springprozession eine bildliche Darstellung des Gottesvolkes, das sich auf dem Weg befindet. Man bleibt nicht beim Gewohnten stehen, sondern man bewegt sich auf ein Ziel hin, man strebt nach Höherem, letztlich nach dem Leben in Gemeinschaft mit Gott.“

Mehr hier: http://www.springprozession.com/mainframes/springprozession.htm

Hier kann die Musik der Springprozession gehört werden: http://www.irrel.de/archiv/buerger/aktuelles/wav/dansante.wav

Die Echternacher Springprozession findet jeweils am Dienstag nach Pfingsten statt. Viele Jahre her, dass ich einmal daran teilgenommen habe. Die Musik kann sich wie ein Ohrwurm in Gehör und Gehirn drängen. Höre ich sie, erinnere ich das Springen…

Der Geist nichts anderes als das Herz

Ramana Maharshi / Foto: Archiv

Das ganze Universum ist im Körper enthalten,
der ganze Körper im Herzen.
So ist das Herz
der Kern des ganzen Universums.

Und wiederum:
Die Welt ist nichts anderes als der Geist,
der Geist nichts anderes als das Herz.
Das Herz umschließt also alles.

Ramana Maharshi (1879-1950)

Wenn du glaubst…

Vivekananda (1863 – 1902) / Foto: Archiv

Wenn du glaubst,
ein Körper zu sein,
bist du vom Weltall getrennt.
Wenn du glaubst,
ein Geist zu sein,
bist du ein Funke
des ewigen Feuers.
Wenn du glaubst,
das göttliche Selbst zu sein,
bist du alles.

Vivekananda (1863 – 1902)

Alles was gedacht und wahrgenommen wird

Foto: (c) wak

Alles nämlich, was eingesehen und wahrgenommen wird, ist nichts anderes als die Erscheinung des nicht Erscheinenden, die Manifestation des Verborgenen, Affirmation des Negierten, Begreifen des Unbegreiflichen, das Sagen des Unsagbaren, der Zugang zum Unzugänglichen, Einsehen des Uneinsehbaren, Körper des Unkörperlichen, Wesen des Überwesentlichen, Form des Gestaltlosen, Maß des Unmeßbaren, Zahl des Unzählbaren, Gewicht des Gewichtlosen, Festwerden des Geistigen, Sichtbarkeit des Unsichtbaren, Ort des Ortlosen, Zeitlichkeit des nicht Zeitlichen, Begrenzung des Unendlichen, Umgrenzung des nicht Umgrenzten, und das Übrige, was mit bloßem Intellekt sowohl gedacht wie erblickt wird, und nicht in den Windungen des Gedächtnisses eingefangen werden kann und der Schärfe des Geistes entflieht.

Scotus Eriugena (815 – 877)