Sich von allen Gedanken leer machen

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Wenn einer seinen Geist
im Ruhestand sehen will,
muß er sich von allen
Gedanken leer machen
und dann wird er jenen schauen,
der gleich einem Saphir ist
oder wie die Himmelsfarbe.

Der heilige Nilus. Zitiert in: Das Herzensgebet. Mystik und Yoga der Ostkirche, München-Planegg 1957

Gott in sich selbst suchen

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In mir gibt es einen ganz tiefen Brunnen. Und darin ist Gott. Manchmal ist er für mich erreichbar. Aber oft liegen Steine und Geröll auf dem Brunnen, und dann ist Gott begraben. Dann muss er wieder ausgegraben werden. Ich stelle mir vor, dass es Menschen gibt, die beim Beten die Augen zu Himmel erheben. Sie suchen Gott außerhalb ihrer selbst. Es gibt auch andere, die den Kopf senken und in den Händen verbergen: ich glaube, diese Menschen suchen Gott in sich selbst.

Etty Hillesum (1914 – 1943)

Alchymie ist wahrhaftig die Philosophia der alten Weisen

Martin Luther / Werkstatt Lucas Cranachs des Älteren, 1528 / wikimedia ~ gemeinfrei

Die rechte Kunst der Alchymie ist wahrhaftig die Philosophia der alten Weisen, die mir sehr wohl gefället, nicht alleine um ihres vielen Nutzes willen, den sie mitbringet, die Metalla zu schmelzen, zu scheiden, auszusieden und zuzurichten; item, Kräuter, Wurzeln und anderes zu destilliren und zu sublimiren, sondern auch um der Allegorien und heimlichen Deutung willen, die überaus schön ist, nämlich die Auferstehung der Todten am jüngsten Tage. Denn gleichwie in einem Brennofen das Feuer aus der Materie zieht und scheidet, was am Besten ist, ja den Spiritum, Geist, Leben, den Saft und Kraft, führets in die Höhe, daß es das Oberste am Helm einnimmt, dran klebt, und denn herab fließt; wie man solches siehet, wenn man Kräuterwasser brennet, oder daß man sonst etwas destilliret; da schwimmet das Feiste empor, und das Beste schwebet allezeit oben. Aber die unreinen Materien und Hefen läßts im Grunde bleiben, als ein todt Aas und nichtig Ding. Also auch, wenn man gebrannten Wein machet, da wird die ganze Substanz und Wesen durchs Feuer ausgezogen, und kömmt die Kraft in die Höhe; was übrig ist, bleibt unten im Grunde, und es riecht noch schmecket nicht, sondern es ist ein unförmlich Wasser. Dergleichen wird auch aus der Zimmetrinde und Muskatennuß alle Kraft und Macht ausgezogen und abgesondert, wenn man daraus ein Wasser brennet oder ein Oel zurichten will; da wird das Gute in die Höhe geführt, und was da übrig bleibet, das ist ohne Geruch und Schmack, gleichwie ein faul Holz. Eben dergleichen wird Gott auch thun durch den jüngsten Tag und letzte Gericht; damit wird er, als durch ein Feuer, abscheiden, absondern und abtheilen die Gerechten von den Gottlosen. Die Christen und Gerechten werden über sich in den Himmel fahren, und darinnen ewig leben; aber die Gottlosen und Verdammten werden als die Grundsuppe und Hefen in der Hölle bleiben, und darinnen verdammt sein, und im ewigen Joch bleiben.

Martin Luther (1483 – 1546) in seiner „Tischrede vom jüngsten Tage

… warum hast du mich verlassen

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Der einzige Teil unserer Seele, der nicht dem Unglück unterworfen werden dürfte, ist derjenige, der in der anderen Welt liegt. Das Unglück hat keine Macht über ihn – denn vielleicht ist er, wie Meister Eckhart sagte, unerschaffen –, aber es hat die Macht, ihn gewaltsam von dem zeitlichen Teil der Seele zu trennen, so dass, obwohl die übernatürliche Liebe in der Seele wohnt, deren Süße nicht gespürt wird. Dann erhebt sich der Schrei: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen.“

Simone Weil (1909 – 1943)

Ohne Verletzung der Naturgesetze auf dem Wasser wandeln

Simone Weil / Bild: Archiv

Gott hat es so eingerichtet, dass seine Gnade, wenn sie in das innerste Zentrum eines Menschen eindringt und von dort sein ganzes Wesen durchleuchtet, ihm gestattet, ohne Verletzung der Naturgesetze auf dem Wasser zu wandeln. Aber wenn ein Mensch sich von Gott abkehrt, liefert er sich einfach der Schwerkraft aus.

Simone Weil (1909–1943) in: Die Gottesliebe und das Unglück

Schöpferisch ausströmende Energie

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Wenn Sie sich aller Prädikate vollständig entleert haben – einschließlich der Selbstbeschreibung als ein „Empfänger“ –, sind Sie äußerst ausgefüllt von reinem „Ich bin.“ Und genau dann, wenn dieser Punkt erreicht ist, explodiert dieses in die schöpferisch ausströmende Energie.

Beatrice Bruteau (1930 – 2014)

Gefunden habe ich dieses Zitat hier: Das Gebet der Sammlung: eine urchristliche Meditationspraxis für das 21. Jahrhundert https://chalice-verlag.de/gebet-der-sammlung-cynthia-bourgeault-christliche-meditation/

Margarete Porete: Frei und göttlich

Eingangsgedicht ihres „Spiegel der einfachen Seelen“ / wikimedia ~ gemeinfrei

Der innere Zustand des Nicht-Wissens und des Nicht-Wollens befreit die Seele. In Wahrheit ist es doch ein Nichts, das uns über Gott vermittelt werden kann oder können wird. Gott ist so groß, dass die Seele nichts von ihm begreifen kann. Und dieses Nichts gibt ihr das Ganze, denn sie hat alles frei gegeben, ohne irgendein Warum. Dann gelangt sie zu einem Erstaunen, das man das Nicht-Denken von nahem Fern-Denken nennt, das ihr ganz nahe ist. Dann nämlich lebt die Seele nicht nur im Leben der Gnade und nicht nur im Leben nach dem Geist, sondern auch im göttlichen Leben, frei und göttlich. Dann nämlich hat Gott sie geheiligt durch Sich Selbst.

Die Begine Margarete Porete (1250-1310)

Siehe auch hier: https://www.feinschwarz.net/marguerite-poretes-widerstand/

Fähigkeit zur Verwandlung

Gefunden in: MAGISCHE BLÄTTER ,CI. Jahrgang, Juni 2020, Heft 5, S. 161

MAGISCHE BLÄTTER
Frühjahr 2020 – Winter 2023/2024

Herausgeber: Verlag Magische Blätter – Ronnenberg | Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos

Kontakt und Bestellungen hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Die Seele lebt frei und göttlich

Begine aus einem Totentanz / Archiv

Das Nicht-Wollen in Gott gilt mehr als das gute Wollen für Gott. Der innere Zustand des Nicht-Wissens und des Nicht-Wollens befreit die Seele. In Wahrheit ist es doch ein Nichts, das uns über Gott vermittelt werden kann oder können wird. Gott ist so groß, dass die Seele nichts von ihm begreifen kann. Und dieses Nichts gibt ihr das Ganze, denn sie hat alles frei gegeben, ohne irgendein Warum. Dann gelangt sie zu einem Erstaunen, das man das Nicht-Denken von nahem Fern-Denken nennt, das ihr ganz nahe ist. Dann nämlich lebt die Seele nicht nur im Leben der Gnade und nicht nur im Leben nach dem Geist, sondern auch im göttlichen Leben, frei und göttlich. Dann nämlich hat Gott sie geheiligt durch Sich Selbst.

Margarete Porete (1250-1310)