… so wird die Welt vom Übel bald genesen

Anagarika Govinda, Mandala (Der heilige Kreis), Pastell – MAGISCHE BLÄTTER

Bevor wir in das Reich der Schauung treten,
Muß uns ein dreifach heil‘ger Kreis umgeben,
Ein Kreis aus Reinheit, Kraft und tiefem Wissen,
Den wir als Schutzwall magisch um uns weben.

Des Herzens Reinheit ist der Lotusblütenkreis;
Der zweite Kreis besteht aus Szeptern aus Demant:
Das Reich der Geistesmacht, das seine Ziele weiß;
Der dritte ist ein Weisheitsflammenkeis,
der von des Herzens Mitte ausgesandt.

Dies sind die Kreise, die wir erschaffen,
Denn ohne sie wird unser Geist erschlaffen,
Und nicht dem so bequemen Irrweg widerstehen,
Die Welt als bloßes Trugbild anzusehen.

Denn nur, wer diese Welt als das erkennt,
Was Tod und Leben immerdar vereint,
Und was am tiefsten im Gemüt ihm brennt
Und Spiegel ist, der weder ja sagt noch verneint:

Dem wird die Welt zu einem Zauberkreise,
In der ein jeder Ort zum Mittelpunkte wird,
In dem uns auf die wunderbarste Weise
Das Rätsel uns‘res Daseins wird entwirrt.

Dann bleibt nichts einzeln, in sich selbst verschlossen,
Kein Punkt erstarrt zu einem festen »Ich«,
In jedem wird das Ganze voll genossen:
Die Welt im kleinsten selbst noch spiegelt sich.

So werden wir befreit zu höh‘rem Leben
Und sehn die Welt als uns‘res Geistes Wesen.
Und wenn wir unser Bestes ihr nur geben,
So wird die Welt vom Übel bald genesen.

Anagarika Govinda (1898 – 1985)

Erschienen in: MAGISCHE BLÄTTER, CI. Jahrgang, Sommer 2020 – Verlag: Magische Blätter Ronnenberg. Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos e.V. – https://verlagmagischeblaetter.eu/kontakt

Herz ist dein wahrer Name

Ramana Maharshi | Bild: Archiv

In dir, du Berg des Lichts,
ist dieses All gebildet,
in dir geht es auf,
in dir besteht es und in dir vergeht es:
Das ist die letzte Wahrheit.
Und du tanzt, das höchste Selbst,
als „Ich“ in meinem Herzen;
„Herz“ ist dein wahrer Name.

Ramana Maharshi (1879 – 1950) in „Fünf Edelsteine für Arunachala“

Meine Natur ist einzigartig

Ich bin das große aus sich selbst heraus entstandene natürliche Verweilen,
das von Anbeginn als der Ursprung aller Dinge bekannt ist.

Du, der du mit großem Eifer nach mir suchst und dich nach mir sehnst,
erschöpfst dich:
auch im Laufe vieler Zeitalter findest du mich nicht.

Meine Natur ist einzigartig unter allen Dingen,
nicht vergleichbar mit dem, was nicht ich ist,
oder was versucht, ich zu sein.

Aus dem Dzogchen

Die Mauer des Paradieses in dem Du wohnst

Foto: © wak

 

Ich habe den Ort gefunden,
in dem man Dich unverhüllt
zu finden vermag.
Er ist umgeben
von dem Zusammenfall der Gegensätze.
Dies ist die Mauer des Paradieses,
in dem Du wohnst.
Sein Tor bewacht höchster Verstandesgeist.
Überwindet man ihn nicht,
so öffnet sich nicht der Eingang.
Jenseits der Mauer
des Zusammenfalls der Gegensätze
vermag man Dich zu sehen;
diesseits aber nicht.

Nikolaus von Kues (1401 – 1464)

Wir huldigen dem Atem des Lebens

 

Wir huldigen dem Atem des Lebens,
denn dieses ganze Universum gehorcht ihm.
Er ist der Herr aller Dinge geworden,
alles hat in ihm seinen Ursprung.

Wir huldigen Dir, Atem des Lebens:
Wir huldigen deinem Tosen:
Wir huldigen Dir, Donner, und Dir, Blitz;
Wir huldigen Dir, o Atem des Lebens,
wenn Du Regen herabgießt.
Wenn donnernd der Atem des Lebens
auf die Pflanzen nieder braust,
empfangen sie Leben;
ein neuer Lebenskeim reift in ihnen.
Zahlreich werden sie geboren.

Als der Atem des Lebens Wasser spendete,
erhoben die Pflanzen ihre Stimme:
„Du hast unser Leben verlängert;
Duft hast Du uns gegeben.“

Wir huldigen Dir beim Einatmen.
Wir huldigen Dir, Lebensatem, beim Ausatmen:
Wir huldigen Dir, wenn Du Dich abwendest;
Wir huldigen Dir, wenn Du Dich uns wieder zukehrst!
Dir gebührt in allem, ja in allem, Huldigung.

Der Atem des Lebens nimmt die Kreaturen als sein Gewand;
Er nimmt sie wie ein Vater seinen geliebten Sohn.
Der Atem des Lebens ist der Weltenherr,
der Herr aller, die atmen,
der Herr von allem, was ohne Atem ist.

O Atem des Lebens, wende Dich nicht ab von mir:
Ich selbst verschmelze mit Dir.
Wie ein Lebenskeim im Wasser:
So umgebe und binde ich Dich in mir, damit ich lebe!

Atharva-Veda XI, 4,1-3;8;10;26 (ca. 1.000 v.u.Z.)

Gefunden habe ich den Text im Blog von Reinhard Kirste: https://an-deutungen.blogspot.com/2016/06/?m=0

Weil ich vor Liebe verschmachte

Foto: © wak

Ich bin die wahre Liebe, die nie falsch war,
meine Schwester, die Menschenseele, ich liebte sie so.
Weil wir uns durchaus nicht trennen wollten,
verließ ich mein Reich der Herrlichkeit.
Ich bereitete ihr einen kostbaren Palast;
sie entflieht, ich folge, ich suchte sie so.
Ich erlitt diese mitleidswürdige Pein,
weil ich vor Liebe verschmachte.

„Quia amore langueo“ ist ein anonymes Gedicht aus dem 15. Jahrhundert