Bevor wir in das Reich der Schauung treten,
Muß uns ein dreifach heil‘ger Kreis umgeben,
Ein Kreis aus Reinheit, Kraft und tiefem Wissen,
Den wir als Schutzwall magisch um uns weben.
Des Herzens Reinheit ist der Lotusblütenkreis;
Der zweite Kreis besteht aus Szeptern aus Demant:
Das Reich der Geistesmacht, das seine Ziele weiß;
Der dritte ist ein Weisheitsflammenkeis,
der von des Herzens Mitte ausgesandt.
Dies sind die Kreise, die wir erschaffen,
Denn ohne sie wird unser Geist erschlaffen,
Und nicht dem so bequemen Irrweg widerstehen,
Die Welt als bloßes Trugbild anzusehen.
Denn nur, wer diese Welt als das erkennt,
Was Tod und Leben immerdar vereint,
Und was am tiefsten im Gemüt ihm brennt
Und Spiegel ist, der weder ja sagt noch verneint:
Dem wird die Welt zu einem Zauberkreise,
In der ein jeder Ort zum Mittelpunkte wird,
In dem uns auf die wunderbarste Weise
Das Rätsel uns‘res Daseins wird entwirrt.
Dann bleibt nichts einzeln, in sich selbst verschlossen,
Kein Punkt erstarrt zu einem festen »Ich«,
In jedem wird das Ganze voll genossen:
Die Welt im kleinsten selbst noch spiegelt sich.
So werden wir befreit zu höh‘rem Leben
Und sehn die Welt als uns‘res Geistes Wesen.
Und wenn wir unser Bestes ihr nur geben,
So wird die Welt vom Übel bald genesen.
Anagarika Govinda (1898 – 1985)
Erschienen in: MAGISCHE BLÄTTER, CI. Jahrgang, Sommer 2020 – Verlag: Magische Blätter Ronnenberg. Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos e.V. – https://verlagmagischeblaetter.eu/kontakt