Alchemie als innerliches Werk

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Der Herr wolle sich darum auf solche angedeutete Weise weder mit Gold noch Mineralien abmühen. Das ist alles falsch. Es muß das Allerbeste im Himmel und in der Welt dazu sein, vom Oberen und Unteren, welches nah und fern ist. Die Stätte ist überall, wo es anzutreffen ist, aber nicht ein jeglicher ist tüchtig dazu. Es kostet auch gar kein Geld, außer was auf Zeit und Nahrung des Leibes geht, ansonsten könnte es einer mit 2 fl. (Gulden) bereiten und noch weniger: Die Welt muß zum Himmel, und der Himmel wieder zur Welt gemacht werden. Es ist nicht von Erde oder Steinen oder Metall, und doch vom Grund aller Metalle. Aber ein geistiges Wesen, welches von den vier Elementen umgeben ist, welches auch die vier Elemente in eines verwandelt, ein gedoppelter Mercurius, jedoch nicht Quecksilber noch ein anderes Mineral oder Metall.

Jacob Böhme (1575 – 1624) über die Alchemie als innerliches Werk :– aus dem 28. Sendbrief an Valentin Thirnes vom 6.7.1622

Rumi: Das Mühlrad

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Bleibt beieinander, Freunde.
Zerstreut euch nicht, noch schlaft.

Unsere Freundschaft gründet
auf dem Wachsein.

Das Mühlrad empfängt das Wasser
und dreht und verschenkt es,
weinend.

So steht es im Garten,
während ein weiteres Rund
durch ein trockenes Flussbett rollt,
auf der Suche nach dem,
was es zu brauchen glaubt.

Bleibt hier, in jedem Augenblick zitternd
wie ein Tropfen Quecksilber.

Dschalal ad-Din Rumi (1207 – 1273)

In jeglicher Art an allen Orten

Ach, das Nichtssein, das hätte in jeglicher Art, an allen Orten, mit allen Menschen ganzen, wahren, wesentlichen, ewigen Frieden und wäre das Seligste, Sicherste, das Edelste, das diese Welt hat, und doch will sich niemand darum bemühen, weder reich noch arm, weder jung noch alt.

Johannes Tauler (1300 – 1361)

… so wird die Welt vom Übel bald genesen

Anagarika Govinda, Mandala (Der heilige Kreis), Pastell – MAGISCHE BLÄTTER

Bevor wir in das Reich der Schauung treten,
Muß uns ein dreifach heil‘ger Kreis umgeben,
Ein Kreis aus Reinheit, Kraft und tiefem Wissen,
Den wir als Schutzwall magisch um uns weben.

Des Herzens Reinheit ist der Lotusblütenkreis;
Der zweite Kreis besteht aus Szeptern aus Demant:
Das Reich der Geistesmacht, das seine Ziele weiß;
Der dritte ist ein Weisheitsflammenkeis,
der von des Herzens Mitte ausgesandt.

Dies sind die Kreise, die wir erschaffen,
Denn ohne sie wird unser Geist erschlaffen,
Und nicht dem so bequemen Irrweg widerstehen,
Die Welt als bloßes Trugbild anzusehen.

Denn nur, wer diese Welt als das erkennt,
Was Tod und Leben immerdar vereint,
Und was am tiefsten im Gemüt ihm brennt
Und Spiegel ist, der weder ja sagt noch verneint:

Dem wird die Welt zu einem Zauberkreise,
In der ein jeder Ort zum Mittelpunkte wird,
In dem uns auf die wunderbarste Weise
Das Rätsel uns‘res Daseins wird entwirrt.

Dann bleibt nichts einzeln, in sich selbst verschlossen,
Kein Punkt erstarrt zu einem festen »Ich«,
In jedem wird das Ganze voll genossen:
Die Welt im kleinsten selbst noch spiegelt sich.

So werden wir befreit zu höh‘rem Leben
Und sehn die Welt als uns‘res Geistes Wesen.
Und wenn wir unser Bestes ihr nur geben,
So wird die Welt vom Übel bald genesen.

Anagarika Govinda (1898 – 1985)

Erschienen in: MAGISCHE BLÄTTER, CI. Jahrgang, Sommer 2020 – Verlag: Magische Blätter Ronnenberg. Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos e.V. – https://verlagmagischeblaetter.eu/kontakt

Am Rade des Daseins…

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Am Rade des Daseins,
das ewig sich dreht,
sind zweierlei Menschen
ohne Sorgen.

Jene, die alle Geheimnisse
der Welt kennen
und jene, die keinerlei Ahnung
von ihnen haben.

Leider müssen wir erkennen,
dass wir weder der einen
noch der anderen
Kategorie angehören.

Omar Khayyam (1048 – 1131)

Der Geist-Mond ist einsam und vollendet

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Der Geist-Mond ist einsam und vollendet:
das Licht verschlingt die zehntausend Dinge.
Es stimmt nicht, dass das Licht die Welt erhellt,
noch dass die Welt der Dinge existiert.
Licht, Welt und Dinge sind dahin,
und das, was bleibt – was ist’s?

Aus dem Zen

Grundlage alles Existierens

Foto: (c) wak

Ich kann mich selbst
nicht erklären,
noch mich beweisen,
sondern muss mich annehmen.
Und die Klarheit und Tapferkeit
dieser Annahme
bildet die Grundlage alles Existierens.

Romano Guardini (1885 – 1968) in: Die Annahme seiner selbst