Natürlicher Zustand des großen Nirvana

Skizze: Antony Gormley / Foto: (c) wak

Seit unvordenklichen Zeiten besteht die Natur des Erwachten Geistes und der Leere aus der gleichen, absoluten Nicht-Dualität ohne Geburt und Tod, ohne Existenz und Nichtexistenz, ohne Reinheit und Unreinheit, ohne Bewegung und Stille, ohne jung und alt, ohne innen und außen, ohne Form und Gestalt, ohne Klang und Farbe. Weder streben noch suchen, man sollte weder den Intellekt benutzen, um zu verstehen, noch Worte, um den erwachten Geist auszudrücken. Man sollte nicht denken, dass es ein Ort oder Dinge, Namen oder Formen sind. Nur dann wird man erkennen, dass alle Buddhas, Bodhisattvas und fühlenden Wesen den gleichen natürlichen Zustand des großen Nirvana besitzen.

Huang-Po (+ um 850)

Ohne Verletzung der Naturgesetze auf dem Wasser wandeln

Simone Weil / Bild: Archiv

Gott hat es so eingerichtet, dass seine Gnade, wenn sie in das innerste Zentrum eines Menschen eindringt und von dort sein ganzes Wesen durchleuchtet, ihm gestattet, ohne Verletzung der Naturgesetze auf dem Wasser zu wandeln. Aber wenn ein Mensch sich von Gott abkehrt, liefert er sich einfach der Schwerkraft aus.

Simone Weil (1909–1943) in: Die Gottesliebe und das Unglück

Unser innerlicher Mensch nennt es Alles

(c) wak

Wer ist es, der es Nichts nennt? Sicherlich ist es unser äußerlicher Mensch, nicht unser innerlicher. Unser innerlicher Mensch nennt es Alles; denn es lehrt ihn, alle Dinge leiblich und geistlich zu verstehen, ohne irgend ein Ding um seines selbst willen zu beachten.

Aus der „Wolke des Nichtwissens“, 14. Jahrhundert

Zur Betrachtung des Göttlichen gelangen

Johannes Cassian / Bild: Archiv

Wer zur Wissenschaft des Schauens, zur Betrachtung des Göttlichen, zur Erkenntnis der heiligen Erfahrungen gelangen will, muß sich zunächst mit aller Hingabe und Kraft das Wissen der Praxis erwerben: Ohne dies läßt sich die Beschauung nicht erlangen.
Johannes Cassian (360 – 435)

Margarete Porete: Frei und göttlich

Eingangsgedicht ihres „Spiegel der einfachen Seelen“ / wikimedia ~ gemeinfrei

Der innere Zustand des Nicht-Wissens und des Nicht-Wollens befreit die Seele. In Wahrheit ist es doch ein Nichts, das uns über Gott vermittelt werden kann oder können wird. Gott ist so groß, dass die Seele nichts von ihm begreifen kann. Und dieses Nichts gibt ihr das Ganze, denn sie hat alles frei gegeben, ohne irgendein Warum. Dann gelangt sie zu einem Erstaunen, das man das Nicht-Denken von nahem Fern-Denken nennt, das ihr ganz nahe ist. Dann nämlich lebt die Seele nicht nur im Leben der Gnade und nicht nur im Leben nach dem Geist, sondern auch im göttlichen Leben, frei und göttlich. Dann nämlich hat Gott sie geheiligt durch Sich Selbst.

Die Begine Margarete Porete (1250-1310)

Siehe auch hier: https://www.feinschwarz.net/marguerite-poretes-widerstand/

Der „Vierklang“ von Meister Eckhart

Foto: (c) wak

1. Eckharts Weg beginnt mit der alltäglichen sinnlich vermittelten und rationaI gedeuteten Wahrnehmung der Welt (Vernunft).

2. lm zweiten Schritt geht es darum zu lernen, wahrzunehmen, ohne sogleich zu urteilen (Wahrnehmen).

3. Je mehr dies gelingt, umso freier werden Menschen von den Dingen. Der Mensch gelangt zu einem ln-der-Welt-Sein, ohne von den Dingen besessen zu werden (Sich lösen).

4. Wenn der Mensch schließlich „aller Dinge ledig“ ist, kann sich die Gottesgeburt in der Seele ereignen (Gottesgeburt).

Dargelegt von Harald-Alexander Korp. Dem ruhigen Geist ist alles möglich. Mit Meister Eckhart lernen, im Hier und Jetzt zu sein. Gütersloher Verlagshaus in der Verlagsgruppe Random House, 2019, 240 Seiten, ISBN: 978-3-579-01461-6, 2019, 20,00 €

Mehr zu Harald-Alexander Korp hier: https://www.hakorp.de/

Leere Gefäße ohne Löcher oder Sprünge

Foto: (c) wak

Der Buddha verglich seine Zuhörer mit vier verschiedenen Arten von Tongefäßen. Das erste Tongefäß hat Löcher im Boden. Wenn man Wasser hineingießt, fließt es sofort wieder heraus. Anders gesagt, was immer man solche Personen lehrt, ist verschwendet. Das zweite Tongefäß verglich er mit einem, das Sprünge hat. Wenn man Wasser hineingießt, sickert es heraus. Diese Leute haben kein Erinnerungsvermögen. Sie können zwei und zwei nicht zusammenzählen. Sprünge im Verständnis. Den dritten Zuhörer verglich er mit einem Gefäß, das bereits vollständig gefüllt ist. Man kann kein Wasser hineingießen, weil es schon randvoll ist. Solche Menschen sind so voll mit Ansichten, dass sie nichts Neues mehr lernen können. Aber hoffentlich sind wir die vierte Art. Leere Gefäße ohne Löcher oder Sprünge. Vollkommen leer.

Ayya Khema (1923 – 1997)

Die Seele lebt frei und göttlich

Begine aus einem Totentanz / Archiv

Das Nicht-Wollen in Gott gilt mehr als das gute Wollen für Gott. Der innere Zustand des Nicht-Wissens und des Nicht-Wollens befreit die Seele. In Wahrheit ist es doch ein Nichts, das uns über Gott vermittelt werden kann oder können wird. Gott ist so groß, dass die Seele nichts von ihm begreifen kann. Und dieses Nichts gibt ihr das Ganze, denn sie hat alles frei gegeben, ohne irgendein Warum. Dann gelangt sie zu einem Erstaunen, das man das Nicht-Denken von nahem Fern-Denken nennt, das ihr ganz nahe ist. Dann nämlich lebt die Seele nicht nur im Leben der Gnade und nicht nur im Leben nach dem Geist, sondern auch im göttlichen Leben, frei und göttlich. Dann nämlich hat Gott sie geheiligt durch Sich Selbst.

Margarete Porete (1250-1310)

Handeln durch Nichtstun

Tao Te King – Chinesisch / Englisch – Bild: Archiv

Immer wieder sagt Lao Tzu wei wu wei: Nicht tun. Tue Nicht-Tun. Handeln ohne zu handeln. Handeln durch Nichtstun. Du tust nichts und doch wird es getan…

Das ist keine Aussage, die sich logisch interpretieren lässt, oder gar syntaktische Übersetzung ins Englische; aber es ist ein Konzept, das das Denken radikal verändert, das Köpfe verändert. Das ganze Buch ist sowohl eine Erklärung und eine Demonstration dieses Konzepts.

Ursula K. Le Guin (1929 – 2018)

Lao Tzu: Tao Te Ching. A Book about the Way and the Power of the Way. A New English Version bei Ursula K. Le Guin with the Collaboration of J.P. Seaton, Professor of Chinese, Shambala Boston & London, 2011

Am Rade des Daseins…

Foto (c) wak

Am Rade des Daseins,
das ewig sich dreht,
sind zweierlei Menschen
ohne Sorgen.

Jene, die alle Geheimnisse
der Welt kennen
und jene, die keinerlei Ahnung
von ihnen haben.

Leider müssen wir erkennen,
dass wir weder der einen
noch der anderen
Kategorie angehören.

Omar Khayyam (1048 – 1131)