Gott ist dir wirklich nahe

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Gott ist Dir wirklich nahe dort,
wo Du bist, wenn Du offen bist
auf dieses Unendliche hin.
Dann nämlich ist die Ferne Gottes
zugleich seine unbegreifliche,
alles durchdringende Nähe.

Karl Rahner S.J. (1904 – 1984)

Wo hofft er ihn denn zu finden?

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Wer da glaubt, zu Gott zu gelangen, indem er die Welt flieht, wann und wo hofft er ihn denn zu finden? Wie weit will er fliehen? Will er fliehen, bis er beim Nichts angelangt ist? Nein, wer feige entflieht, kann ihn nirgends finden.

Rabindranath Tagore (1861 – 1941) in: Sadhana – Der Weg zur Vollendung

Gott in sich selbst suchen

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In mir gibt es einen ganz tiefen Brunnen. Und darin ist Gott. Manchmal ist er für mich erreichbar. Aber oft liegen Steine und Geröll auf dem Brunnen, und dann ist Gott begraben. Dann muss er wieder ausgegraben werden. Ich stelle mir vor, dass es Menschen gibt, die beim Beten die Augen zu Himmel erheben. Sie suchen Gott außerhalb ihrer selbst. Es gibt auch andere, die den Kopf senken und in den Händen verbergen: ich glaube, diese Menschen suchen Gott in sich selbst.

Etty Hillesum (1914 – 1943)

Göttliche Freude und Gott aufnehmen

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Kein Gefäß kann zweierlei Trank in sich fassen. Soll es Wein enthalten, so muß man notgedrungen das Wasser ausgießen; das Gefäß muß leer und ledig werden. Darum: sollst du göttliche Freude und Gott aufnehmen, so mußt du notwendig die Kreaturen ausgießen. Sankt Augustinus sagt: „Gieß aus, auf daß du erfüllt werdest. … Kehre dich ab, auf daß du zugekehrt werdest.“

Meister Eckhart (1260 – 1328) in „Das Buch der göttlichen Tröstung“

Ein Pilger der sein Ziel nicht kennt

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Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt;
Der Feuer sieht und weiß nicht, wo es brennt;
Vor dem die Welt in fremde Sonnen rennt.

Ich bin ein Träumer, den ein Lichtschein narrt;
Der in dem Sonnenstrahl nach Golde scharrt;
Der das Erwachen flieht, auf das er harrt.

Ich bin ein Stern, der seinen Gott erhellt;
Der seinen Glanz in dunkle Seelen stellt;
Der einst in fahle Ewigkeiten fällt.

Ich bin ein Wasser, das nie mündend fließt;
Das tauentströmt in Wolken sich ergießt;
Das küßt und fortschwemmt, – weint und froh genießt.

Wo ist, der meines Wesens Namen nennt?
Der meine Welt von meiner Sehnsucht trennt?
Ich bin ein Pilger, der sein Ziel nicht kennt.

Erich Mühsam (1878 – 1934)

Das Feuer schmelzt und eint

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Das Feuer schmelzt und eint:
sinkst du in Ursprung ein,
So muß dein Geist mit Gott
in eins geschmelzet sein.

Angelus Silesius / Johannes Scheffler (1624 – 1677) in: „Der Cherubinische Wandersmann“ / Zweites Buch, Nr. 163

Hoffnung und Zuversicht

Gedenktafel in Erfurt für Meister Eckhart (1260 – 1328) / Foto (c) wak

Wahre und vollkommene Liebe soll man daran erkennen, ob man große Hoffnung und Zuversicht zu Gott hat; denn es gibt nichts, woran man besser erkennen kann, ob man ganze Liebe habe, als Vertrauen. Denn wenn einer den anderen innig und vollkommen liebt, so schafft das Vertrauen; denn alles, worauf man bei Gott zu vertrauen wagt, das findet man wahrhaft in ihm und tausendmal mehr. Und wie ein Mensch Gott nie zu sehr liebhaben kann, so könnte ihm auch nie ein Mensch zuviel vertrauen. Alles, was man sonst auch tun mag, ist nicht so förderlich wie großes Vertrauen zu Gott. Bei allen, die je große Zuversicht zu ihm gewannen, unterließ er es nie, große Dinge mit ihnen zu wirken. An allen diesen Menschen hat er ganz deutlich gemacht, daß dieses Vertrauen aus der Liebe kommt; denn die Liebe hat nicht nur Vertrauen, sondern sie besitzt auch ein wahres Wissen und eine zweifelsfreie Sicherheit.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in „Erfurter Reden“