Innerlich und übersinnlich

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Das innere Antlitz empfängt sein Licht von der höchsten Leuchte, die ewig leuchtet, und deren Geheimnis niemals enthüllt werden kann. Es ist innerlich, weil es aus einer verborgenen Quelle kommt, und es ist übersinnlicher Art, weil es direkt von oben kommt.

Sefer ha Sohar / Buch des Glanzes

Weisheit aller Traditionen

Im Kloster Maulbronn gefunden / Foto: (c) wak

Was gerecht ist, ist nachhaltig – es hält. Was ungerecht ist, zerfällt, erzeugt Krieg, schafft Ressentiments und nährt die Gewalt. Die Imperien legitimieren gern die Gewalt im Namen der Religion. Aber eine neue Reformation wird die Weisheit anerkennen, die von allen spirituellen Traditionen der Welt ausgeht, und in echter Bescheidenheit wissen, dass keine Kultur und kein Weg den einzigen Pfad zur Quelle bilden können. Glaubensübergreifende Begegnung und Tiefenökonomie werden unabdingbar notwendige Bestandteile einer Spiritualität des 21. Jahrhunderts sein.

Matthew Fox (*1940)

Der Eine Geist ist die reine Quelle

Zengarten: Foto Ullrich Spiegelberg +

Der Eine Geist ist die reine Quelle, die allen Menschen innewohnt. Alle sich bewegenden Wesen, die vom Leben durchpulst sind, bestehen aus dieser Einen Substanz und unterscheiden sich nicht voneinander. Unsere ursprüngliche Natur ist in Wahrheit ohne die geringste Gegenständlichkeit. Sie ist leer, allgegenwärtig, schweigsam, rein. Sie ist herrlich und geheimnisvoll friedliche Freude, nichts anderes. Dieser reine Geist, die Quelle von allem, scheint für immer und auf alle mit dem Glanz seiner eigenen Vollendung. Volles Verständnis kann nur durch ein unausdrückbares Geheimnis kommen. Der Zugang zu ihm heisst der Torweg der Stille jenseits aller Tätigkeit.

Huangbo Xiyun / Huang Po / Huang Bo († 850)

Ronald Steckel hat aus den überlieferten Reden des Huang Bo den Text für ein Hörbuch destilliert. Die Sprecher sind Max Hopp, Martin Engler u. v. a.

Hörbuch 20:17 Min. ~ 10 €

https://verlagmagischeblaetter.eu/hoerbuecher/ueber-die-wirklichkeit-jacob-boehme-martin-luther-novalis-meister-eckhart-tauler-ramana-maharshi-yoshida-kenko-huangbo

Bestellmöglichkeit hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

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Die Wüste neu keimen lassen

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Erzählt wird von einem Schüler, der zu seinem Meister kommt .
„Es ist öde und leer in meinem Inneren. Wie finde ich nur neue Lebenskraft in mir?“
Der Meister gibt dem Schüler ein Gefäß und rät ihm, täglich zur Quelle zu gehen und Wasser zu holen.
Schon am nächsten Tag kommt der Schüler wieder zum Meister:
„Es ist hoffnungslos. Alles Wasser rinnt durch die Löcher des Gefäßes.“
Der Meister: „Tu, was ich dir sage!“
So geht der Schüler zur Quelle – nicht ohne Zweifel und inneres Murren.
Nach 40 Tagen klagt er dem Meister:
„Ich habe keine Chance; alles Wasser rinnt durch die Löcher des Gefäßes!“
Da nimmt der Meister das Gefäß in die Hand und sagt: “Siehe, wie es neu leuchtet! Dein Schöpfen hat den Rost gelöst.“
Und er zeigt dem Schüler den grünen Streifen im Sand:
Siehe, dein verlorenes Wasser ließ die Wüste neu keimen!“

Diese Weisheitsgeschichte soll aus der Tradition der Wüstenmütter und -väter stammen; der Verfasser ist unbekannt

Zur Quelle des Lichts gewendet

Ramana Maharshi / Bild: Archiv

Das Selbst ist das Herz. Das Herz ist Selbst-leuchtend. Licht steigt aus dem Herzen auf und gelangt ins Gehirn, das der Sitz des Gemüts ist. Die Welt wird mit dem Gemüt gesehen, also durch das reflektierte Licht des Selbst. Wahrgenommen wird sie mit der Hilfe des Gemüts. Sobald das Licht im Gemüt erstrahlt, wird dieses der Welt gewahr. Wird es dagegen nicht beleuchtet, dann ist es der Welt nicht gewahr. Wird das Gemüt nach innen zur Quelle des Lichts hin gewendet, dann hört das objektive Wissen auf und das Selbst allein leuchtet als das Herz.

Ramana Maharshi (1879 – 1950)

Geheimnisse der Welt erlauschen

Foto: (c) wak

Da ist … das lauschende Erleben einer Quelle. Unter dem gewaltigen Druck der Erde entspringt der Tiefe ein Strömendes als unerwartetes Geschenk. Auf einmal wird der Mensch einer tiefen Entsprechung inne: das bin ich; dies ereignet sich in meinem eigenen Leben immer wieder. Eine Quelle muß gesucht, aber auch, nachdem man sie gefunden, gefaßt, gereinigt, behütet werden, sonst versickert sie im Sand. Der Mensch sagt sich: das ist doch mein eigenes Leben.

Da ist auch die Erfahrung einer Flamme. Sie muß entzündet werden, strahlt dann Licht und zugleich Wärme aus; sie ist klein, zitternd und flackernd ; auch ist sie selbstverzehrend. Sie kann aber in einem unbeachteten Augenblick Furchtbares anrichten und Zerstörung bewirken. Unvermittelt versteht der Mensch: so ist mein eigenes Dasein; so sind meine Gedanken, Wünsche, Empfindungen und Ahnungen.

In ähnlicher Weise vermag der Mensch im stillen Lauschen des daseinsdeutenden Geheimnisses der Welt innezuwerden: des Geheimnisses der Welle, des Weges, des Baumes, des Gartens, des Hauses, des Ringes und vieler anderer „Dinge“ mehr. Durch solche Bilder tritt das „Andere“, das „Heilige“ von der Welt her in das eigene Dasein. Sie werden hineingewoben in die Empfindungen und Gedanken, in die Begriffe, in das Tun und in den Traum.

Ladislaus Boros (1927 – 1981)

Auszug aus dem Artikel „Der Schweigende Mensch und sein Gott. Meditation zum Stillwerden“, den ich in der Schweizer Jesuitenzeitschrift „Orientierung“ 33 (1969), Nr. 6 vom 31. März 1969 gefunden habe.

Aktuell erscheint im Xantener Chalice-Verlag eine Gesamtausgabe der Werke von Ladislaus Boros: https://chalice-verlag.de/fp-boros-ga00/

Erweise dich als Schale…

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Wenn du vernünftig bist, erweise dich als Schale und nicht als Kanal, der fast gleichzeitig empfängt und weitergibt, während jene wartet, bis sie gefüllt ist. Auf diese Weise gibt sie das, was bei ihr überfließt, ohne eigenen Schaden weiter. Lerne auch du, nur aus der Fülle auszugießen, und habe nicht den Wunsch, freigiebiger zu sein als Gott. Die Schale ahmt die Quelle nach. Erst wenn sie mit Wasser gesättigt ist, strömt sie zum Fluss, wird sie zur See. Du tue das Gleiche! Zuerst anfüllen und dann ausgießen. Die gütige und kluge Liebe ist gewohnt überzuströmen, nicht auszuströmen. Ich möchte nicht reich werden, wenn du dabei leer wirst. Wenn du nämlich mit dir selber schlecht umgehst, wem bist du dann gut? Wenn du kannst, hilf mir aus deiner Fülle; wenn nicht, schone dich.

Bernhard von Clairvaux (um 1090 -1153)

Eure Quelle der Erlösung

Fotographik (c) wak

Wenn die Jünger des Zen über die Welt ihrer Sinne und Gedanken hinaus nicht zu gehen vermögen, dann ist all ihr Tun und Lassen bedeutungslos. Aber wenn ihre Sinne und Gedanken vernichtet sind, bleiben alle Durchgänge zum Allumfassenden Geist verstopft und unbegehbar. Der Urgeist muss erkannt werden, solange die Sinne und Gedanken arbeiten. Er gehört ihnen nicht, ist aber von ihnen auch nicht unabhängig. Bauet eure Ansichten nicht auf euren Sinnen und Gedanken auf. Aber suchet nicht den Geist weitab von euren Sinnen und Gedanken, trachtet nicht danach, dadurch die Wirklichkeit zu erfassen, dass ihr eure Sinne und Gedanken verwerfet. Wenn ihr weder daran haftet noch davon losgelöst seid, dann werdet ihr eure vollkommene, unbehinderte Freiheit genießen, dann werdet ihr eure Quelle der Erleuchtung besitzen.

Huang-Po (+ um 800)

Zen und Jacob Böhme

Screenshot des Hinweises zur Sendung

Meditation als Quelle der Weisheit: das verbindet den europäischen Mystiker Jacob Böhme (1575–1624) mit dem japanischen Zen-Buddhismus. Diese Geistesverwandtschaft zeigt der Klangkünstler Johannes S. Sistermanns in einer Komposition aus Geräuschen und Stimmen.

„Jacob Räume Zen“ verknüpft die Texte und visionären Bilder von Jacob Böhme mit Erfahrungen und Aussagen des Zen-Buddhismus. Die geistige Nähe dieser geografisch so entfernten Welten nutzt Johannes S. Sistermanns, um die jeweiligen Klangräume miteinander in Berührung zu bringen. Böhmes Texte werden aus seiner Heimatstadt Görlitz in japanische Alltags- und Klosterräume versetzt. Worte von Zen-Mönchen reisen akustisch von Japan in die Lebensräume Jacob Böhmes. Im Verlauf des Stückes verweben sich die Klänge allmählich miteinander. Sie schaffen eine Atmosphäre des begriffslosen Erkennens, in der Böhmes Erfahrungen wortlos aufgehen.

Jacob Räume Zen
Hörstück in Räumen, Klängen, Gedanken und Geräuschen
Von Johannes S. Sistermanns
Mit: Naomi Grundke (Sopran), Wolfgang Schliemann (Schlagzeug), Takeshi Shinohara (Shakuhachi), Zuiten Kashida (Rezitation), Josef Grochalla und Stefan Fricke (Stimmen und Schritte)

Produktion: DKultur 2007
Länge: 52’02

https://www.hoerspielundfeature.de/jacob-raeume-zen-wh-100.html