Gott erleben in allen Dingen

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Der Mensch soll Gott erleben in allen Dingen und soll sein Gemüt gewöhnen, daß er allzeit Gott gegenwärtig habe in seinem Sinne, in Meinung und Minne. Hab acht, wie du nach deinem Gotte trachtest, so du in der Kirche bist oder in der Zelle: dieses selbe Gemüt behalte und trage es unter die Menge und in die Unruh und in eine fremde Welt.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in den Erfurter Reden der Unterweisung / 6. Von der Abgeschiedenheit und vom Gotthaben

Ein Weg in die Stille

Meditations-Radbild von Niklaus von Flüe (1417 – 1487)

Der vollendende Weg der Mystik ist ein Weg in die Stille. In die Abgeschiedenheit. Ein Weg der Selbstverkleinerung. Es hat auch mit einer Art spirituellen, religiösen Begabung zu tun. Bei einigen mit weitreichenden kreativen Folgen für den Betroffenen, mit Wirkung auch auf die Außenwelt. Er wurde jedoch kein Lehrer der Mystik, blieb reiner Praktiker, „Lebemeister“, wie Meister Eckhart gesagt hätte.

Das vollständige Interview über Niklaus von Flüe von Marcelle de Michiel mit dem Schweizer Historiker Dr. Pirmin Meier ist hier nachzulesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VI

CII. Jahrgang SOMMER 2021

Thema: Die erste Ausstellung des Jakob-Böhme-Bundes

Heft 5, Mai 2021

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

In die Tiefen des eigenen Seinsgrundes hinabsteigen

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Eckeharts Imperativ „Stirb und werde!“, was besagt er nach alledem anderes als: „Mensch, werde wesentlich!“, erkenne dich selbst und werde, der du bist! d. h.: erfülle und vollende dein innerstes und wahrstes Wesen! Steig auf dem Wege der Abgeschiedenheit und der Gelassenheit hinab in die Tiefen deines eigenen Seinsgrundes, indem du die sterilen Hüllen und Schalen deines kleinen Ich durchbrichst. Dort unten aber in deinem Seelengrunde wohnt das Göttliche, hegt des Gottes eigne Kraft.

Aus der Einleitung zu: Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. Herausgegeben und übersetzt von Josef Quint. München 1963, S. 48

In der Ruhe findest du dich selbst

Ein Mönch wurde von Fremden gefragt, warum er ein Leben in der Abgeschiedenheit führe. Er saß gerade am Rand eines Brunnens und hatte einen Eimer Wasser geschöpft. Er bat die Fremden in den Brunnen zu sehen und zu beschreiben was sie erkennen können. Sie blickten in den Brunnen und konnten nichts sehen. Nach einer Weile bat er sie abermals in den Brunnen zu sehen und sie sagten: „Wir können uns selbst sehen!“ „So ist es mit der Stille“ sagte der Mönch. „Wenn alles zur Ruhe gekommen ist, findest du dich selbst.“

Verfasser unbekannt

Wie ein breiter Berg gegen einen kleinen Wind

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Nun sollst du erfahren, dass richtige Abgeschiedenheit nichts anderes ist, als dass der Geist gegen alle Umstände, sei es Freude oder Leid, Ehre, Schaden oder Schmach, so unbeweglich bleibt wie ein breiter Berg gegen einen kleinen Wind. Diese unbewegliche Abgeschiedenheit bringt den Menschen in die größte Gleichheit mit Gott. Denn dass Gott Gott ist, das hat er von seiner unbeweglichen Abgeschiedenheit, und davon hat er seine Reinheit und seine Einfachheit und seine Unwandelbarkeit. Will daher der Mensch Gott gleich werden, soweit eine Kreatur Gleichheit mit Gott haben kann, so muss er abgeschieden sein. Und du sollst wissen: Leer sein aller Kreaturen ist Gottes voll sein, und voll sein aller Kreatur ist Gottes leer sein.

Aus „Von der Abgeschiedenheit“. In: Meister Eckharts mystische Schriften. Aus dem Mittelhochdeutschen in unsere Sprache übertragen von Gustav Landauer, Berlin 2. Auflage 1920. Bearbeitet von Martin Buber

Frei von sich und allen Dingen

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Wenn ich predige, dann pflege ich von vier Dingen zu sprechen. Erstens von Abgeschiedenheit und daß der Mensch frei und ledig sein muß – von sich selbst und von allen Dingen. Zweitens pflege ich davon zu sprechen, daß man wieder hineingebildet und zurückgeformt werden soll in das einzige und einfältige, wahrhaft eine Gut, das Gott ist. Zum dritten sage ich, daß man die große Edelkeit und den Adel bedenken muß, den Gott der Seele mitgeteilt hat, damit der Mensch mit diesem Adel wieder in einem Wunder zu Gott zurückgelangt. Viertens spreche ich von der Lauterkeit, Reinheit und Klarheit der göttlichen Natur – welche Klarheit und Reinheit die göttliche Natur besitzt, das ist unaussprechlich. Gott ist ein Wort, ein ungesprochenes Wort.

Meister Eckhart (1260 – 1328)

Mehr dazu hier: http://www.eckhart.de/index.htm?loeser.htm

 

 

Leuchtende Finsternis

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Das erste und vielleicht vorherrschende ist das Erwerben derjenigen Tugend, welche Eckhart über alle anderen stellt, und welche er so bezeichnend die Abgeschiedenheit heißt. In diese Abgeschiedenheit versenkt erlangt die Seele ihren eigenen Höhepunkt, erfährt sie ihre Einswerdung mit Gott, ihre vollkommene Gottung. In den weiten Mantel himmlischer Abendruhe und tiefster Windstille weich gehüllt, erlebt sie in dieser Versenkung ihre entscheidensten und ihre bedeutendsten Augenblicke: ein Allerletztes löst sich irgendwo in den Welt und legt sich still in ihre Tiefen. Sie denkt jetzt gedankenlos, sie schaut ohne Bilder, das Schweigen erklingt in ihr, und ihre Finsternis leuchtet.

Fedor Stepun (1884 – 1965) in: Die Tragödie des mystischen Bewußtseins. 1912

https://www.gleichsatz.de/b-u-t/can/sac/steppuhn.html

Abgeschiedenheit und inneres Schweigen

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Es hat keinen Sinn, über Gott und die Liebe zu sprechen, wenn Menschen nicht in der Lage sind, zu hören.
Die Ohren, mit denen jemand die Botschaft des Evangeliums hört, sind im menschlichen Herzen verborgen. Diese Ohren hören nichts, solange ihnen keine Abgeschiedenheit und kein inneres Schweigen zuteil werden.

Thomas Merton (1915 – 1968) in „Thoughts in Solitude“

Gott ist ein Wort, ein ungesprochenes Wort

Wenn ich predige, dann pflege ich von vier Dingen zu sprechen. Erstens von Abgeschiedenheit und daß der Mensch frei und ledig sein muß – von sich selbst und von allen Dingen. Zweitens pflege ich davon zu sprechen, daß man wieder hineingebildet und zurückgeformt werden soll in das einzige und einfältige, wahrhaft eine Gut, das Gott ist. Zum dritten sage ich, daß man die große Edelkeit und den Adel bedenken muß, den Gott der Seele mitgeteilt hat, damit der Mensch mit diesem Adel wieder in einem Wunder zu Gott zurückgelangt. Viertens spreche ich von der Lauterkeit, Reinheit und Klarheit der göttlichen Natur – welche Klarheit und Reinheit die göttliche Natur besitzt, das ist unaussprechlich. Gott ist ein Wort, ein ungesprochenes Wort.

Meister Eckhart (1260 – 1328)

Mehr dazu hier: http://www.eckhart.de/index.htm?loeser.htm

Ins Herz eingraviert

In der Abgeschiedenheit
des Gedankens an den Tod,
der in sein Herz eingraviert ist,
steckt der Einsiedler – den Anhaftungen überdrüssig –
die Grenzen seiner Einkehr ab,
entsagt den Zerstreuungen dieses Lebens
und kommt nicht mit
mit den „acht weltlichen Belangen“ in Kontakt.

Gyalwa Yangonpa (1213 – 1287)