zwei vor, eins zurück – so springen wie in Echternach

In einer Information zur Echter Springprozession heißt es: „In der Springprozession kann man den Ausdruck lebensbejahender Freude, aber auch den Charakter inständiger Bitte leidgeprüfter Menschen erkennen. Sie ist Gebet, Haltung des Menschen vor Gott; nicht nur der Geist des Menschen, sondern auch sein Körper ist einprägsam an diesem Gebet beteiligt. Mit Recht wird gesagt : „Menschen, die mit den Füssen beten“. Willibrord wir angerufen gegen Fallsucht (Epilepsie). Davon ausgehend wird behauptet, beim Springen werde das krankhafte Fallen nachgeahmt und die Fürsprache des Heiligen bei Gott angerufen, um sich vor der Krankheit (manchmal „Echternacher Krankheit“ genannt) zu schützen, oder um andere, die von der Krankheit befallen sind, durch Gottes Gnade zu befreien. Also eine Anwendung des Prinzips :“Similia similibus curare“, eine Art Heiltanz. Damit steht Willibrord neben anderen Heiligen, die gegen Bewegungskrankheiten angerufen werden : Johannes der Täufer (Johannistanz) oder Vitus/Guy (Veitstanz ; die Echternacher Springprozession wird gelegentlich im Französischen „danse de Saint Guy“ genannt). Das Springen kann auch freudiger Ausdruck der Haltung des Menschen vor Gott sein. ….
Man springt nicht für sich allein, sondern in einer Gruppe, man hält sich gegenseitig (meist durch Taschentücher verbunden) , man stimmt sich auf andere ab und folgt dem vorgegebenen Rhythmus der Melodie, man scheut sich nicht vor körperlicher Anstrengung (Dauer des Prozessionsweges : etwa 1 Stunde), man lässt sich nicht durch ungünstige Witterungsverhältnisse abschrecken. Es fällt auf, dass besonders Jugendliche von dieser Prozession begeistert sind. Wie jede Prozession ist auch die Springprozession eine bildliche Darstellung des Gottesvolkes, das sich auf dem Weg befindet. Man bleibt nicht beim Gewohnten stehen, sondern man bewegt sich auf ein Ziel hin, man strebt nach Höherem, letztlich nach dem Leben in Gemeinschaft mit Gott.“

Mehr hier: http://www.springprozession.com/mainframes/springprozession.htm

Hier kann die Musik der Springprozession gehört werden: http://www.irrel.de/archiv/buerger/aktuelles/wav/dansante.wav

Die Echternacher Springprozession findet jeweils am Dienstag nach Pfingsten statt. Viele Jahre her, dass ich einmal daran teilgenommen habe. Die Musik kann sich wie ein Ohrwurm in Gehör und Gehirn drängen. Höre ich sie, erinnere ich das Springen…

Werbung

Dolmetscher des Herzens

Photo by Pixabay on Pexels.com

Die Menschen des Herzens — Mystiker/innen — bleiben solange schweigsam, bis ihr Herz zu reden beginnt; dann gebrauchen sie ihre Zunge als Dolmetscher ihres Herzens.

Hassan Basri (642 – 728)

Ihr tragt alle Wahrheit in euch

Foto: (c) wak

Warum geht ihr aus?
Warum bleibt ihr nicht in euch selbst
und greift in euer eigenes Gut?
Ihr tragt doch alle Wahrheit
wesenhaft in euch.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in Predigt 6 (Josef Quint, Deutsche Predigten und Traktate, S. 181)

Pendel der Welt

Photo by Pixabay on Pexels.com

Du Pendel der Welt
Einatmen Ausatmen
So schwinge du hin so schwinge du her
Du Atem der Engel so brenne und glühe
Vermehre Verstärke
Die Seele der Welt
Du Atem der Engel im Herzen werde menschlich
Bleib ewig wenn auch noch im Menschen begrenzt
Zum Herzen vom Herzen
Einatmen Ausatmen
So schwinge du ewig du Pendel der Welt

Jacob Böhme (1575 – 1624)

Erschienen war der Text von Böhme hier:
MAGISCHE BLÄTTER BUCH IV – CI. JAHRGANG WINTER 2020 / 2021

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Was ist Erleuchtung?

Photo by Pixabay on Pexels.com

Zur Wahrheit erwachen heißt niemand sein, NICHTS sein, bewusst Sein, nur sein. Da ist kein Ego, keine Person. Kein Gewinnen, sondern ein Entblößen geschieht da, kein Addieren, sondern ein Subtrahieren, ein fortwährendes Abziehen von allem, bis NICHTS mehr übrig bleibt: Überfließende Leere, Stille – NICHTS nicht getrennt von Allem.

Pyar (* 1960) in: Ein Text von Pyar über Erleuchtung

Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte

Radierung: Paul Reding / Foto: (c) wak

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grüner Aue
und führet mich zum frischen Wasser.

Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und dein Stab trösten mich.

Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.

Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des Herrn immerdar.

Martin Luther (1483 – 1546) / Text in der Fassung von 1912

Alles liegt an der Liebe

Alles liegt an der Liebe. Hat jemand Böses getan, so bleibt es ihm; das Gute wird der Liebe zugeschrieben. … Die Liebe zieht auch alles Gute an sich, das im Himmel in den Engeln und den Heiligen ist und in aller Märtyrer Leiden; und ferner all das Gute, das die Geschöpfe Himmels und der Erden in sich haben und wovon ein so großer Teil verlorengeht oder doch verloren scheint. Die Liebe lässt es nicht verlorengehen. Die Lehrmeister und die Heiligen sagen, dass im ewigen Leben eine gar große Liebe herrsche; wenn (dort) eine Seele erkenne, dass eine andere mehr Liebe besitze als sie selbst, so freue sich diese Seele darüber so sehr, als ob sie diese Liebe selbst besitze. Und je mehr ein Mensch (auf Erden in seiner Haltung) jener Seele gleicht, umso herrlicher wird sein Glück im ewigen Leben sein.

Johannes Tauler (1300 – 1361) in seiner Predigt „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ (Luk. 6, 36 f.)

Jahres-Schluss-Steine Meister Eckharts

Fotographik (c) wak

„Wer diese Predigt verstanden hat, dem vergönne ich sie wohl. Wäre niemand hier gewesen, ich hätte sie diesem Opferstock predigen müssen“. So Meister Eckhart (1260 – 1328) am Ende der Aussagen von Predigt 26. Diese fast sprichwörtlich gewordenen Zeilen sind hier wie bei anderen seiner Predigten Schlusspunkte, Schlusssteine. Sie führen Vorhergegangenes zu einem Ende: sehr direkt, kurz und knapp. Manche der Schlussätze sind ähnlich wie Affirmationen, bei denen eine Aussage, Situation oder Handlung positiv bewertet wird. Andere wirken wie Aufrufe oder Weckrufe zur Transformation. Bei nur wenigen der Sätze sind sie teilweise unverständlich, wenn der vorige Predigttext nicht gekannt ist. Bei den meisten von ihnen jedoch sind sie oft wie eigene meditative Artefakte, kontemplative Kleinode. Auf jeden Fall zu schade dafür, dass sie in der Fülle der Predigtgedanken unbeachtet untergehen. Ist doch auch daran zu erinnern, was Gustav Landauer in seinem Vorwort zu „Meister Eckharts Mystische Schriften“ schrieb. Er hatte sie 1903 herausgegeben, 1920 dann noch einmal sprachlich bearbeitet von  Martin Buber.  Landauer war der Überzeugung: “ Meister Eckhart ist zu gut für historische Würdigung; er muss als Lebendiger auferstehen.“

Diese Schlusssteine mögen am Ende diesen Jahres dazu anregen, ein paar der Gedanken Meister Eckharts mit in das kommende Jahr zu nehmen. (w.a.k.)

1 Dass Jesus auch in uns kommen und hinauswerfen und wegräumen möge alle Hindernisse und uns Eins mache, wie er als Eins mit dem Vater und dem heiligen Geiste ein Gott ist, auf dass wir so mit ihm eins werden und ewig bleiben, dazu helfe uns Gott. Amen.

4 Dass wir bereitet werden, die beste Gabe zu empfangen, dazu helfe uns der Vater der Lichter. Amen.

5 Dass wir nicht dahin gelangen, wo dieses Gut empfangen wird, das liegt nicht an ihm, sondern an uns.

6 Dass wir in solcher Weise wahrhaft drinnen bleiben mögen, dass wir alle Wahrheit unmittelbar und ohne Unterschiedenheit in rechter Seligkeit besitzen, dazu helfe uns Gott! Amen.

7 Dass wir die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen und Gott ohne Warum lieben, dazu helfeuns Gott. Amen.

8 … Was die Seele in ihrem Grunde sei, davon weiß niemand etwas. Was man davon wissen kann, das muss übernatürlich sein, es muss aus Gnade sein: dort wirkt Gott Barmherzigkeit. Amen.

11 Dass wir uns innen finden im Tage und in der Zeit der Vernunft und im Tage der Weisheit undim Tage der Gerechtigkeit und im Tage der Seligkeit, dazu helfe uns der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

13 … Der Mensch, der gelassen hat und gelassen ist und der niemals mehr nur einen Augenblick auf das sieht, was er gelassen hat, und beständig bleibt, unbewegt in sich selbst und unwandelbar, – der Mensch allein ist gelassen. Dass wir so beständig bleiben und unwandelbar wie der ewige Vater, dazu helfe uns Gott und die ewige Weisheit. Amen.

15 Wir sollen Gottes Bild in uns tragen, und sein Licht soll in uns leuchten, wenn wir »Johannes« sein wollen.

16 Dass wir Eins werden, dazu helfe uns Gott. Amen.

18 Dass wir ebenso dahin gelangen, in dem ewigen Worte zu antworten, dazu helfe uns Gott. Amen.

19 Wir bitten Gott, unsern lieben Herrn, dass er hier mit uns wohne, auf dass wir ewiglich mit ihm wohnen mögen; dazu helfe uns Gott. Amen.

21 Darum spricht Sankt Lukas: »Ein Mensch hatte bereitet ein großes Abendmahl« (Luk. 14, 16). Dieser Mensch ist Gott und hat keinen Namen. Dass wir zu diesem Gastmahl kommen, dazu helfe uns Gott. Amen.

22 Dass wir so eins werden mit Gott, dazu helfe uns »ein Gott, Vater aller«. Amen.

23 Dass wir zu dieser Wahrheit kommen, dazu helfe uns die Wahrheit, von der ich gesprochen habe. Amen.

24 Nun, dass wir zu diesem ewigen Lichte kommen, dazu helfe uns Gott. Amen

26 Wer diese Predigt verstanden hat, dem vergönne ich sie wohl. Wäre hier niemand gewesen, ich hätte sie diesem Opferstocke predigen müssen. Es gibt manche arme Leute, die kehren wieder heim und sagen: »Ich will an einem Ort sitzen und mein Brot verzehren und Gott dienen!« Ich sage bei der ewigen Wahrheit, diese Leute müssen verirrt bleiben und können niemals erlangen noch erringen, was die anderen erlangen, die Gott nachfolgen in Armut und in Fremde. Amen.

27 Dass auch wir gut werden mögen und getreu, auf dass auch uns unser Herr eingehen heiße und ewig inne bleiben, wir mit ihm und er mit uns, dazu helfe uns Gott! Amen.

29 Dass wir so eins seien in der Einheit, die Gott selbst ist, dazu helfe uns Gott. Amen.

31 Dass wir eben diese Einheit seien und diese Einheit bleiben mögen, dazu helfe uns Gott. Amen.

32 Dass wir so leben mögen, dass wir es ewig erfahren, dazu helfe uns Gott. Amen.

33 Dass wir Gott so folgen, dass er uns in sich versetzen könne, damit wir mit ihm vereint werden, auf dass er uns mit sich selbst lieben könne, dazu helfe uns Gott. Amen.

35 Dass uns dies widerfahre, dazu helfe uns Gott. Amen.

36 Dass wir ihm alle folgen, auf dass er uns bringe in sich, wo wir ihn wahrhaft erkennen, dazu helfe uns Gott. Amen.

37 Bitten wir unsern Herrn, dass wir in die Erkenntnis kommen mögen, die da ganz ohne Weise und ohne Maß ist. Dazu helfe uns Gott. Amen.

38 Dass wir ebenso mit Gott vereint werden, dazu helfe uns die Wahrheit, von der ich gesprochen habe! Amen.

39 Wir bitten Gott, unsern lieben Herrn, dass wir Eins und innen – wohnend werden. Dazu helfe uns Gott. Amen.

40 Dass wir dies begreifen und ewiglich selig werden, dazu helfe uns der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

42 Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken vom Etwas zum Nichts. Dazu helfe uns Gott. Amen.

44 Dass wir mit Gott ein Geist werden und wir in der Gnade erfunden werden, dazu helfe uns Gott. Amen.

45 Dass wir die göttliche Gleichheit göttlicher Ruhe so suchen und bei Gott finden mögen, dazu helfe uns Gott. Amen.

46 Dass wir in solcher Weise der Gerechtigkeit in der Weisheit nachfolgen und nach ihr hungern und dürsten, auf dass wir gesättigt werden, dazu helfe uns Gott. Amen.

48 Darum soll man der ersten Eingebung folgen und so voranschreiten; dann kommt man dahin, wohin man soll, und so ist‘s recht.

50 Und dass wir zu dieser Frucht kommen, dazu helfe uns die ewige Wahrheit, von der ich gesprochen habe. Amen.

52 Da ist Seligkeit, wo die Seele Gott nimmt, wie er Gott ist. Bitten wir unsern Herrn, dass wir so mit ihm vereint werden. Amen.

53 Dass wir zu diesem Erkennen kommen, dazu helfe uns Gott. Amen.

54 Dass wir zu dieser Vollkommenen Liebe gelangen, dazu helfe uns Gott. Amen.

56 Dass wir allem dem entwachsen, was nicht Gott ist, dazu helfe uns Gott. Amen.

57 In diese Geburt helfe uns der Gott, der von neuem als Mensch geboren ist. Dass wir schwache Menschen in ihm auf göttliche Weise geboren werden, dazu helfe er uns ewiglich. Amen.

(Die Ziffern vor den Schlusssätzen beziehen sich auf die Nummerierung der Predigten, die Josef Quint 1963 herausgegeben und übersetzt hat.)