Wie Seil und Schlange

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Der Seher und das gesehene Objekt sind wie das Seil und die Schlange. Genauso wie das Wissen über das Seil sich nicht offenbart bevor nicht das falsche Wissen über die illusorische Schlange beseitigt wird, so wird auch das Selbst als Grundlage nicht verwirklicht, bevor nicht der Glaube verschwindet, dass die Welt wirklich ist.

Ramana Maharshi (1879 – 1950) in: Wer bin ich?

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… lauf in den Frieden

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Sein ist Leben, Aktivität, Geburt, Erneuerung, Ausfließen, Verströmen, Produktivität. In diesem Sinn ist es das Gegenteil von Haben, von Ichbindung und Egoismus. Sein im Sinne Eckharts heißt aktiv sein im klassischen Sinn, als produktiver Ausdruck der dem Menschen eigenen Kräfte, es heißt nicht „geschäftig“ sein im modernen Sinn. Aktivität bedeutet bei ihm „aus sich selbst ausgehen“ (Quint DPT 6)*, was er in vielen Bildern beschreibt: Er nennt Sein einen Vorgang des „Kochens“, des „Sich-selbst-Gebärens“, etwas, das „in sich selbst und über sich selbst verfließt“… Manchmal benützt er das Symbol des Laufens, um den aktiven Charakter zu beschreiben: „… lauf in den Frieden! Der Mensch, der sich im Laufen und in beständigem Laufen befindet, und zwar in den Frieden, der ist ein himmlischer Mensch. Der Himmel läuft beständig um, und im Laufe sucht er Frieden“. (Quint DPT 8)

Erich Fromm (1900 – 1980) in: „Haben oder Sein“. Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft. Stuttgart 1976, S. 69 – 70 /

* Josef Quint (Hg.), Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. München 1963

Mitgefühl

Ich betrachte Mitgefühl als Schlüssel, nicht nur, um für uns selbst geistige Ruhe, Stabilität und Glück zu erreichen und beizubehalten, sondern auch als etwas außerordentlich Nützliches, um eine gesunde menschliche Gesellschaft zu schaffen. Damit meine ich eine glücklichere Gesellschaft, die weniger Schaden anrichtet. Ob im Einzelfall, im Rahmen der Familie, auf nationaler oder internationaler Ebene – Altruismus, Liebe und Mitgefühl sind die Grundlagen für Erfolg, für Glück und für eine glückliche Umwelt.

Tendzin Gyatsho (*1935)

Empfehlungen für Zen-Schüler

In der Welt leben, aber nicht am Staub der Welt festhalten oder Bindungen schaffen: das ist der Weg des wahren Zen-Schülers.

Wenn du siehst, wie jemand gute Taten vollbringt, sporne dich an, seinem guten Beispiel zu folgen. Hörst du aber, dass jemand falsch gehandelt hat, nimm dir vor, selbst nicht ebenso zu handeln.

Auch wenn du dich allein in einem dunklen Raum befindest, benimm dich so, als ob ein hoher Gast bei dir wäre.

Drücke deine Gefühle aus, drücke aber nicht mehr aus, als du wirklich fühlst.

Armut ist dein Reichtum. Tausche sie nicht gegen ein bequemes Leben ein.

Ein Mensch mag wie ein Narr erscheinen, ohne dumm zu sein. Vielleicht will er seine Weisheit bewahren und hütet sie sorgfältig.

Tugend ist das Ergebnis von Selbstdisziplin und fällt nicht von alleine vom Himmel wie Regen oder Hagel.

Bescheidenheit ist die Grundlage aller Tugenden. Lass die anderen dich finden, bevor du dich ihnen zu erkennen gibst.

Ein edles Herz drängt sich nicht vor. Es äußert sich nur selten, so wie man wertvolle Edelsteine nur selten herzeigt.

Jeder Tag ist ein guter Tag für den wahren Schüler. Die Zeit vergeht, er fällt aber nie zurück.

Weder Ruhm noch Schande kann sein Herz bewegen.

Diskutiere nicht über Richtig und Falsch. Kritisiere immer dich selbst und nie andere.

Einige Dinge wurden lange Zeit für falsch angesehen, obwohl sie richtig waren. Da der Wert der Rechtschaffenheit vielleicht erst Jahrhunderte später erkannt wird, ist es unnötig, sofortige Wertschätzung zu erwarten.

Warum überlässt du nicht alles dem großen Gesetz des Universums und lebst jeden Tag mit einem friedlichen Lächeln?

Genaue biographische Daten von Zengetsu, dem Autoren der Empfehlungen, sind nicht bekannt. Bekannt ist allerdings, dass er Schüler von Tokusan (782 – 865) und Sekiso (807 – 888) gewesen ist.

Mystische Erfahrungen

Die Essenz aller Religionen ist in ihren mystischen Erfahrungen zu finden. Dieser mystische Weg führt aus der Versenkung zurück in die Welt und in die Weltverantwortung. Er führt in die Aktion, ins Handeln und zum Mitmenschen und ist Grundlage einer Ethik der Liebe, die im anderen Menschen sich selbst erkennt.

Willigis Jäger (*1925)