Den Weg erreichen – das Ziel erkennen

Den Weg erreichen, den ich zeige,
Heißt das Ziel erkennen,
Das alle Erdenziele hochhin überragt,
Die wunschbeschwerte Träume
Schon „erhaben“nennen.

Hat einer erst den Weg gefunden,
Findet er auch dieses Weges hohes Ziel.
Schon nach den ersten Schritten auf dem Wege
Fühlt er sich gesunden,
Und nicht mehr eingezwungen hörig Wesenlosem Spiel.

Doch: nicht im Wettlauf wird der Weg durchmessen,
Und keiner kann hier Mitbewerber überrennen!
Hier muß der Wanderer
Erst allen Geltungsdrang vergessen,
Nicht eher hört er sich im Ziel bei Namen nennen.

Bô Yin Râ (1876 – 1943) in „Ewige Wirklichkeit“

Das Zitat erschien in einem Beitrag von Erich Poppen zum Thema Tempel

Magische Blätter. CIII. Jahrgang, Herbst 2022
Heft 33 | Oktober 2022 | Thema: Tempelarchitektur und Filmische Einstimmung

Herausgeber: Verlag Magische Blätter, Ronnenberg
Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos

https://verlagmagischeblaetter.eu/publikationsreihe/monatsschrift-magische-bl%C3%A4tter

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Uns zum Unsichtbaren erheben

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Da es also drei Stufen oder Formen der Wahrheit gibt, so steigen wir zur ersten durch die Mühsal der Demut, zur zweiten durch das Gefühl des Mitleids, zur dritten durch Entzückung und Beschauung empor.
Auf der ersten Stufe findet man die Wahrheit streng, auf der zweiten barmherzig, auf der dritten rein. Zur ersten Stufe führt die Vernunft, durch die wir uns auf Herz und Nieren prüfen. Zur zweiten Stufe führt die Liebe, durch die wir mit andern Erbarmen fühlen. Zur dritten Stufe reißt uns die Reinheit fort, durch die wir uns zum Unsichtbaren erheben.

Bernhard von Clairvaux (1090 – 1153)

Erleuchtung ist eine Erhellung der Wirklichkeit

Erwählte des lebendigen Vaters / Thomas-Evangelium

 

Zur Wirklichkeit zu erwachen bedeutet, dass Form und Leerheit (Gott und Welt) zwei Aspekte der einen Wirklichkeit sind. Die Realisation dieser Wirklichkeit besagt, dass am Ursprung Bewusstsein steht, auch wenn der Mensch durch seine Körperidentifikation egobedingt ein grobstoffliches Universum wahrnimmt. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Schlange, die man in einem Stück Seil im Dunkeln wahrzunehmen glaubt. Angst und Entsetzen werden ausgelöst durch etwas, was nicht existiert. Wird das Stück Tau als solches erkannt, verschwinden Angst und Entsetzen. Erleuchtung ist nichts anderes als eine Erhellung der Wirklichkeit. Wer erkennt, dass es keinen Unterschied zwischen Form und Leerheit, zwischen Samsara und Sunyata (Brahman), zwischen dieser Form und der Nichtform, gibt, ist auferstanden.

Die Wirklichkeit spricht sich in allem aus, was Form hat. Immer ist der Mensch Sohn und Tochter Gottes, wie das Thomasevangelium sagt: „Wenn man euch fragt: ‚Wer seid ihr?‘, sagt: ‚Wir sind seine Söhne und Töchter und wir sind die Erwählten des lebendigen Vaters'“ (Thomasevangelium, 50). – Auch wenn es der Verstand nicht begreift: Wiedererstehen wird immer nur die Erste Wirklichkeit, die wir hier und jetzt leben.

Willigis Jäger (1925 – 2020)

Heiden, Christen und die Armen

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1. In den ersten Jahrhunderten
des Christentums
die Hungrigen wurden gefüttert
unter persönlichen Opfern,
die Nackten waren bekleidet
unter persönlichen Opfern,
die Obdachlosen wurden beherbergt
unter persönlichen Opfern.

2. Und weil die Armen
gefüttert, bekleidet und beherbergt wurden
unter persönlichen Opfern,
sagten die Heiden früher
über die Christen
„Sehen Sie, wie sie sich lieben.“

3. In unseren Tagen
sind die Armen  nicht mehr
gefüttert, bekleidet, beherbergt
unter persönlichen Opfern,
aber auf Kosten
der Steuerzahler.

4. Und weil die Armen
sind nicht mehr
gefüttert, bekleidet und beherbergt
sagen die Heiden über die Christen
„Sehen Sie, wie sie den Schwarzen Peter weitergeben.“

Peter Maurin (1877 – 1949) „Feeding the Poor at a Sacrifice“ in „Easy Essays“. Maurin hat 1933 zusammen mit Dorothy Day die Bewegung „Catholic Worker“ gegründet

 

Zisterzienser im Siebengebirge – Ausgangspunkt Petersberg

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Die ersten Zisterzienser im Siebengebirge waren vom Kloster Himmerod in der Eifel gekommen, zogen später aber nach Heisterbach

Mehr zur Geschichte hier: https://www.kuladig.de/Objektansicht/O-FJK-20100630-0001

Zwiegespräch zwischen Wunsch und Wirklichkeit

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Das Gebet entspringt jener Schwelle, an der Seele und Leben ineinanderfließen; es ist das Zwiegespräch zwischen Wunsch und Wirklichkeit. Dies beschränkt sich keineswegs auf die Gelegenheiten, da wir Gebete in Worte fassen. Das Gebet ist ein tieferer und Dialog, der sich in uns vollzieht. In diesem Sinne ist das innere Leben jedes Menschen ein fortwährendes Gebet, das mit der ersten Regung im Mutterleib einsetzt und mit dem letzten Atemzug endet, bevor wir in die unsichtbare Welt zurückkehren.

John O’Donohue (1956 – 2008) in: Echo der Seele. Von der Sehnsucht nach Geborgenheit. München 1999, S. 239 – 240

Jeden Morgen soll die Schale unseres Lebens hingehalten werden

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Jeder Tag der erste –
jeder Tag ein Leben.
Jeden Morgen soll die Schale unseres Lebens
hingehalten werden,
um aufzunehmen, zu tragen und zurückzugeben.

Leer hinreichen –
denn was vorher war,
soll sich nur spiegeln
in ihrer Klarheit, ihrer Form und Weite.

Dag Hammerskjöld (1905 – 1961) in: Zeichen am Weg, München 1965, S.80f.

Eine Heimat zu seiner ersten Heimat machen

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Ich war im Katholizismus zuhause, nicht im römischen Katholizismus, aber im Katholizismus, ich bin im Protestantismus zuhause – jetzt vorrangig im Protestantismus – weil es schön ist, mehrere Heimaten zu haben. Und trotzdem muss man eine Heimat zu seiner ersten Heimat machen, sonst verspielt man sich im Leben. Und ich glaube, wer nur eine Heimat überhaupt gekannt hat, der ist in ihr eingekerkert, der kennt sich selbst nicht, weil er nur sich selbst kennt.

Fulbert Steffensky (*1933)