Die Zeit ist in der Ewigkeit

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Die Größe Böhmes besteht … darin, dass er den Wert der Zeit anerkennt. Er verachtet die Zeit nicht, genauso wenig wie er die äußere Welt verachtet. Ganz im Gegenteil. Wenn die Außenwelt als versöhnende Kraft zwischen der Welt der Schatten und der Welt des Lichts erscheint, dann ist die Zeit notwendigerweise der Vermittler zwischen der Unbestimmtheit und ihrem spiegelbildlichen Gegenteil. Unsere Welt ist nicht die Welt in Trümmern, sondern eine Welt, die dabei ist, sich selbst zu reparieren. Folglich ist unsere Zeit potenziell eine Zeit des Aufstiegs, eine Zeit der Offenbarung und der Vollendung. Auf der Ebene der Einheit aller Kosmen mag die Zeit als eine Annäherung erscheinen, aber auf unserer eigenen Ebene ist sie eine unvermeidliche Realität, ein notwendiger Durchgang. Die Zeit der Natur, die Zeit der Geschichte, die Zeit unserer eigenen Entwicklung – jede dieser Zeiten hat einen „Sinn“, in der doppelten Bedeutung des Wortes: Bedeutung und Richtung. Ihre Richtung ist ihre eigene Aufhebung, und ihre Bedeutung ist die Möglichkeit der fortschreitenden Erfüllung des siebenfachen Zyklus. Die Zeit ist wirklich in der Ewigkeit zu finden, wie Böhme sagt: die Ewigkeit wird von der Zeit „genährt“.

Zitat aus dem Beitrag Muss eine Kosmologie der Selbst-Schöpfung notwendigerweise tragisch sein? Von Basarab Nicolescu aus seinem Buch Wissenschaft, Sinn und Evolution – die Kosmologie Jakob Böhmes.

Der vollständige Beitrag von Basarab Nicolescu kann hier gelesen werden:

XIII. MAGISCHE BLÄTTER | Frühjahr 2023

CIV. Jahrgang Frühjahr 2023 | ZU DEN FRÜH ERSCHIENENEN KÜNSTLERISCHEN ARBEITEN VON JOSEPH SCHNEIDERFRANKEN (März | Heft 38)

EINZELBUCH, 310 Seiten, 20,00 € (zuzüglich Versandkosten) ISBN-Nr. 978-3-948-5941-69

Herausgeber: Verlag Magische Blätter – Ronnenberg | Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos

Bestellungen hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu subject: BESTELLEN MAGISCHE BLÄTTER BUCH XIII

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Wüste und Unwissenheit aller Dinge

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Des Menschen Bewusstsein überrascht ihn noch mit seinem Lauf. Bliebe es in seinem Vermögen wirksam und hielte es sich unverhöhnt und unzerrissen von niedern und groben Dingen, es flöge höher als der höchste Himmel und ließe nimmer ab, bis er in das Allerhöchste käme und würde da gespeist und genährt von dem allerbesten Gut, das Gott ist.

Und darum ist es nützlich, dieser Möglichkeit nachzufolgen und sich frei und losgelöst zu halten, und allein dieser Dunkelheit und diesem Unwissen nachzufolgen und nachzuhängen und nachzuspüren und nicht davon abzulassen, so ist es dir wohl möglich, den zu erreichen, der alle Dinge ist. Und je mehr in dir selbst Wüste ist und Unwissenheit aller Dinge, je näher kommst du diesem. Von dieser Wüste steht bei Jeremias geschrieben: „ich will meine Freundin in die Wüste führen und in ihrem Herzen mit ihr sprechen.“ Das wahre Wort der Ewigkeit wird allein in der Ewigkeit ausgesprochen, wo der Mensch Wüste ist und seiner selbst und aller Mannigfaltigkeit entfremdet.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in der Predigt „Von der Dunkelheit“. In: Meister Eckharts Mystische Schriften. In unsere Sprache übertragen von Gustav Landauer. 2. Auflage 1920 (zusammen mit Martin Buber) S. 25 – 26

Den tiefsten Grund des Universums finden

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Es gibt einen Platz im Herzen, worin das ganze Universum enthalten ist – Himmel wie auch Erde, das Feuer, die Luft, Sonne, Mond und das Leuchten der Sterne. Alles ist darin enthalten. Wenn wir über unseren Verstand mit seinen Möglichkeiten des Messens und seinen Kategorien von Raum und Zeit hinausgehen, finden wir den tiefsten Grund des Universums. Dort sind Leben und Intelligenz.

Bede Griffiths (1906-1993)

Möglichkeit das All umfassender Erleuchtung

Was ist Mystik? Mystik, ich bin geneigt, das deiktisch einzuführen, sind Texte, denen es an wesentlicher Stelle immer wieder darum geht…, dass das Große und das Kleine sich vielleicht nicht so arg unterscheiden, dass das Ein und das Alles eins sind, Texte, die Paradoxe lieben, die mit der Idee liebäugeln, dass an entscheidender Stelle nicht etwas (oder: Etwas), sondern vielmehr nichts (oder: Nichts) ist, Texte, die etwas gegen die üblichen Vorstellungen von Gelehrsamkeit in Stellung bringen und auf Intuition und die Möglichkeit allumfassender (durchaus: das All umfassender) Erleuchtung setzen, was wieder nicht gelernt, allenfalls an Vorbildern geübt oder irgendwie erfasst wird. Wenn man nun etwa Nikolaus von Kues oder Meister Eckhart liest, stößt man auf Passagen, die dem Daodejing durchaus ähneln…

Laozi: Daodejing. Eine Übertragung von Jan Philipp Reemtsma. München 2017. Hier: Ein paar Bermerkungen hernach S. 106

Das heilige Erlebnis vor dem Zerreden des Mysteriums schützen

Das mystische Erleben der „anderen Wirklichkeit“ tut sich in Tausenden von Werken religiöser Literatur, der Dichtung und der bildenden Kunst kund. Allein das Zeugnis dieser stupenden Schaffenskraft sollte uns von der Wirklichkeit und Bedeutung des zugrunde liegenden Erlebens überzeugen. Dieses ist „mystisch“, nicht weil es dunkel und verschwommen ist, sondern weil es direkt, unvermittelt, spontan – und darum nicht dem urteilenden Intellekt zugänglich ist. Der Myste des Altertums (ebenso wie der des alten Tibet) war nicht ein Schwärmer, sondern ein Eingeweihter, ein Wissender, ein durch Erfahrungen und Prüfungen Gegangener, einer, dessen Lippen verschlossen waren, nicht um ein Geheimnis zu hüten, sondern um das heilige Erlebnis vor der Profanisierung zu schützen, vor der intellektuellen Neugierde, vor dem Zerreden des Mysteriums. Denn nur durch Kontemplation, Meditation und Selbsthingabe kann dieses Wissen erworben werden. In dem Maße aber, in dem die Selbsthingabe verwirklicht wird, wächst dieses Wissen über die Grenzen des Persönlichkeitscharakters und der individuellen Beschränkungen und die sie bedingenden psychologischen Fakten hinaus. Da nach buddhistischer Auffassung – insbesondere nach der der Vijnanavadins – unser Tiefenbewusstsein das Reservoir universeller Erfahrung ist, so wie unser individuelles Gedächtnis das Behältnis unserer persönlichen Erfahrung – so ergibt sich die Möglichkeit, im Zustande der Versenkung oder Verinnerlichung, d. h. nach Ausschaltung des intellektuellen, nach außen gerichteten Oberflächenbewusstseins, Wissensinhalte zutage zu fördern, die weder in diesem individuellen Leben erworben noch durch „persönliche“ Erfahrungen oder Charaktereigenschaften bedingt sind. Die Aussagen der modernen Tiefenpsychologie, die dem „Unbewussten“, d.h. dem Tiefenbewusstsein, die gleichen Eigenschaften zuerkennt wie der Buddhist dem „Schatzkammerbewusstsein“ (alaya-vijnana), sind ein weiterer Beleg für die Berechtigung dieser Anschauung.

Anagarika Govinda (1898 – 1985) auf die Frage „Gibt es ein mystisches Erleben der ‚anderen Wirklichkeit‘? Wie verhält es sich mit der meditativen Erfahrung? Kann die Versenkung des Menschen in sein eigenes Selbst mehr zutage fördern als die sein Wesen und seinen Charakter bestimmenden psychologischen Fakten? In: die antwort der religionen. eine umfrage mit 31 fragen von Gerhard Szczesny bei „glaubensfachleuten“ der großen bekenntnisgemeinschaften. München 1964 / Reinbek bei Hamburg 1971, S. 74

Das Bild „Mandala (Der heilige Kreis)“ erschien hier: Lama Anagarika Govinda – Schöpferische Meditation und Multidimensionales Bewusstsein, 178 f., Aurum-Verlag, Breisgau, 1977. Jetzt aktuell nachzulesen in: Magische Blätter. Monatsschrift für geistige Lebensgestaltung.CI. Jahrgang, Juni 2020, Heft 5, S. 162 https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Unseren unvoreingenommenen Seinszustand entdecken

Meditation gibt uns die Möglichkeit, uns im Mittleren Weg zu üben – darin, genau im Brennpunkt zu bleiben. Wir werden ermutigt, nichts von dem zu beurteilen, was in unserem Geist vor sich geht. Tatsächlich werden wir ermutigt, nach nichts von dem zu greifen, was in unserem Geist vor sich geht. Was wir gewöhnlich als gut oder schlecht klassifizieren, akzeptieren wir – ohne das ganze, üblicherweise mit richtig oder falsch einhergehende Drama -, einfach als Denken. Wir werden angewiesen, die Gedanken einfach kommen und gehen zu lassen, als berührten wir eine Seifenblase mit einem Federchen. Diese schlichte Disziplin bereitet uns darauf vor, mit dem Kämpfen aufzuhören und einen frischen, unvoreingenommenen Seinszustand zu entdecken.

Pema Chödrön / Deirdre Blomfield-Brown (* 1936) in: Wenn alles zusammenbricht. Hilfestellung für schwierige Zeiten. Hamburg 1998, S. 92-93

 

Endlich mal mit dem Christentum beginnen

Fotos und Montage © wak

 

… In einem Schrank, der von Ihnen ausgestellt ist, sind unter anderem Zeitungsstapel drin die mit einem roten Kreuz bepinselt sind, und das findest sich auch an anderen Gegenständen. Was soll das bedeuten?

Hier auch! Das heißt, dass es nur eine Möglichkeit gibt: Das Christentum zu verwirklichen. Nun endlich mal mit dem Christentum zu beginnen. In etwa. Christentum hat’s noch nie gegeben, soll das bedeuten.

Und das, was wir meinen als direkte Demokratie – die also den Bedarf des Menschen nach seiner Freiheit, nach seiner Gleichheit, nach seiner Brüderlichkeit erfüllen will, das meinen wir als Anfang des Christentums.

Sie halten das Christentum für eine Möglichkeit?

Die einzige Möglichkeit. Ja.

 

Joseph Beuys: Jeder Mensch ist ein Künstler. Gespräche auf der „documenta 5“ 1972, aufgezeichnet von Clara Bodenmann-Ritter. Frankfurt/M, Berlin, Wien, 1975, S. 70

Weltverantwortung aus dem Glauben

Cover des Buches, das Anton Zottl herausgegeben hat

Wenn Resignation, Selbstabschaffung und Irrationalität die eine … Möglichkeit ist, die Welt „fromm“ zu bestehen, so ist wohl Verantwortung die andere. Da es keine angstfreie Existenz gibt und sich derjenige, der sich in die Apokalypse flüchtet, aus der Politik zurückzieht, … so ist die Alternative zur privativistischen Flucht die politische Verantwortlichkeit.

Eine aktuelle „Weltverantwortung aus dem Glauben“ ist also entprivatisiertes politisches Handeln für die Welt. Es ist: politische Liebe, die „konkret auf die weltliche Fruchbarkeit der christlichen Erlösung“ hinweist.

Anton Zottl (1933 – 2015) in seiner Einführung zu dem Buch „Weltfrömmigkeit – Grundlagen, Traditionen, Zeugenisse„, das 1985 im Eichstätter Franz-Sales-Verlag erschien. Zottl zitiert hier u.a. Edward Schillebeeckx

 

Tiefster Grund des Universums

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Es gibt einen Platz im Herzen, worin das ganze Universum enthalten ist – Himmel wie auch Erde, das Feuer, die Luft, Sonne, Mond und das Leuchten der Sterne. Alles ist darin enthalten. Wenn wir über unseren Verstand mit seinen Möglichkeiten des Messens und seinen Kategorien von Raum und Zeit hinausgehen, finden wir den tiefsten Grund des Universums. Dort sind Leben und Intelligenz.

Bede Griffiths (1906-1993)