In eurer wie in meiner Zeit

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Wenn ich sage, dass man Gott auch in eurer Zeit wie in meiner eigenen unmittelbar begegnen könne, so ist wirklich Gott gemeint, der Gott der Unbegreiflichkeit, das unsagbare Geheimnis, die Finsternis, die nur dem das ewige Licht wird, der sich von ihr bedingungslos verschlucken lässt, der Gott, der keinen Namen mehr hat. Aber eben dieser Gott, er und kein anderer, wurde von mir erfahren als der Gott, der zu uns absteigt, der uns nahekommt, in dessen unbegreiflichem Feuer wir gerade nicht verbrennen, sondern eigentlich erst werden und ewig gültig sind. Der unsagbare Gott sagt sich selber uns zu; und in dieser Zusage seiner Unsäglichkeit werden wir, leben wir, sind wir geliebt und ewig gültig; wir werden durch ihn, wenn wir uns von ihm nehmen lassen, nicht vernichtet, sondern uns erst eigentlich gegeben. Die nichtige Kreatur wird unendlich wichtig, unsagbar groß und schön, weil beschenkt durch Gott selbst mit ihm selbst.

Karl Rahner (1904 – 1984) in: Das Alte neu sagen. Eine fiktive „Rede des Ignatius von Loyola an einen Jesuiten von heute“. Vortrag bei der Karl Rahner-Akademie, Köln, o.J.

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Meine Natur ist einzigartig

Ich bin das große aus sich selbst heraus entstandene natürliche Verweilen,
das von Anbeginn als der Ursprung aller Dinge bekannt ist.

Du, der du mit großem Eifer nach mir suchst und dich nach mir sehnst,
erschöpfst dich:
auch im Laufe vieler Zeitalter findest du mich nicht.

Meine Natur ist einzigartig unter allen Dingen,
nicht vergleichbar mit dem, was nicht ich ist,
oder was versucht, ich zu sein.

Aus dem Dzogchen

Leere Rollen mit spiritueller Wahrheit

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Als die buddhistischen Textrollen erstmals von Indien nach China gebracht wurden, stellte man unterwegs fest, dass sie leer waren. Diese leeren Rollen enthielten die spirituelle Wahrheit. Doch wie nur Ananada allein verstand, als Buddha schweigend eine Blume hochhielt, während die anderen des „Stufenwegs der Erleuchtung“ bedurften, so braucht die Menschheit eine stufenweise Annäherung an die große Leere. Beschriebene Rollen dienten als Ersatz, um den Suchenden zu helfen, den inneren Pfad zu verstehen

Llewellyn Vaughan-Lee (* 1953) in: Der Liebesbund. Psychologische und spirituelle Aspekte des mystischen Wegs. Interlaken 1993, S. 25

Gebet macht kalte Seele brennend

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Das Gebet hat große Kraft,
das ein Mensch vollbringt
mit aller seiner Macht:
Es machet ein bitteres Herz süß,
ein trauriges Herz froh,
ein armes Herz reich,
ein törichtes Herz weise,
ein zaghaftes Herz kühn,
ein kraftloses Herz stark,
ein blindes Herz sehend,
eine kalte Seele brennend-

Die Beginenmystikerin Mechthild von Magdeburg (ca. 1210-1299)

Ein Gott der uns nahekommt

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Wenn ich sage, dass man Gott auch in eurer Zeit wie in meiner eigenen unmittelbar begegnen könne, so ist wirklich Gott gemeint, der Gott der Unbegreiflichkeit, das unsagbare Geheimnis, die Finsternis, die nur dem das ewige Licht wird, der sich von ihr bedingungslos verschlucken lässt, der Gott, der keinen Namen mehr hat. Aber eben dieser Gott, er und kein anderer, wurde von mir erfahren als der Gott, der zu uns absteigt, der uns nahekommt, in dessen unbegreiflichem Feuer wir gerade nicht verbrennen, sondern eigentlich erst werden und ewig gültig sind. Der unsagbare Gott sagt sich selber uns zu; und in dieser Zusage seiner Unsäglichkeit werden wir, leben wir, sind wir geliebt und ewig gültig; wir werden durch ihn, wenn wir uns von ihm nehmen lassen, nicht vernichtet, sondern uns erst eigentlich gegeben. Die nichtige Kreatur wird unendlich wichtig, unsagbar groß und schön, weil beschenkt durch Gott selbst mit ihm selbst.

Karl Rahner (1904 – 1984) in: Das Alte neu sagen. Eine fiktive „Rede des Ignatius von Loyola an einen Jesuiten von heute“. Vortrag bei der Karl Rahner-Akademie, Köln, o.J.

O magnum mysterium…

Mehr zu dem 1994 entstandenen Werk „O magnum mysterium“ von Morten Lauridsen hier: https://www.interkultur.com/de/newsroom/wettbewerbe-festivals/details/news/morten-lauridsen-o-magnum-mysterium/

Große Vollkommenheit

Pyar Rauch in einem Beitrag im „Wegweiser-Magazin“ unter der Überschrift „Umwelt-Bewusstsein“. Mehr hier: https://wegweiser-magazin.de/wp-content/uploads/2019/07/WW-04-2019.pdf

SCHLUSZSTÜCK

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Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)
Das Buch der Bilder. Des zweiten Buches zweiter Teil

Meine Seele sieht das Land der Freiheit

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Es steht geschrieben, dass Maria sagte
meine Seele erhebt den Herren
und mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen
siehe von nun an werden mich seligpreisen alle
Kindeskinder

Heute sagen wir das so
meine Seele sieht das Land der Freiheit
und mein Geist wird aus der Verängstigung
herauskommen die leeren Gesichter der Frauen
werden mit Leben erfüllt
und wir werden Menschen werden
von Generationen vor uns, den Geopferten, erwartet

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
denn er hat grosse Dinge an mir getan, der da mächtig
ist und dessen Name heilig ist
und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu
Geschlecht

Heute sagen wir das so
die grosse Veränderung, die an uns und durch uns
geschieht wird mit allen geschehen – oder sie bleibt aus
Barmherzigkeit wird geübt werden, wenn die
Abhängigen das vertane Leben aufgeben können
und lernen, selber zu leben.

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
er übt Macht mit seinem Arm und zerstreut
die Hochmütigen
er stösst die Gewaltigen von ihren Thronen
und die Getretenen richtet er auf

Heute sagen wir das so
wir werden unsere Besitzer enteignen und über die,
die das weibliche Wesen kennen,
werden wir zu lachen kriegen
die Herrschaft der Männchen über die Weibchen wird
ein Ende nehmen
aus Objekten werden Subjekte werden
sie gewinnen ihr eigenes besseres Recht.

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
Hungrige hat er mit Gütern gefüllt
und die Reichen leer hinweggeschickt
er denkt der Barmherzigkeit und hat sich Israels
seines Knechts angenommen.

Heute sagen wir das so
Frauen werden zum Mond fahren und in den Parlamenten entscheiden
ihre Wünsche nach Selbstbestimmung werden in
Erfüllung gehen
und die Sucht nach Herrschaft wird leer bleiben
ihre Ängste werden gegenstandslos werden
und die Ausbeutung ein Ende haben.

Dorothee Sölle (1929 – 2003)

Dein sei die Kraft …

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Dein sei die Kraft der grossen Flüsse.
Dein sei die Kraft des weiten Ozeans.
Dein sei die Kraft der tiefen Quellen.
Dein sei die Kraft des sanften Regens.
Dein sei die Kraft des glühenden Feuers.
Dein sei die Kraft des leuchtenden Blitzes.
Dein sei die Kraft des harten Felsens.
Dein sei die Kraft der fruchtbaren Erde.
Dein sei die Kraft der höchsten Liebe.

Einem keltischen Segensspruch nachempfunden