Nur die Gedanken sind etwas wert, die sich auf die intensivste Weise unserem Sein assimiliert haben, so dass selbst die leiseste Geste sie auszudrücken vermag. Sie sind Antwort, sind Melodie, die in uns eindringen, ohne dass wir es womöglich bemerken, und die uns überraschen, wenn sie aus unserem Herzen, in dem sie gereift sind, aufsteigen. Sie sind in ihm zum Blühen gekommen, sind von ihm gedacht worden und wurden Wissen. Durch derartiges inneres Wachstum nimmt der Mensch Anteil an der Gestaltung der Welt. Und dank des menschlichen Herzens können und werden noch neue Blumen entstehen.
Sinnvoll reden kann nur, wer auch schweigen kann, sonst faselt er; richtig schweigen kann nur, wer auch zu sprechen vermag, sonst ist er stumm. In beiden Geheimnissen lebt der Mensch; ihre Einheit drückt sein Wesen aus.
Es steht heute ein wenig besser um den guten Willen der Menschen, dem Urgrund allen Seins näher zu gelangen. Einige wenige haben bereits „begriffen“, und nicht wenige wollen begreifen, sind von unbändigem und grenzenlosen Eifer erfüllt, der Wahrheit, die sich in Gestaltung, Bildung, Formung ausdrückt, auf die Spur zu kommen.
…
Um diesen Sinn zu erfassen, müssen wir uns dem Reich der Kunst zuwenden; denn Künstler sein heißt Gestalter sein, heißt das chaotisch Wogende nach Zahl und Rhythmus formen, das Unbegrenzte begrenzen, das Unbeschränkte beschränken, das Vielfältige einen, das gegensätzlich Fliehende in positive Beziehung zueinander setzen, das Chaos zum Kosmos bilden, Stoff und Geist oder auch: „Tier“ und Mensch zu einem durch den höheren Teil geleiteten Organismus verbinden. Man kann den Sinn des Weltgeschehens und Weltenablaufs auf einen N e n n e r bringen: Das Chaos wird zur Gestaltung gedrängt durch den Geist.
Zuerst hier erschienen: Magnum Opus, Monats-Zeitschrift für Psychosynthese, 2. Jahrgang, Dezember 1927, S. 337 – 357, Freiburg
Der ganze Beitrag „Gestaltung in Kunst und Leben“ von Eugen Link kann aktuell hier gelesen werden:
MAGISCHE BLÄTTER BUCH VIII CII. JAHRGANG WINTER 2021/2022
Fünf Züge, die Worte göttlichen Ursprunges von anderen unterscheiden
Göttliche Auditionen drücken ihren Sinn so klar aus und machen auf das Gedächtnis einen so tiefen Eindruck, daß man nicht die kleinste Silbe vergessen kann; wohingegen die, die aus unserer Einbildungskraft stammen, in keiner Weise diese Klarheit besitzen. Sie erinnern irgendwie an Worte, die man im Traume gehört hat.
Sie werden oft vernommen, wenn wir gar nicht an den Gegenstand, auf den sie sich beziehen, denken; und manchmal sogar, wenn wir uns über andere Sachen unterhalten. Außerdem können sie sich auf Ideen beziehen, die unseren Geist nur kreuzen, oder auf schon vergangene Ideen, oder auf Sachen, an die wir nie gedacht haben.
Die Seele hört den von Gott kommenden Worten nur zu, während sie selbst die aus der Einbildung kommenden bildet.
Eine einzige dieser göttlichen Äußerungen drückt in ein paar Worten aus, was unser Geist nur in vielen ausdrücken könnte.
Göttliche Worte besitzen (auf eine Weise, die zu beschreiben sie nicht imstande ist) mehrere Bedeutungen außer der durch ihren Klang ausgedrückten.
James H. Leuba (1868 – 1946) fasst die Aussagen der Teresa von Avila (1515 – 1582) aus „Die innere Burg“ (Die sechste Wohnung, Drittes Kapitel) in seinem Buch „Die Psychologie der Religiösen Mystik“, Berlin / Heidelberg 1927 wie oben beschrieben zusammen.
In der Tat ist die Lehre Boehmes vom Ursprung des Bösen, die so viel Aufsehen gemacht hat, ganz kabbalistisch gedacht. Auch er kennt das Böse als ein dunkles und negatives Prinzip des Zornes in Gott, das im theosophischen Organismus des göttlichen Lebens freilich ewig ins Licht verklärt wird. Darüber hinaus kann nun überhaupt gesagt werden, daß unter allen christlichen Mystikern Jakob Boehme derjenige ist, dessen Denken gerade in seinen originellsten Antrieben die engste Affinität zur Kabbala aufweist, wobei man natürlich von den christlichen und alchemistischen Bildern absehen muß, in denen er seine Intuition mindestens teilweise auszudrücken suchte. Er hat die Welt der Sefiroth, wenn man so sagen darf, von sich aus noch einmal entdeckt.
Stark gekürztes Zitat aus: Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt/M. 1980
Das vollständige Zitat ist in längerer Form hier zu lesen:
MAGISCHE BLÄTTER BUCH IV CI. JAHRGANG WINTER 2020 / 2021 4. Quartalsausgabe November, Dezember, Januar gebunden. ISBN-Nr. 978-3-948594-04-6
Sinnvoll reden kann nur,
wer auch schweigen kann,
sonst faselt er;
richtig schweigen kann nur,
wer auch zu sprechen vermag,
sonst ist er stumm.
In beiden Geheimnissen lebt der Mensch;
ihre Einheit drückt sein Wesen aus.
Der mystische Mensch muss sich nicht einer Konfession zurechnen. Die konfessionsgebundene Mystik ist zwar die bekannteste, aber nicht unbedingt die bedeutsamste. Mystiker und Mystikerinnen, die sich keiner Religion zuzählten, konnten sich viel freier ausdrücken. Wer konfessionsgebunden war, geriet (und gerät auch heute noch) mit der dogmatischen Fixierung der jeweiligen Religion und Moral in Konflikt. „Die echte Grunderfahrung des Numinosen kann nicht anders sein als anti-konventionell, anti-kollektiv und anti-dogmatisch, denn sie ist Neuerfahrung des Numinosen.“ Mystik ist daher immer revolutionär und wird von der Institution als störend, wenn nicht sogar als häretisch empfunden.
Willigis Jäger: Mystik: Weltflucht oder Weltverantwortung? In: Suche nach dem Sinn des Lebens. Bewusstseinswandel auf dem Weg nach innen. Petersberg 5. Auflage 1999, S. 182
Nur die Gedanken sind etwas wert, die sich auf die intensivste Weise unserem Sein assimiliert haben, so dass selbst die leiseste Geste sie auszudrücken vermag. Sie sind Antwort, sind Melodie, die in uns eindringen, ohne dass wir es womöglich bemerken, und die uns überraschen, wenn sie aus unserem Herzen, in dem sie gereift sind, aufsteigen. Sie sind in ihm zum Blühen gekommen, sind von ihm gedacht worden und wurden Wissen. Durch derartiges inneres Wachstum nimmt der Mensch Anteil an der Gestaltung der Welt. Und dank des menschlichen Herzens können und werden noch neue Blumen entstehen.
Die Magie des heiligen oder sakralen Tanzes baut eine Brücke zwischen Himmel und Erde. Wenn man sie sich in einem Flammenkreis vorstellt, versinnbildlicht sie das Dasein, das, wenn aufgehoben, im Leben mündet.
So führt zum Beispiel der Tanz der Derwische in kreisartiger Bewegung von der Peripherie zum Zentrum, also zum Wesen des spirituellen Daseins, in einem Wort: zur Brücke.
Der Tanz überträgt auf seine Weise die geheimnisvollen Werte der Religionen, weshalb man behauptete, er sei göttlichen Ursprungs. Er ist die Sprache des Unbewussten und drückt Werte aus die sich im tiefsten Grunde des Wesens verbergen.
Durch den Tanz offenbart sich die Poesie des Rhythmus, denn die Poesie ist eine Gabe des Lebens. Kriegerisch, kraftvoll, erotisch, mystisch versucht der Tanz auszudrücken, dass Energien auf allen Ebenen des Universums schwingen. Er übermittelt eine Boschaft, die erhebt, weil sie Botschaft der Harmonie ist.