Aufgaben des Pilgers bei der Wallfahrt zu Gott

Foto: (c) wak

Ein Pilger, der lange unterwegs ist, hat neun Aufgaben:

Die erste besteht darin, dass er nach dem Weg fragt.
Die zweite, dass er sich gute Reisegefährten sucht.
Die dritte, dass er sich vor Dieben hütet.
Die vierte, dass er sich vor Unmäßigkeit beim Essen in Acht nimmt.
Die fünfte, dass er seine Kleider schürzt und sich fest gürtet.
Die sechste besteht darin, dass er sich, wenn er bergauf geht, tief vornüberbeugt.
Die siebte, dass er beim Abstieg vom Berg dann aufrecht geht.
Die achte, dass er nach dem Gebet guter Menschen verlangt.
Die neunte, dass er gerne über Gott spricht.

Ebenso verhält es sich auch mit unserer Wallfahrt zu Gott, auf der wir durch vollkommene Taten der Liebe das Reich Gottes zu erreichen suchen und auf seine Gerechtigkeit aus sein sollen…

Hadewijch von Antwerpen (ca.1200 – 1248)

Werbung

Gewißheit des Nichtwissens und Nichtwollens

Graphik: (c) wak

Nun hat diese Seele ihren richtigen Namen, spricht die Liebe, vom Nichts, in dem sie verbleibt. Und da sie nichts ist, macht sie sich aus nichts etwas, weder aus ihren Nächsten noch aus Gott selbst. Denn sie ist so winzig, dass sie sich selbst nicht aufzufinden vermag. Und alle geschaffenen Dinge sind ihr so weit entfernt, dass sie sie nicht mehr empfindet. Und Gott ist so groß, dass sie von ihm nichts zu erfassen vermag. Und wegen dieses sogearteten Nichts ist sie in die Gewißheit des Nichtwissens und in die Gewißheit des Nichtwollens gestürzt.

Die Begine Marguerite Porete (1250/1260 – 1. Juni 1310) in: Der Spiegel der einfachen Seelen. Zürich/München 1987, S. 125

Strahl der göttlichen Erkenntnis

Foto: (c) wak

Die Seele tut kein Werk mehr für Gott, noch auch für sich oder ihre Nächsten. Aber Gott wirkt es, wenn er will, er kann es tun. Und wenn er nicht will, so macht ihr das nichts aus, das eine ist wie das andere: sie bleibt immerfort im einen und selben Zustand. Dann ist der Strahl der göttlichen Erkenntnis in dieser Seele, er zieht sie aus sich selbst ohne ihr Dazutun in einen staunensvollen Frieden.

Margareta Porete / Marguerite Porète (* um 1250/1260 – 1. Juni 1310) im „Spiegel der einfachen Seelen“. Die Begine wurde als Häretikerin auf Anweisung der Inquisition in Paris verbrannt. Ihre Aussagen haben Parallelen zur Mystik von Meister Eckhart.

Von siebenhand Vollkommenheiten

Gedenktafel in Helfta / Foto: (c) wak

Gerne ungeehrt;
gerne ungefürchtet;
gerne allein;
gerne still;
gerne unansehnlich;
gerne gepriesen;
gerne der Creatur gemein.

Die Beginenmystikerin Mechthild von Magdeburg (ca. 1210-1299) in ihrem Buch „Das fließende Licht der Gottheit“

Spiegel der Welt

Gedenktafel am Kloster Helfta / Foto: (c) wak

Die Seele ist
grundlos im Verlangen,
brennend in der Liebe,
freundlich in der Anwesenheit,
ein Spiegel der Welt,
bescheiden in der Größe,
getreu in der Hilfe,
gesammelt in Gott.

Die Beginenmystikerin Mechthild von Magdeburg (ca. 1207 – 1282)

Sein ohne Sein

Foto: (c) wak

Die göttliche Liebe gebiert in der vernichtigten Seele, in der freien Seele in der erleuchteten Seele ewiges Wesen, empfangendes Genießen, liebevolle Vereinigung. Aus der ewigen Substanz empfängt das Gedächtnis das Vermögen des Vaters. Aus dem empfangenden Genießen hat der Verstand die Weisheit des Sohnes. Aus der liebenden Vereinigung empfängt der Wille die Güte des Heiligen Geistes. Die Güte des Heiligen Geistes vereinigt die Seele in der Liebe des Vaters und des Sohnes. Diese Vereinigung versetzt die Seele in ein Sein ohne Sein, welches das Sein selbst ist. Dieses Sein ist der Heilige Geist selbst, der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist.

Die Begine Margarete Porete (1250-1310) in: Der Spiegel der einfachen Seelen. Wege der Frauenmystik. Aus dem Altfranzösischen übertragen und mit einem Nachwort und Anmerkungen von Louise Gnädinger (Zürich–München, 1987), S. 164 -165

Eingetaucht ins Nichtwissen

Foto: (c) wak

Alles ist mir eng geworden,
alles so klein:
Eingetaucht ins Nichtwissen,
jenseits allen Erfassens, aller Gefühle,
muss ich das Schweigen wahren
und bleiben, wo ich bin.

Hadewijch von Antwerpen (um 1200 – 1248)

Weiter als weit

Foto: © wak

 

Alle Dinge
sind mir zu enge –
ich bin so weit!

Um eines Ungeschaffenen
habe ich begriffen
in Ewigkeit.

Ich habe es aufgegeben.
Es hat mich befreit
weiter als weit!

Mir ist zu eng
allenthalben,
das wisst ihr wohl,
die ihr auch dort seid.

Hadewijch von Antwerpen (1200 – 1248)

Gebet macht kalte Seele brennend

Foto: © wak

Das Gebet hat große Kraft,
das ein Mensch vollbringt
mit aller seiner Macht:
Es machet ein bitteres Herz süß,
ein trauriges Herz froh,
ein armes Herz reich,
ein törichtes Herz weise,
ein zaghaftes Herz kühn,
ein kraftloses Herz stark,
ein blindes Herz sehend,
eine kalte Seele brennend-

Die Beginenmystikerin Mechthild von Magdeburg (ca. 1210-1299)

Pilgernd das Reich Gottes erreichen

 

Foto: © wak

 

Ein Pilger, der lange unterwegs ist, hat neun Aufgaben:

Die erste besteht darin, dass er nach dem Weg fragt.
Die zweite, dass er sich gute Reisegefährten sucht.
Die dritte, dass er sich vor Dieben hütet.
Die vierte, dass er sich vor Unmäßigkeit beim Essen in Acht nimmt.
Die fünfte, dass er seine Kleider schürzt und sich fest gürtet.
Die sechste besteht darin, dass er sich, wenn er bergauf geht, tief vornüberbeugt.
Die siebte, dass er beim Abstieg vom Berg dann aufrecht geht.
Die achte, dass er nach dem Gebet guter Menschen verlangt.
Die neunte, dass er gerne über Gott spricht.

Ebenso verhält es sich auch mit unserer Wallfahrt zu Gott, auf der wir durch vollkommene Taten der Liebe das Reich Gottes zu erreichen suchen und auf seine Gerechtigkeit aus sein sollen…

Hadewijch von Antwerpen (ca.1200 – 1248)