Wenn von Zen oder von Mystik die Rede ist, wird oft nicht deutlich, wie sehr beide mit unserer konkreten Lebenspraxis zu tun haben können. Und dass es bei Zen oder Mystik nicht um falsche und sich widerstreitende Alternativen geht.
Doch was ist Zen eigentlich? „Zen lehrt, dass die Buddha-Natur, oder die Möglichkeit, Erleuchtung zu erreichen, in jedem innewohnt, aber aus Unwissenheit brachliegt…“. Erreicht wird die Erleuchtung „mit einem plötzlichen Durchbruch der Grenzen des gewöhnlichen, alltäglichen, logischen Denkens“, beschreibt die „New Encyclopaedia Britannica“ den Sinn des Zen.
Und was ist dann Mystik? „Durch die mystischen Berührungen wird der Mensch aus seinem verteilten, gewöhnlich-tag-täglichen Bewusstsein herausgeholt. Er wird ,eingekehrt‘ und spürt nun, dass in seinem ,Herzen‘ etwas geschieht,“ schreibt Paul Mommaers in seinem Buch „Was ist Mystik?“. Um einem Missverständnis vorzubeugen. Mystik und Zen sind selbstverständlich nicht identisch. Sie sind jedoch auch keine feindlichen Geschwister, weil es beiden, Zen wie Mystik, um die Rückbindung des Menschen an seine eigene göttliche Dimension geht.
Wenn ich Dienstags zu meiner Meditationsgruppe von Bruder Siegfried gekommen bin, sah ich immer wieder wie wenig sich der Goldkern spiritueller Weisheit von institutionalisiert religiösen, konfessionellen oder ideologischen Grenzen irritieren lässt. In gegenseitiger Achtung gingen und gehen diese Menschen miteinander um, die sich wöchentlich treffen. Zunächst reden sie über einen Text. Doch dann meditieren sie in der Stille miteinander. Den Menschen dort geht es gemeinsam darum, loszulassen. Das Aufgeben der Anhänglichkeit an Dinge, Geschöpfe oder Gewohnheiten beispielsweise. Und sie wollen gemeinsam etwas für sich entdecken. Den Blick der Einfachheit. Den Einklang mit Gott. Den Grund der eigenen Existenz und des eigenen Nichts – mit all seinen Facetten. Das Erkennen des eigenen Selbst, das Schweigen. Damit Gott die Chance hat, sprechen zu können. Zu ihnen, zu mir.
Zen, hilft ihnen/mir dabei. Und die Rückbindung an eine jahrhundertealte Mystik, wie sie von Meister Eckhart oder seinem Schüler Johannes Tauler überliefert und heute noch in ihren Kernaussagen bedeutsam ist. „Wir suchen auf verborgene Weise das Eine, das weit über Vernunft und Erkenntnis steht“, hatte bereits im fünften Jahrhundert der spätantike Philosoph Proklus geschrieben. Worte, die ebenfalls an Aktualität nichts verloren haben. Und die jenseits imaginärer Grenzen von Zen und Mystik stehen.
Werner Anahata Krebber
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