Auftun und Hineingehen ist nur ein Moment

Meister Eckhart-Tür an der Erfurter Predigerkirche / Foto: (c) wak

Im Buch der Geheimnisse steht geschrieben, dass unser Herr dem Volke entbot: „Ich stehe vor der Tür und klopfe und warte, wer mich einlässt, mit dem will ich schmausen.“ Du brauchst ihn nicht zu suchen, nicht da und nicht dort: er ist nicht entfernter als vor der Türe des Herzens, da steht er und harrt und wartet, wen er bereit findet, der ihm auftue und ihn einlasse. Du brauchst ihn nicht in der Ferne zu rufen: ihn kommt das Warten, bist du auftust, härter an als dich. Er bedarf deiner tausendmal mehr als du seiner: das Auftun und das Hineingehen ist nur ein Moment.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in seiner Predigt „Von der Dunkelheit“

In: Meister Eckharts Mystische Schriften. In unsere Sprache übertragen von Gustav Landauer. Bearbeitet und neu herausgegeben von Martin Buber. 2. Auflage 1920. S. 27

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Kehre dich nach innen zurück

Foto: (c) wak

Kehre dich nach innen zurück,
an den Ort, an dem nichts mehr besteht,
und achte darauf, dass du nichts einlässt.
Dringe in deine Tiefe ein,
an den Ort, an dem kein Gedanke mehr existiert,
und achte darauf, dass dort kein Gedanke aufkommt!

Dort wo nichts existiert, ist Fülle!
Dort, wo nichts zu sehen ist, die Schau des Seins!
Dort, wo nichts mehr erscheint,
das plötzliche Erscheinen des wahren Selbst!
Dhyana ist das!

Gnânânanda Giri (19./20. Jahrhundert – genaue Lebensdaten sind nicht bekannt). Henri Le Saux / Abhishiktananda (1910 – 1973) war stark von ihm beeinflusst. Le Saux beschrieb den Kontakt zu seinem Guru in seinem Buch „Guru and Disciple: an Encounter with Sri Gnanananda, a Contemporary Spiritual Master„.

Dhyana meint Versenkung, Meditation. Sie ist die letzte, die dem Samadhi vorangeht, jenem Zustand der Einheit und seligen Ruhe, in dem die Identität des Selbst mit Brahma erlangst ist, das Ursprüngliche, Absolute, die Urkraft.

Vom inneren Licht erfüllt

Foto: (c) wak

Was sich der Seele im Grunde darbietet, hat weder Bild noch Form, weder Ort noch Weise: es ist ein unergründlicher Grund, schwebend in sich selbst, und in diesem Grund ist Gottes Wohnung mehr als irgendwo anders. Wer sich dorthin einsenkt, der findet da Gott und findet sich selbst in Gott und eins mit Gott. Denn von diesem Grunde scheidet Gott sich nie. Hier ist dem vom inneren Licht erfüllten Geist Gott gegenwärtig, und die Ewigkeit wird hier empfunden, in der es weder Vorher noch Nachher gibt.

Johannes Tauler (1300 – 1361)

Ich bin das Licht…

Beginn des Thomas-Evangeliums / Wikimedia, gemeinfrei

Ich bin das Licht,
das über ihnen allen ist.
Ich bin das All,
das All ist aus mir hervorgegangen,
und das All ist bis zu mir ausgedehnt.
Spaltet ein Holz, ich bin da.
Hebt den Stein auf, und ihr werdet mich dort finden.

Logion 77 von Jesus im Thomas-Evangelium

Licht das über ihnen allen ist

Foto: (c) wak

Jesus sprach: Ich bin das Licht, das über ihnen allen ist. Ich bin da All, das All ist aus mir hervorgegangen, und das All ist bis zu mir ausgedehnt. Spaltet ein Holz, ich bin da. Hebt den Stein auf, und ihr werdet mich dort finden.

Aus dem Thomas-Evangelium

Bei stärkerer Bedrängnis größere Tröstung

Fotocollage (c) wak

Die Tröstung des Geistes
ist wahr, vollkommen und angemessen.

Sie ist wahr,
weil der Geist die Tröstung
dort erweist, wo sie angemessen ist,
nämlich für die Seele.

Sie ist vollkommen,
weil sie in jeder Bedrängnis tröstet.

Sie ist angemessen,
weil er dort,
wo eine stärkere Bedrängnis herrscht,
eine größere Tröstung verleiht.

Bonaventura (von Bagnoreggio) / eigentlich Johannes Fidanza (1221 – 1274)

Den tiefsten Grund des Universums finden

Foto: (c) wak

Es gibt einen Platz im Herzen, worin das ganze Universum enthalten ist – Himmel wie auch Erde, das Feuer, die Luft, Sonne, Mond und das Leuchten der Sterne. Alles ist darin enthalten. Wenn wir über unseren Verstand mit seinen Möglichkeiten des Messens und seinen Kategorien von Raum und Zeit hinausgehen, finden wir den tiefsten Grund des Universums. Dort sind Leben und Intelligenz.

Bede Griffiths (1906-1993)

Gottes Sein in ihm erhöht

Foto: (c) wak

Wenn ich aber gesagt habe,
Gott sei kein Sein
und über dem Sein,
so habe ich nicht
das Sein abgesprochen,
vielmehr habe ich es
in ihm erhöht.

Nehme ich Kupfer im Golde,
so ist es dort (vorhanden )
und ist da in einer höheren Weise,
als es in sich selbst ist.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in: Predigt 9, Deutsche Werke I, S. 107

Warte bis du in dich selber blickst

Rumi / Bild: Archiv

Warte, bis du in dich selber blickst –
Erkenne, was dort wächst.
O Suchender.
Ein Blatt in diesem Garten
Bedeutet mehr als alle Blätter,
Die im Paradies du findest!

Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207 – 1273)