Reflektiert im Spiegel seines Herzens

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Ein Sultan rief, so wird berichtet, Maler in seinen Palast. Eine Gruppe kam aus China, eine andere aus Byzanz. Die chinesischen Maler behaupteten, sie seien die besten Künstler. Und die griechischen haben ihrerseits den Vorrang ihrer Kunst beansprucht. So beauftragte der Sultan beide Gruppen von Künstlern, dass sie zwei gegenüberliegende Wände mit Fresken schmücken sollten. Nun wurde ein Vorhang in der Mitte des Raumes gespannt, so dass die beiden Gruppen nicht sehen konnten, was die jeweils andere tat. Voller Eifer haben die Chinesen alle nur erdenklichen Arten von Malerei angewandt und sich enorm angestrengt. Die Griechen dagegen gingen her und polierten und glätteten die ihnen zugewiesene Wand unaufhörlich.

Als nun der Vorhang weggezogen wurde, konnten die wunderbaren Fresken der chinesischen Maler bewundert werden. Auf der gegenüberliegenden Wand spiegelten sie sich, so dass all die zauberhaften Malereien der Chinesen auf der Seite der Griechen viel schöner erstrahlte.

Die Griechen, das sind die Sufis. Sie sind ohne Studien, ohne Bücher, ohne Bildung. Aber sie haben ihre Herzen geglättet. Sie sind gereinigt von Verlangen, Begehren, Habsucht und Haß. Diese Reinigung eines Spiegels ist ohne jeden Zweifel das Herz, das unzählige Bilder empfängt. Der vollkommene Heilige bewahrt in seinem Innern die unendliche Form ohne Form vom Unsichtbaren, reflektiert im Spiegel seines eigenen Herzens.

Diese Parabel von Rumi (+ 1273) zum Weg der Gotteserkenntnis wurde berichtet in dem Buch von Eva de Vitray-Meyerovitch: Anthologie du soufisme. Paris 1978. Hier von mir verkürzt erzählt aus der Dokumentation des Meditationszentrum Exercitium Humanum in Tholey von einer Pfingsttagung zum mystischen Weg von Juden, Christen und Muslime im Jahr 1980

Wortloses Geschehen in der Seele des Menschen

Titel der Ausgabe von 1909

Noch während Buber an den ersten chassidischen Schriften gearbeitet hat, an der „Legende des Baal Schem“, wendet er sich an den Verleger Eugen Diedrichs in Jena … mit dem Vorschlag, in der Serie, die Diedrichs betreute, einen Band „Ekstatische Konfessionen“ herauszugeben, mystische Texte, die nicht nur das chassidische Erbe, sondern die christliche Mystik, die islamische Mystik, die indische Mystik umfasst. Diederichs geht auf diesen Vorschlag ein und so erscheint noch vor dem ersten Weltkrieg dieser Band „Ekstatische Konfessionen“. Hier müssen wir gewissermaßen zwischen den Zeilen lesen. Buber tritt nur als Herausgeber auf. Hier haben wir Texte von christlichen Mystikern und Mystikerinnen, wie Hildegard von Bingen vor uns, hier finden wir Texte der Sufis, hier bieten sich aus der skandinavischen Mystik Schwedens und Dänemerks Beispiele und schließlich aus der fernöstlichen, ebenso aus Japan und China.

Buber, in seiner distanzierten Weise, will nur den Eindruck erwecken, der Sammler und Herausgeber ekstatischer Konfessionen zu sein. Er versteht unter ekstatischen Konfessionen die unmittelbaren Bekenntnisse der Mystiker, die immer unter dem Zeichen des Absurden im Sinne Kierkegaards stehen.
Das mystische Erlebnis entzieht sich eigentlich dem Wort. Es geht ein wortloses Geschehen in der Seele des Menschen auf.

Wenn es aber nun dennoch ins Wort gefasst wird, so steht das immer unter dem Schlussakkord des „chorus mystikus“ im „Faust“: „Das Unzulängliche, hier wirds Ereignis“. Jede ekstatische Konfession ist in diesem Sinne unzulänglich und doch ergänzen sie einander. Wer aber tiefer hinsieht, der merkt, dass der junge Herausgeber selbst tief engagiert war.
Denn wer sammelt solche Texte, wer erschließt sie, wer ediert sie? Doch sicher nur einer, der eine innere Affinität dazu hat; wenn Buber auch in einer gewissen Keuschheit sich noch nicht zu seiner eigenen mystischen Haltung bekannt hat, die er später, nachdem diese Stufe überwunden war, zum Ausdruck bringt.

Schalom Ben Chorin (1913 – 1999) in seinem Vortrag „Die Mystik Martin Bubers“, gehalten bei der Jahrestagung 1980 des Meditationszentrum Exercitium Humanum in Tholey / Saar (Willi Massa), das unter dem Thema „Wege zum einen WEG. Der mystische Weg der Juden, Christen und Muslime im Zeichen des einen Gottes“ stattfand. (Dank an Hans-Jürgen Wertens, der mir den Tagungsband dankenswerter Weise zukommen ließ).

Übrigens:
Die erste Ausgabe erschien 1909 bei Diedrichs, eine zweite, veränderte Neuausgabe, wurde dann 1921 im Leipziger Insel-Verlag veröffentlicht. Viele Jahre später, 2007, hat Peter Sloterdijk das Buch unter dem Titel „Mystische Weltliteratur“ neu herausgegeben und mit dem vorangestellten Text „Der mystische Imperativ. Bemerkungen zum Formwandel des religiösen in der Neuzeit“ versehen.

Willi Massa ist eine hervorragende Übertragung der „Wolke des Nichtwissens“ zu verdanken, die u.a. von William Johnston, Hugo M. Enomiya-Lassalle und Willigis Jäger kommentiert wurde. (wak)

Spiegel des eigenen Herzens

Foto: (c) wak

Ein Sultan rief, so wird berichtet, Maler in seinen Palast. Eine Gruppe kam aus China, eine andere aus Byzanz. Die chinesischen Maler behaupteten, sie seien die besten Künstler. Und die griechischen haben ihrerseits den Vorrang ihrer Kunst beansprucht. So beauftragte der Sultan beide Gruppen von Künstlern, dass sie zwei gegenüberliegende Wände mit Fresken schmücken sollten. Nun wurde ein Vorhang in der Mitte des Raumes gespannt, so dass die beiden Gruppen nicht sehen konnten, was die jeweils andere tat. Voller Eifer haben die Chinesen alle nur erdenklichen Arten von Malerei angewandt und sich enorm angestrengt. Die Griechen dagegen gingen her und polierten und glätteten die ihnen zugewiesene Wand unaufhörlich.

Als nun der Vorhang weggezogen wurde, konnten die wunderbaren Fresken der chinesischen Maler bewundert werden. Auf der gegenüberliegenden Wand spiegelten sie sich, so dass all die zauberhaften Malereien der Chinesen auf der Seite der Griechen viel schöner erstrahlte.

Die Griechen, das sind die Sufis. Sie sind ohne Studien, ohne Bücher, ohne Bildung. Aber sie haben ihre Herzen geglättet. Sie sind gereinigt von Verlangen, Begehren, Habsucht und Haß. Diese Reinigung eines Spiegels ist ohne jeden Zweifel das Herz, das unzählige Bilder empfängt. Der vollkommene Heilige bewahrt in seinem Innern die unendliche Form ohne Form vom Unsichtbaren, reflektiert im Spiegel seines eigenen Herzens.

Diese Parabel von Rumi (+ 1273) zum Weg der Gotteserkenntnis wurde berichtet in dem Buch von Eva de Vitray-Meyerovitch: Anthologie du soufisme. Paris 1978. Hier von mir verkürzt erzählt aus der Dokumentation des Meditationszentrum Exercitium Humanum in Tholey von einer Pfingsttagung zum mystischen Weg von Juden, Christen und Muslime im Jahr 1980

Leere Rollen mit spiritueller Wahrheit

Foto: © wak

Als die buddhistischen Textrollen erstmals von Indien nach China gebracht wurden, stellte man unterwegs fest, dass sie leer waren. Diese leeren Rollen enthielten die spirituelle Wahrheit. Doch wie nur Ananada allein verstand, als Buddha schweigend eine Blume hochhielt, während die anderen des „Stufenwegs der Erleuchtung“ bedurften, so braucht die Menschheit eine stufenweise Annäherung an die große Leere. Beschriebene Rollen dienten als Ersatz, um den Suchenden zu helfen, den inneren Pfad zu verstehen

Llewellyn Vaughan-Lee (* 1953) in: Der Liebesbund. Psychologische und spirituelle Aspekte des mystischen Wegs. Interlaken 1993, S. 25

Leere Rollen und spirituelle Wahrheit

Llewellyn Vaughan-Lee (* 1953) in: Der Liebesbund. Psychologische und spirituelle Aspekte des mystischen Wegs. Interlaken 1993, S. 25

 

Das ganze Universum enthalten

Foto: © wak

Auch wenn der Ort,
an dem wir die Versenkung üben,
sehr klein ist,
enthält er doch das ganze Universum.
Auch wenn unser Geist begrenzt ist,
enthält er doch
die Grenzenlosigkeit.

Der chinesische Meister Sekito Kisen (700 – 790)

Der Hasen und der Löffel drei…

Illustration aus dem u.a. Textdokument aus Paderborn

 

Der Hasen und der Löffel drei,
und doch hat jeder Hase zwei.

Aus Asien und China über Rom soll das Motiv der drei Hasen nach Europa gekommen sein, im spätgotischen Kreuzgang des Doms von Paderborn dann in das „Drei-Hasen-Fenster“. Das Symbol für die Dreieinigkeit Gottes (Vater, Sohn, Heiliger Geist / Trinität) ist ihm wohl erst später zugesprochen worden im Zusammenhang einer christlichen Zahlenmystik. Die ursprüngliche Bedeutung soll unklar sein.

Ausführlicher beschrieben findet sich etwas zur Geschichte hier:

https://www.paderborn.de/freizeit/download/Hasengeschichte.pdf

Im ehemaligen Zisterzienserkloster Haina findet sich das Motiv auf der sogenannten „Hasenglocke“…

In der Dämmerung erblüht der Lotus

lotus_abendvortragFoto aus dem Veranstaltungsprogramm

Abendgespräche zur buddhistischen Kunst und Religion

Wann entstand der Buddhismus und wie und warum breitete er sich über den asiatischen Kontinent aus? Welche Bedeutung hat der Buddhismus für die Kunst? Was erzählen die Exponate der Situation Kunst (für Max Imdahl) über die buddhistische Geschichte?

Diese und mehr Fragen werden in der Vortragsreihe „In der Dämmerung erblüht der Lotus“ thematisiert. Am Donnerstag, 24. November 2016, findet von 18:00 bis 20:00 Uhr der erste von fünf Vorträgen zur buddhistischen Kunst und Religion in der Reihe statt. Dr. Patrick Krüger, Indologe und Kunsthistoriker am Centrum für Religionswissenschaftliche Studien (CERES), wird zum Thema „Der Buddha und die Anfänge des Buddhismus“ referieren.

Die Vorträge sind als Abendgespräche konzipiert: Nach einem einführenden kurzen Referat in der Bibliothek der Situation Kunst (für Max Imdahl) – Mitveranstalterin der Reihe – werden die Besucher die Gelegenheit haben, direkt vor den Objekten im Asien-Raum der Sammlung vertiefend ins Gespräch zu kommen. Der Vortragsabend ist der Auftakt einer fünfteiligen Reihe, die das Ziel verfolgt, Kenntnisse zur buddhistische Kultur und ihren Kunstobjekten allgemeinverständlich zu vermitteln bzw. zu vertiefen. Die Vorträge können unabhängig voneinander besucht werden und finden statt am:

Do., 24. November 2016, 18:00–20:00 Uhr
Der Buddha und die Anfänge des Buddhismus

Do., 15. Dezember 2016, 18:00–20:00 Uhr
Von Buddhas und Bodhisatvas. Buddhistische Erlösungslehren in der Kunst

Do., 12. Januar 2017, 18:00–20:00 Uhr
Die Reise ins goldene Land. Der Buddhismus in Südostasien

Do., 09. Februar 2017, 18:00–20:00 Uhr
Der tibetische Buddhismus

Do., 09. März 2017, 18:00–20:00 Uhr
Vom Reich der Mitte ins Land der aufgehenden Sonne. Buddhismus in China und Japan

Die Ausstellungsräume von Situation Kunst (für Max Imdahl) sind Teil der Kunstsammlungen der Ruhr-Universität Bochum und befinden sich im Parkgelände von Haus Weitmar. An den Abendgesprächen können aufgrund der gegebenen Räumlichkeiten jeweils nur 25 Besucher/innen teilnehmen. Alle Abendgespräche sind kostenfrei. In den Pausen werden Getränke und Snacks gereicht.

Mehr zu der Gesprächsreihe hier:
http://ceres.rub.de/de/aktuelles/abendgesprache-zum-buddhismus/