…so viele Wohnungen und Kammern in seinem Hause sind, ebenso viele Kräfte und Sinne und Wirksamkeiten sind in dem Menschen. In all diese kommt der Heilige Geist auf (jeweils) besondere Art. Sobald er kommt, drückt, reißt und richtet er den Menschen aus und bearbeitet und erleuchtet ihn. Aber diese Einkehr, diese Wirksamkeit werden nicht alle Menschen in gleicher Weise gewahr; und wirklich wohnt er ja auch in allen guten Menschen; doch wer sein Wirken empfinden soll, sein Dasein schmecken mag oder will, der muß sich in sich selber sammeln, sich von allen äußeren Dingen abschließen und dem Heiligen Geist eine Stätte einräumen, damit dieser in Ruhe und Stille sein Werk in ihm tun könne.
Johannes Tauler (1300 – 1361)
26. Predigt: Repleti sunt omnes Spiritu Sancto / Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt (Apg. 2, 4)
„Wer diese Predigt verstanden hat, dem vergönne ich sie wohl. Wäre niemand hier gewesen, ich hätte sie diesem Opferstock predigen müssen“. So Meister Eckhart (1260 – 1328) am Ende der Aussagen von Predigt 26. Diese fast sprichwörtlich gewordenen Zeilen sind hier wie bei anderen seiner Predigten Schlusspunkte, Schlusssteine. Sie führen Vorhergegangenes zu einem Ende: sehr direkt, kurz und knapp. Manche der Schlussätze sind ähnlich wie Affirmationen, bei denen eine Aussage, Situation oder Handlung positiv bewertet wird. Andere wirken wie Aufrufe oder Weckrufe zur Transformation. Bei nur wenigen der Sätze sind sie teilweise unverständlich, wenn der vorige Predigttext nicht gekannt ist. Bei den meisten von ihnen jedoch sind sie oft wie eigene meditative Artefakte, kontemplative Kleinode. Auf jeden Fall zu schade dafür, dass sie in der Fülle der Predigtgedanken unbeachtet untergehen. Ist doch auch daran zu erinnern, was Gustav Landauer in seinem Vorwort zu „Meister Eckharts Mystische Schriften“ schrieb. Er hatte sie 1903 herausgegeben, 1920 dann noch einmal sprachlich bearbeitet von Martin Buber. Landauer war der Überzeugung: “ Meister Eckhart ist zu gut für historische Würdigung; er muss als Lebendiger auferstehen.“
Diese Schlusssteine mögen am Ende diesen Jahres dazu anregen, ein paar der Gedanken Meister Eckharts mit in das kommende Jahr zu nehmen. (w.a.k.)
1 Dass Jesus auch in uns kommen und hinauswerfen und wegräumen möge alle Hindernisse und uns Eins mache, wie er als Eins mit dem Vater und dem heiligen Geiste ein Gott ist, auf dass wir so mit ihm eins werden und ewig bleiben, dazu helfe uns Gott. Amen.
4 Dass wir bereitet werden, die beste Gabe zu empfangen, dazu helfe uns der Vater der Lichter. Amen.
5 Dass wir nicht dahin gelangen, wo dieses Gut empfangen wird, das liegt nicht an ihm, sondern an uns.
6 Dass wir in solcher Weise wahrhaft drinnen bleiben mögen, dass wir alle Wahrheit unmittelbar und ohne Unterschiedenheit in rechter Seligkeit besitzen, dazu helfe uns Gott! Amen.
7 Dass wir die Gerechtigkeit um ihrer selbst willen und Gott ohne Warum lieben, dazu helfeuns Gott. Amen.
8 … Was die Seele in ihrem Grunde sei, davon weiß niemand etwas. Was man davon wissen kann, das muss übernatürlich sein, es muss aus Gnade sein: dort wirkt Gott Barmherzigkeit. Amen.
11 Dass wir uns innen finden im Tage und in der Zeit der Vernunft und im Tage der Weisheit undim Tage der Gerechtigkeit und im Tage der Seligkeit, dazu helfe uns der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
13 … Der Mensch, der gelassen hat und gelassen ist und der niemals mehr nur einen Augenblick auf das sieht, was er gelassen hat, und beständig bleibt, unbewegt in sich selbst und unwandelbar, – der Mensch allein ist gelassen. Dass wir so beständig bleiben und unwandelbar wie der ewige Vater, dazu helfe uns Gott und die ewige Weisheit. Amen.
15 Wir sollen Gottes Bild in uns tragen, und sein Licht soll in uns leuchten, wenn wir »Johannes« sein wollen.
16 Dass wir Eins werden, dazu helfe uns Gott. Amen.
18 Dass wir ebenso dahin gelangen, in dem ewigen Worte zu antworten, dazu helfe uns Gott. Amen.
19 Wir bitten Gott, unsern lieben Herrn, dass er hier mit uns wohne, auf dass wir ewiglich mit ihm wohnen mögen; dazu helfe uns Gott. Amen.
21 Darum spricht Sankt Lukas: »Ein Mensch hatte bereitet ein großes Abendmahl« (Luk. 14, 16). Dieser Mensch ist Gott und hat keinen Namen. Dass wir zu diesem Gastmahl kommen, dazu helfe uns Gott. Amen.
22 Dass wir so eins werden mit Gott, dazu helfe uns »ein Gott, Vater aller«. Amen.
23 Dass wir zu dieser Wahrheit kommen, dazu helfe uns die Wahrheit, von der ich gesprochen habe. Amen.
24 Nun, dass wir zu diesem ewigen Lichte kommen, dazu helfe uns Gott. Amen
26 Wer diese Predigt verstanden hat, dem vergönne ich sie wohl. Wäre hier niemand gewesen, ich hätte sie diesem Opferstocke predigen müssen. Es gibt manche arme Leute, die kehren wieder heim und sagen: »Ich will an einem Ort sitzen und mein Brot verzehren und Gott dienen!« Ich sage bei der ewigen Wahrheit, diese Leute müssen verirrt bleiben und können niemals erlangen noch erringen, was die anderen erlangen, die Gott nachfolgen in Armut und in Fremde. Amen.
27 Dass auch wir gut werden mögen und getreu, auf dass auch uns unser Herr eingehen heiße und ewig inne bleiben, wir mit ihm und er mit uns, dazu helfe uns Gott! Amen.
29 Dass wir so eins seien in der Einheit, die Gott selbst ist, dazu helfe uns Gott. Amen.
31 Dass wir eben diese Einheit seien und diese Einheit bleiben mögen, dazu helfe uns Gott. Amen.
32 Dass wir so leben mögen, dass wir es ewig erfahren, dazu helfe uns Gott. Amen.
33 Dass wir Gott so folgen, dass er uns in sich versetzen könne, damit wir mit ihm vereint werden, auf dass er uns mit sich selbst lieben könne, dazu helfe uns Gott. Amen.
35 Dass uns dies widerfahre, dazu helfe uns Gott. Amen.
36 Dass wir ihm alle folgen, auf dass er uns bringe in sich, wo wir ihn wahrhaft erkennen, dazu helfe uns Gott. Amen.
37 Bitten wir unsern Herrn, dass wir in die Erkenntnis kommen mögen, die da ganz ohne Weise und ohne Maß ist. Dazu helfe uns Gott. Amen.
38 Dass wir ebenso mit Gott vereint werden, dazu helfe uns die Wahrheit, von der ich gesprochen habe! Amen.
39 Wir bitten Gott, unsern lieben Herrn, dass wir Eins und innen – wohnend werden. Dazu helfe uns Gott. Amen.
40 Dass wir dies begreifen und ewiglich selig werden, dazu helfe uns der Vater und der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
42 Und in diesem Einen sollen wir ewig versinken vom Etwas zum Nichts. Dazu helfe uns Gott. Amen.
44 Dass wir mit Gott ein Geist werden und wir in der Gnade erfunden werden, dazu helfe uns Gott. Amen.
45 Dass wir die göttliche Gleichheit göttlicher Ruhe so suchen und bei Gott finden mögen, dazu helfe uns Gott. Amen.
46 Dass wir in solcher Weise der Gerechtigkeit in der Weisheit nachfolgen und nach ihr hungern und dürsten, auf dass wir gesättigt werden, dazu helfe uns Gott. Amen.
48 Darum soll man der ersten Eingebung folgen und so voranschreiten; dann kommt man dahin, wohin man soll, und so ist‘s recht.
50 Und dass wir zu dieser Frucht kommen, dazu helfe uns die ewige Wahrheit, von der ich gesprochen habe. Amen.
52 Da ist Seligkeit, wo die Seele Gott nimmt, wie er Gott ist. Bitten wir unsern Herrn, dass wir so mit ihm vereint werden. Amen.
53 Dass wir zu diesem Erkennen kommen, dazu helfe uns Gott. Amen.
54 Dass wir zu dieser Vollkommenen Liebe gelangen, dazu helfe uns Gott. Amen.
56 Dass wir allem dem entwachsen, was nicht Gott ist, dazu helfe uns Gott. Amen.
57 In diese Geburt helfe uns der Gott, der von neuem als Mensch geboren ist. Dass wir schwache Menschen in ihm auf göttliche Weise geboren werden, dazu helfe er uns ewiglich. Amen.
℘
(Die Ziffern vor den Schlusssätzen beziehen sich auf die Nummerierung der Predigten, die Josef Quint 1963 herausgegeben und übersetzt hat.)
Die Historie berichtet in der Taulerlegende, dass der berühmte Prediger von einem Laien aufgesucht und nach seiner überaus gelehrten und philosophisch versierten Predigt für genau diese kritisiert wird: Er suche sich in den Worten nur selbst, so lautet der Vorwurf, kenne den Heiligen Geist noch nicht und verharre dementsprechend als „Phariseus“ am „Buchstaben“. Der Beweis: Er könne zwar gelehrt disputieren, aber nicht wirken; niemand würde durch seine Predigt bekehrt. Daraufhin bittet der Meister den Laien um Unterweisung, und – in einer bemerkenswerten Umkehrung der klerikalen Hierarchie – wird willig des Laien Schüler, da er dessen spirituelle Reife als der eigenen überlegen erkennt.
…
Ein vollständiger Text zur Taulerlegende kann hier nachgelesen werden:
Johannes Tauler (1300 in -1361 ebenda) war ein dominikanischer Theologe in Straßburg und wurde nach tiefen inneren Erfahrungen einer der wirkungsmächtigsten Prediger seiner Zeit. Mit Meister Eckhart und Heinrich Seuse gehört er zu den bedeutendsten geistigen Gestalten des Spätmittelalters.
VON DER UMKEHR – Nach Predigt-Texten von Johannes Tauler nootheater 2016/2022
Das Hörstück enthält Auszüge aus folgenden Predigten Johannes Taulers:
1. Predigt # 5: Steh auf, und werde Licht, Jerusalem
2. Predigt # 6: Mein Joch ist sanft
3. Predigt # 62: Suchet zuerst das Reich Gottes
4. Predigt # 39: Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist
5. Predigt # 25: Alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt
6. Predigt # 40: Geliebte, seid eines Sinnes
HÖRBUCH, 42:21 Minuten / 10,00 € zusätzl. Versand – Das Hörstück kann als CD oder als mp3 bestellt werden
Mit Johannes sage ich: Gerechtigkeit und Liebe sind das einzige und das einzig sichere Zeichen für den wahren Glauben, und sie sind die echten Früchte des Heiligen Geistes. Wo sie sind, da ist Christus, wo sie fehlen, da fehlt Christus. Nur Christi Geist entflammt uns zur Gerechtigkeit und Menschenliebe.
Baruch de Spinoza (1632 – 1677) In: Spinoza-Brevier. Zusammengestellt und mit einer Einleitung herausgegeben von Arthur Liebert. Leipzig 1918, S. 156
… Der Ungrund oder das Absolute ist das, was ohne jeden Grund ist, was unbedingt und unendlich ist. Dieser göttliche Ungrund ist „das Nichts und das Alles“. Er „hat auch nichts, das etwas gebe, es ist eine ewige Ruhe, und keine Gleich(heit), ein Ungrund ohne Anfang und Ende: Es ist auch kein Ziel noch Stätte (Ort), auch kein Suchen oder Finden, oder etwas, da (wo) eine Möglichkeit wäre; Derselbe Ungrund ist gleich einem Auge, denn er ist sein eigener Spiegel, er hat kein Wesen (Weben), auch weder Licht noch Finsterniß“. Aus der ewigen Stille dieses Ungrunds gebärt und offenbart sich der ungründliche Wille, und dieser Wille ist anfangsloser Anfang und endloses Ende zugleich, „denn das Ende machet auch den Anfang dieses Willens, und der Anfang das Ende wieder. Und finden also, daß alle Wesen sind in ein Auge geschlossen, das ist gleich einem Spigel, da sich der Wille selber beschauet, was er doch sey.“ Und in diesem Spiegel, den Böhme auch als Spiegel der Weisheit Gottes bezeichnet, findet die Selbstfindung und Selbstfassung des unergründlichen Willens in die noch nicht offenbare Dreiheit von Vater, Sohn und Heiliger Geist statt. …
Von der Feuerseele zur Lichtseele. Jakob Böhmes Lehre von der Seele und Wiedergeburt des Menschen. Ein Überblick von Roland Pietsch
Der vollständige Artikel kann hier gelesen werden:
MAGISCHE BLÄTTER, BUCH XI
CIII. Jahrgang, August 2022, Heft 8 / Thema: WEITERE MATERIALIEN ZUM FILM
Herausgeber: Verlag Magische Blätter, Ronnenberg Schriftleitung: Organisation zur Umwandlung des Kinos
Die göttliche Liebe gebiert in der vernichtigten Seele, in der freien Seele in der erleuchteten Seele ewiges Wesen, empfangendes Genießen, liebevolle Vereinigung. Aus der ewigen Substanz empfängt das Gedächtnis das Vermögen des Vaters. Aus dem empfangenden Genießen hat der Verstand die Weisheit des Sohnes. Aus der liebenden Vereinigung empfängt der Wille die Güte des Heiligen Geistes. Die Güte des Heiligen Geistes vereinigt die Seele in der Liebe des Vaters und des Sohnes. Diese Vereinigung versetzt die Seele in ein Sein ohne Sein, welches das Sein selbst ist. Dieses Sein ist der Heilige Geist selbst, der die Liebe des Vaters und des Sohnes ist.
Die Begine Margarete Porete (1250-1310) in: Der Spiegel der einfachen Seelen. Wege der Frauenmystik. Aus dem Altfranzösischen übertragen und mit einem Nachwort und Anmerkungen von Louise Gnädinger (Zürich–München, 1987), S. 164 -165
Mildes Licht heiliger Herrlichkeit, des unsterblichen, himmlischen Vaters, des heiligen, seligen Jesus Christus, am Untergang der Sonne angelangt, das abendliche Licht betrachtend, besingen wir den Vater, den Sohn und Heiligen Geist als Gott. Würdig bist du, zu aller Zeit besungen zu werden von heiligen Stimmen, Sohn Gottes, Spen-der des Lebens; darum verherrlicht dich das All.
Der Lichthymnus Phos hiloaron, Mildes Licht, stammt vermutlich aus dem 2. Jahrhundert
Radzeichen von Bruder Klaus in der Feldkapelle ~ Foto: (c) wak
Den Pilgern erklärt Bruder Klaus sein Buch – das Radzeichen: Aus dem innersten Geheimnis geht Gott aus, als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er umfasst und durchdringt die ganze Schöpfung und kehrt wieder zurück in die unteilbare Einheit. Der Dreifaltige Gott wird zum Drei-einen Gott. Das ist ein ausdrucksstarkes Zeichen für Frieden.
In der heutigen Zeit kann man das Rad-Symbol auch so deuten: Die drei Strahlen, die vom äußeren Rand zum Zentrum zeigen, verweisen auf die drei monotheistischen Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam. Sie alle führen zu dem einen Gott.
So kann die Wachendorfer Feldkapelle als Friedenskapelle dem interreligiösen Dialog dienen. Sie möge den Menschen ein Ort der Ruhe und des Gebetes sein.
Während man die aufs Äußere, ohne besondere Beziehung zum geheimnisvollen Bereich des heiligen Geistes, gerichteten Bestrebungen bekanntlich sehr wohl überdenken und gedanklich abklären muss, wenn man nicht irdisch Schaden leiden soll, – kann alles, was man in der Intention tut, seinen Körper einen „Tempel des heiligen Geistes“ werden zu lassen, gar nicht gedankenlos genug getan werden!
„Denken zwecklos“ von Rudolf Schott überliefertes Zitat von Bô Yin Râ
Das sind die wahren Armen im Geist. Sie erfüllt der Heilige Geist; er stürmt in ihre Seelen, er gießt all seinen Reichtum über den Menschen aus, überschüttet ihn mit seinem Schatz, den inneren wie den äußeren Menschen, seine inneren und seine äußeren Kräfte, die oberen und die niederen. Und des Menschen Tun besteht hier darin, daß er sich bereiten lasse, und dem Heiligen Geist eine Stätte und einen Platz gebe, damit er sein Werk in ihm vollenden könne.