Freude des inneren Lebens

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Ich habe festgestellt, dass das innere Gebet auf dreierlei Weise Frucht bringt: im im Geist, in den Gefühlen und in Offenbarungen. In der ersten, zum Beispiel, ist die Süße der Liebe Gottes, der innere Friede, die Fröhlichkeit des Geistes Reinheit der Gedanken und das süße Gedenken an Gott. In der zweiten die angenehme Wärme des Herzens, die Fülle der Freude in allen Glieder, das freudige „Sprudeln“ im Herzen, Leichtigkeit und Mut, Lebensfreude, die Kraft, Krankheit und Kummer nicht zu fühlen. Und zuletzt das Licht, das dem Verstand gegeben wird, das Verständnis der Heiligen Schrift, Erkenntnis der Sprache der geschaffenen Dinge, Freiheit von Aufregung und Eitelkeit, Erkenntnis der Freude des inneren Lebens und schließlich die Gewissheit der Nähe Gottes und seiner Liebe zu uns.

In einem Büchlein „The way of a pelgrim“, das 1883 in Kasan gedruckt wurde nach einer Handschrift, im Besitz eines alten Athosmönches, werden genau die mystischen Erfahrungen der Ostkirche und des Franz von Assisi wiedergegeben / Quelle: A. R. Heyligers in seinem Artikel „Franz von Assisi oder die orientalische Mystik im Westen“

Da Du uns schenkest die Gaben des Lichts

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O heilsamer Weg,
der kraftvoll sich Bahn bricht!
Alles durchdringst Du:
die Höhen, die Tiefen, den Abgrund-
Du fügest und bindest alles in eins!

Durch Dich wogen die Wolken, wehen auf die Lüfte –
die Steine träufeln vom Saft,
Quellen sprudeln hervor,
durch dich quillt aus Erden das erfrischende Grün.

Darum sei Lob Dir, Du Klang allen Lobens,
Du Freude des Lebens
voll Hoffnung und Kraft,
voll des Rühmens,
da Du uns schenkest die Gaben des Lichts!

Hildegard von Bingen (1098 – 1179)

Mystik verwandelt den ganzen Menschen

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Der mystische Strom verzweigt sich in alle Zentren menschlicher Lebendigkeit. Der blendende Flug der Spekulation, die Glut liebender Hingabe, die aufreibende weltzugewandte Tat sind Ausfaltungen, die menschliche Grundkräfte zur letzten Reife bringen. Immer neu, immer anders sprudelt der nieversiegende mystische Quell in Raum und Zeit. … Mystik verwandelt nicht eine Grundkraft des Menschen gesondert. Sie verwandelt den ganzen Menschen. Mystik bewirkt damit Ganzheit und Ausgeglichenheit im Kraftfeld göttlicher, menschlicher und weltlicher Bezüge. Theologie des Kopfes und Theologie des Herzens, Erkennen und Lieben, Gebet und Arbeit, sakramentales Leben und Gottunmittelbarkeit, Liturgie und Alleingang in einsamer Wüste, visionäre Ekstatik und schlichter Alltag sind jeweis nur die beiden Pole der einen mystischen Ellipse.

Josef Zapf (1926 – 2012)

Du führst meinen Geist ins Weite

Hildegard von Bingen / Bild: wikimedia~gemeinfrei

O heilende Kraft, die sich Bahn bricht! Alles durchdringst du, die Höhen, die Tiefen, den Abgrund. Du fügest und schließest alles in eins.

Durch dich fluten die Wolken, fliegen die Lüfte. Die Steine träufeln vom Saft, die Quellen sprudeln ihre Bäche hervor. Durch dich quillt aus der Erde das erfrischende Grün.

Du führst auch meinen Geist ins Weite, wehest Weisheit in ihn, und mit der Weisheit die Freude. Die Seele ist wie ein Wind, der über die Kräuter weht, und wie ein Tau, der auf die Gräser träufelt, und wie die Regenluft, die wachsen macht.

Genauso ströme der Mensch sein Wohlwollen aus  auf alle, die da Sehnsucht tragen. Ein Wind sei er, indem er den Elenden hilft, ein Tau, indem er die Verlassenen tröstet, und Regenluft, indem er die Ermatteten aufrichtet, und sie mit der Lehre erfüllt wie Hungernde, indem er ihnen seine Seele gibt.

Hildegard von Bingen (1098-1179) zugeschrieben

Nicht länger an anderen Quellen stehlen

Foto: © wak

Du trinkst aus hundert Quellen,
und wenn eine von ihnen
mal weniger reich fließt,
ist deine Lust gemindert.
Beginnt aber die höchste aller Quellen
in dir selbst zu sprudeln,
so brauchst du nicht länger
an den anderen Quellen zu stehlen.

Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207-1273)

Heilsamer Weg

O heilsamer Weg,
der kraftvoll sich Bahn bricht!
Alles durchdringst Du:
die Höhen, die Tiefen, den Abgrund-
Du fügest und bindest alles in eins!

Durch Dich wogen die Wolken, wehen auf die Lüfte –
die Steine träufeln vom Saft,
Quellen sprudeln hervor,
durch dich quillt aus Erden das erfrischende Grün.

Darum sei Lob Dir, Du Klang allen Lobens,
Du Freude des Lebens
voll Hoffnung und Kraft,
voll des Rühmens,
da Du uns schenkest die Gaben des Lichts!

Hildegard von Bingen (1098 – 1179)

Höchste aller Quellen in dir

Du trinkst aus hundert Quellen,
und wenn eine von ihnen mal weniger reich fließt,
ist deine Lust gemindert.
Beginnt aber die höchste aller Quellen
in dir selbst zu sprudeln,
so brauchst du nicht länger
an den anderen Quellen zu stehlen.

Rumi (1207-1273)