Unser Glück besteht in der Wiedererlangung unserer wahren Natur: der Natur, nach der wir nach dem Bilde Gottes geschaffen sind, und in der Erfüllung unserer gereinigten natürlichen Fähigkeiten durch übernatürliche Gnade und Herrlichkeit. Unser Glück besteht darin, Gott gleich zu sein, mit ihm identifiziert zu sein, in Christus.
Eines der Dinge, die in unserer Natur verwurzelt sind und uns zum Ebenbild Gottes machen, ist unsere angeborene Freiheit. Gott ist unendlich frei, weil er unendlich mächtig ist und über jede andere Bestimmung erhaben, außer der seiner eigenen Liebe; und Liebe ist ihrem Wesen nach frei.
Suche nichts als ein reines, einfaches Entsinken in das reine, einfache, unbekannte, namenlose, verborgene Gut, das Gott ist, und in alles, was sich in ihm enthüllen mag. Alles soll sich an sein Nichts halten: Nichts wissen, nichts erkennen, nichts wollen, nichts suchen, nichts haben wollen. Suche weder Empfindung noch Erleuchtung! Entsinke in dein Nicht-wissen und Nicht-wissen-wollen! Die Tiefe, die in Gott ist, ist ein solcher Abgrund, daß aller geschaffene Verstand sie nicht zu erreichen noch zu ergründen vermag. Dieser Tiefe soll der Mensch begegnen mit der eigenen Tiefe: das ist, dem grundlosen Abgrund einer unergründlichen Selbstvernichtung. Das heißt: könnte er ganz zu einem lauteren Nichts werden, das hielte er für recht und billig. Das kommt aus der Tiefe und der Erkenntnis seines Nichts.
Johannes Tauler (1300 – 1361) zugeschrieben
in: Der Weg der Meister, 2, ausgewählt und neu übertragen von P. Ermin Döll (1936 – 2021)
Also, mein liebes, suchendes und begehrendes Gemüte, betrachte dich selber, suche dich und finde dich selber: du bist Gottes Gleichnis, Bild, Wesen und Eigentum: Wie du bist, also ist auch die ewige Geburt in Gott; dann Gott ist Geist, und dein Regiment in deinem Leibe ist auch Geist, und ist ausgangen und geschaffen worden aus dem Gottes Regiment.
Jacob Böhme (1575 – 1624) in: Vom dreifachen Leben des Menschen
DAS JACOB BÖHME LESEBUCH aus Jacob Böhmes Schriften ausgewählt und eingeleitet von Paul Hankamer. Neu herausgegeben, erweitert und mit einem Glossar versehen von Ronald Steckel
Buch mit Bildern, 416 Seiten / ISBN-Nr. 978-3-948594-09-1 / 36,00 € zuzüglich Versandkosten Eine Publikation des Jacob-Böhme-Bundes im Verlag Magische Blätter, Mai 2022 (c) Ronald Steckel / Jacob Böhme-Bund
Er zeigte mir ein kleines Ding, so groß wie eine Haselnuss, das in meiner Hand lag, und es erschien mir rund wie eine Kugel. Ich schaute es an und dachte: „Was mag das sein?“ – Und es wurde mir die allgemeine Antwort: „Das Geschaffene.“ Ich staunte, dass es bestehen konnte; denn ich dachte, es könne, so gering wie es war, leicht in nichts vergehen. Und mein Verstehen erhielt die Antwort: Es besteht und wird ewig bestehen, weil Gott es liebt; und so hat alles das Sein durch die Liebe Gottes.
In diesem kleinen Ding da sah ich dreierlei: Erstens, dass Gott es geschaffen hat; zweitens, dass Gott es liebt; drittens, das Gott es erhält.
Augustinus in der Lateranbasilika / wikimedia ~ gemeinfrei
Spät habe ich dich geliebt, du Schönheit, so alt und doch so neu, spät habe ich dich geliebt! Und siehe, du watest im Innern, und ich war draußen und suchte dich dort; und ich, mißgestaltet, verlor mich leidenschaftlich in die schönen Gestalten, welche du geschaffen. Mit mir warst du und ich war nicht mit dir. Die Außenwelt hielt mich lange von dir fern, und wenn diese nicht in dir gewesen wäre, so wäre sie überhaupt nicht gewesen. Du riefest und schriest und brachst meine Taubheit. Du schillertest, glänztest und schlugst meine Blindheit in die Flucht. Du wehtest und ich schöpfte Atem und atme zu dir auf. Ich kostete dich und hungre und dürste. Du berührtest mich und ich entbrannte in deinem Frieden.
Wisset, meine Seele ist so jung, wie da sie geschaffen ward, ja, noch viel jünger! Und wisset, es sollte mich nicht wundern, wenn meine Seele morgen noch jünger wäre als heute!
Meister Eckhart (1260 – 1328)
Gefunden habe ich diesen Text hier: Alois M. Haas / Thomas Binotto: Meister Eckhart – der Gottsucher. Aus der Ewigkeit ins Jetzt. Freiburg/Br. 2013
Nun hat diese Seele ihren richtigen Namen, spricht die Liebe, vom Nichts, in dem sie verbleibt. Und da sie nichts ist, macht sie sich aus nichts etwas, weder aus ihren Nächsten noch aus Gott selbst. Denn sie ist so winzig, dass sie sich selbst nicht aufzufinden vermag. Und alle geschaffenen Dinge sind ihr so weit entfernt, dass sie sie nicht mehr empfindet. Und Gott ist so groß, dass sie von ihm nichts zu erfassen vermag. Und wegen dieses sogearteten Nichts ist sie in die Gewißheit des Nichtwissens und in die Gewißheit des Nichtwollens gestürzt.
Die BegineMarguerite Porete (1250/1260 – 1. Juni 1310) in: Der Spiegel der einfachen Seelen. Zürich/München 1987, S. 125
Wie nun Gott in der Welt wohnet, und alles erfüllet, und doch nichts besitzet; und das Feuer im Wasser wohnet und das nicht besitzt; und wie das Licht in der Finsternis wohnet und die Finsternis doch nicht besitzet; der Tag in der Nacht und die Nacht im Tage; die Zeit in der Ewigkeit und die Ewigkeit in der Zeit: Also ist auch der Mensch geschaffen. Er ist nach der äußern Menschheit die Zeit, und in der Zeit; und die Zeit ist die äußere Welt, das ist auch der äußere Mensch. Und der innere Mensch ist die Ewigkeit, und die geistliche Zeit und Welt; welche auch stehet in Licht und Finsternis, als in Gottes Liebe, nach dem ewigen Licht; und in Gottes Zorn, nach der ewigen Finsternis: welches in ihm offenbar ist, darinnen wohnet sein Geist, entweder in der Finsternis, oder im Lichte.“
Jakob Böhme (1575 – 1624) in: Von der neuen Wiedergeburt. Zitiert von Ronald Steckel in: Texte zum Geistigen im Film. Organisation zur Umwandlung des Kinos. Sector 16, Ronnenberg 2017, S. 17
Der Diener der ewigen Weisheit und Gottesfreund Heinrich Seuse, ward einmal gefragt, welcher Art seine Betrachtung sei, wenn er die Messe beginne zu singen mit den Worten: Sursum corda (Erhebet die Herzen). Er antwortete, es wären da drei hohe Gesinnungen, die ihn bewegten, also dass einmal nur eine in ihm wäre, manchmal zweie, oft aber alle dreie. Seuse erzählt eine von ihnen mit folgenden Worten: „Ich nahm vor meine inneren Augen mich selbst nach alledem, das ich bin, mit Leib und Seele und allen meinen Kräften, und stellte um mich alle Kreaturen, die Gott je geschaffen in Himmelreich und Erdreich und in den vier Elementen, ein jegliches sonderlich mit Namen, sei es Vogel der Luft, Tier des Waldes, Fisch des Wassers, Laub und Gras des Erdreichs und den ungezählten Sand im Meere und dazu all das kleine Gestäube, das im Sonnenglanz erscheint und alle Wassertropfen, die von Tau, Schnee oder Regen je fielen oder je noch fallen, und wünschte, dass deren jegliches ein süss ertönendes Saitenspiel hätte, wohlbereitet aus meines Herzens innerstem Safte, und also dem geliebten zarten Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit ein neues hochgemutes Lob erklingen lassen. Und dann in fröhlicher Weise dehnten und breiteten sich die liebreichen Arme der Seele aus gegen die unsägliche Zahl aller Kreaturen, und es war die Absicht dabei, sie alle eifrig zu machen, recht wie ein freier wohlgemuter Vorsänger die singenden Gesellen reizt, fröhlich zu singen und ihre Herzen Gott darzubieten: Sursum corda!“
Werner Witzemann: Ein Buch. Eine Vorrede und eine Einleitung dazu. Die Notizen zu „Theologia Deutsch“ fand ich hier: https://www.anthroposophie.ch
Es gibt keine Materie an sich! Alle Materie entsteht und besteht nur durch eine Kraft, welche die Atomteilchen in Schwingung bringt und sie zum winzigsten Sonnensystem des Atoms zusammenhält. Da es aber im ganzen Weltall weder eine intelligente noch eine ewige Kraft gibt, so müssen wir hinter dieser Kraft einen bewussten Geist annehmen. Dieser Geist ist der Urgrund aller Materie! Nicht die sichtbare, aber vergängliche Materie ist das Reale, Wahre, Wirkliche, sondern der unsichtbare, unsterbliche Geist ist das Wahre. Da es aber Geist an sich allein ebenfalls nicht geben kann, sondern jeder Geist einem Wesen angehört, müssen wir zwingend Geistwesen annehmen. Da aber Geistwesen nicht aus sich selber sein können, sondern geschaffen worden sein müssen, so scheue ich mich nicht, diesen geheimnisvollen Schöpfer ebenso zu benennen, wie ihn alle Kulturvölker der Erde früherer Jahrtausende genannt haben: Gott.