Hin zu den Quellen, zum Sinn des Lebens, zur Religion

Umschlag einer späteren Ausgabe von „Berlin Alexanderplatz“

Aber zuviel Hände und Herzen über der Kunst! Zu wenig im Leben, das nur dilettantisch nebenbei gelebt wird, als eine Sache, die sich in den freien Berufsstunden abspielt Zu wenig Menschen im Geistesleben. Zu viele in der Wissenschaft, zu viele Menschen in den Millionen Kämmerchen der Akademien zerstreut; es macht keinen Unterschied ob sie Bakteriologen, Historiker einer bestimmten Epoche eines sehr bestimmten Ländchens, Philologen in einem Sprachwinkel sind. Hin zu den Quellen, zum Sinn des Lebens, zur Religion. Das Zentrum finden. Sich reinigen, sich erkennen.

Alfred Döblin (1878 – 1957) in seinem Essay „Jenseits von Gott!“ aus dem Jahre 1919. Zitiert wird es in dem außerordentlich spannenden Beitrag von Thomas Isermann: Großstadtmystik. Der Begriff und seine Anwendung auf Alfred Döblins Roman „Berlin Alexanderplatz“ Der vollständige Beitrag Isermanns kann hier nachgelesen werden:

MAGISCHE BLÄTTER, BUCH X
CIII. Jahrgang, Juni 2022, Heft 6 / Thema: DIE DEUTSCH-JÜDISCHE SYMBIOSE – EINHEIT IM SCHÖPFERISCHEN

Bestellt werden kann die Ausgabe hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Mehr hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/publikationsreihe/magische-bl%C3%A4tter-buchreihe

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Tao Te King: Von allen tiefen Quellen das reinste Wasser

… Ich wollte ein Buch des Weges,
das für einen heutigen, unklugen,
unmächtigen und vielleicht
nicht männlichen Leser zugänglich ist,
der nicht auf der Suche
nach esoterischen Geheimnissen ist,
sondern auf eine Stimme hört,
die zur Seele spricht.
Ich möchte, dass dieser Leser erkennt,
warum die Menschen das Buch
seit fünfundzwanzig Jahrhunderten lieben.

… Es ist der liebenswerteste
aller großen religiösen Texte,
witzig, scharfsinnig,
gütig, bescheiden,
unzerstörbar empörend
und unerschöpflich erfrischend.

Von allen tiefen Quellen
ist dies das reinste Wasser.
Für mich ist es auch die tiefste Quelle.

Ursula K. Le Guin (1929 – 2018) in ihrer Einleitung über das „Tao Te King“, das ihr zuerst in der Ausgabe von Paul Carus von 1898 vorlag

Lao Tzu: Tao Te Ching. A Book about the Way and the Power of the Way. A New English Version bei Ursula K. Le Guin with the Collaboration of J.P. Seaton, Professor of Chinese, Shambala Boston & London, 2011

Ausdruck gestaltender Urliebe

Foto: (c) wak

Es soll nichts weniger gewagt werden als der Nachweis, daß Bô Yin Râ mit voller geistiger Ermächtigung das inwendig Wahre, Gute und Schöne, den Ausdruck der gestaltenden Urliebe, in einer unserer Zeit entsprechenden und klaren Wortform wiederum zur Darstellung gebracht hat, in einem geschichtlichen Moment also, da die alten geheiligten Quellen nahezu verschüttet, die alten heiligen Bücher bis zur  Undeutlichkeit verblasst sind und teils unsicher oder willkürlich, teils flach oder mechanisch ausgelegt werden.

Aus: Aufgabe. Einführungskapitel aus „Bô Yin Râ – Leben und Werk“ von Rudolf Schott

MAGISCHE BLÄTTER, BUCH IX
CIII. Jahrgang März 2022, Heft 3 / Thema: Theosophie

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Du führst meinen Geist ins Weite

Hildegard von Bingen / Bild: wikimedia~gemeinfrei

O heilende Kraft, die sich Bahn bricht! Alles durchdringst du, die Höhen, die Tiefen, den Abgrund. Du fügest und schließest alles in eins.

Durch dich fluten die Wolken, fliegen die Lüfte. Die Steine träufeln vom Saft, die Quellen sprudeln ihre Bäche hervor. Durch dich quillt aus der Erde das erfrischende Grün.

Du führst auch meinen Geist ins Weite, wehest Weisheit in ihn, und mit der Weisheit die Freude. Die Seele ist wie ein Wind, der über die Kräuter weht, und wie ein Tau, der auf die Gräser träufelt, und wie die Regenluft, die wachsen macht.

Genauso ströme der Mensch sein Wohlwollen aus  auf alle, die da Sehnsucht tragen. Ein Wind sei er, indem er den Elenden hilft, ein Tau, indem er die Verlassenen tröstet, und Regenluft, indem er die Ermatteten aufrichtet, und sie mit der Lehre erfüllt wie Hungernde, indem er ihnen seine Seele gibt.

Hildegard von Bingen (1098-1179) zugeschrieben

Editorial | Update 02_2021

„Wann, wenn nicht Jetzt“ heißt es im Untertitel des Blogs „Mystik aktuell“. Ganz so, wie es Sosan um 600 formuliert hat: „Der Weg ist jenseits von Sprache, denn auf ihm gibt es kein Gestern, kein Morgen, kein Heute.“

Werner Anahata Krebber | Foto: privat

Auf dem sprituellen Weg können Texte aus der mystischen Tradition wie aus der Gegenwart Begleiter sein, die eigene Verortung neu zu buchstabieren oder zu vertiefen. Dabei greife ich für den Blog „Mystik aktuell“ neben eigenen Beiträgen auf Quellen zurück, die weit über die eigene spirituelle Herkunft hinausgehen neue Zugänge ermöglichen können: interreligiös, interspirituell, transkonfessionell, interkulturell. Stammen sie geographisch oder spirituell auch von weit her, so können sie Anstoß, Anregung, Ansprache sein – immer neu sind sie danach zu befragen, welche Bedeutung sie für jede/n Einzelne/n haben. Jetzt. Und auch so, wie es Robert Musil (1880 – 1942) in seinem „Mann ohne Eigenschaften“ formuliert hat:

Ich sehe mir den heiligen Weg
mit der Frage an,
ob man wohl auch
mit einem Kraftwagen auf ihm fahren könnte!

In diesem Sinne viel anregende Lektüre!

Werner Anahata Krebber im Februar 2021

Editorial zu „Mystik aktuell“ / November 2020

 

Foto: © wak

„Wann, wenn nicht Jetzt“ heißt es im Untertitel des Blogs „Mystik aktuell“. Ganz so, wie es Sosan um 600 formuliert hat: „Der Weg ist jenseits von Sprache, denn auf ihm gibt es kein Gestern, kein Morgen, kein Heute.“

Auf dem sprituellen Weg können Texte aus der mystischen Tradition wie aus der Gegenwart Begleiter sein, die eigene Verortung neu zu buchstabieren oder zu vertiefen. Dabei greife ich für den Blog  „Mystik aktuell“ auf Quellen zurück, die weit über die eigene spirituelle Herkunft hinausgehen und interreligiös, interspirituell, interkulturell neue Zugänge ermöglichen können. Stammen sie geographisch, kulturell oder spirituell auch von weit her, so können sie Anstoß, Anregung, Ansprache sein – immer neu sind sie danach zu befragen, welche Bedeutung sie für jede/n Einzelne/n haben. Jetzt.

Als 1923 Predigten von Johannes Tauler neu herausgegeben wurden, schrieb Walter Lehmann im Vorwort: „Die Mystik ist der großartigste Versuch, die Religion an sich zu finden. Und was ist die religiöse Sehnsucht unserer Tage? Die Religion zu finden, die keiner Konfession, keiner Dogmen, keiner heiligen Stätten, Priester und Handlungen, keiner Symbole, keiner Formen und Kulte, keiner Historie bedarf, sondern autonom in der Seele lebt. Die da hinein gebannt sind in die Massenreligion der Bevormundung, sehnen sich nach der Religion ihrer eigenen Seele …“

Ganz in diesem Sinn gilt der Satz von Sosan: Wann, wenn nicht Jetzt.

Werner Anahata Krebber im November 2020

Nicht länger an anderen Quellen stehlen

Foto: © wak

Du trinkst aus hundert Quellen,
und wenn eine von ihnen
mal weniger reich fließt,
ist deine Lust gemindert.
Beginnt aber die höchste aller Quellen
in dir selbst zu sprudeln,
so brauchst du nicht länger
an den anderen Quellen zu stehlen.

Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207-1273)

Buchtipp VI – Jeder Mensch ist ein Mystiker (Abraham H. Maslow)

Cover des Buches von Abraham H. Maslow

 

Abraham H. Maslow

Jeder Mensch ist ein Mystiker
Impulse für die seelische Ganzwerdung

Peter Hammer Verlag / 186 Seiten, 17,90 €
ISBN: 978-37795-0488-7
Wuppertal 2014

 

„Das schlanke Büchlein, das Sie in Händen halten, enthält mehr Explosionsstoff als ganze Bibliotheken. Es hat mit einem Schlag eine bisher ungeahnte, innige Verknüpfung zwischen Wissenschaft und Religion aufgedeckt. Und doch waren diese umwälzenden Einsichten Abraham Maslows bisher niemandem in deutscher Sprache zugänglich.“ So David Steindl-Rast in seiner Einführung. Denn das hat sich glücklicherweise geändert, als Erhard Doubrawa dieses Buch von Abraham H. Maslow im Peter Hammer-Verlag publiziert hat. Doch worum geht es hier?

Das vorliegende Buch „Jeder Mensch ist ein Mystiker“ enthält gleich mehrere Perlen. Da ist zum Einen der Vortrag, den Maslow 1961 hielt und der hier unter dem Titel „Was Gipfelerlebnisse uns lehren“ nachzulesen ist. Zum Zweiten ist es sein Buch „Religionen, Werte und Gipfelerlebnisse“, das 1964 erschien und hier nun nachzulesen ist.

Maslow berichtet in seinem Vortrag von Erfahrungen, die er lernen durfte. Beispielsweise, dass „mystische Erfahrungen“ meist nichts mit Religion im normalen, übernatürlichen Sinn zu tun haben. Und dass sie eine natürliche und keine übernatürliche Erfahrung waren, so dass er sie dann als „Gipfelerlebnisse“ bezeichnete. Maslow sieht zwar durchaus unterschiedliche Intensitäten von Gipfelerlebnissen. Aber seinen Forschungen nach ist er sicher, „dass sich alle Gipfelerlebnisse bis zu einem gewissen Grad verallgemeinern lassen. Die Stimuli sind sehr unterschiedlich, die subjektive Erfahrung ist tendenziell ähnlich. Oder um es anders auszudrücken: Unser Hochgefühl gleicht sich, wir beziehen es nur aus unterschiedlichen Quellen, bei weniger starken Leuten vielleicht aus ‚Rock and Roll‘, Drogen und Alkohol. Ich bin mir dessen umso sicherer, nachdem ich Literatur über die mystischen Erfahrungen, das kosmische Bewusstsein, ozeanische Erfahrungen, ästhetische Erfahrungen, kreative Erfahrungen, Liebeserfahrungen, elterliche Erfahrungen, sexuelle Erfahrungen und Erfahrungen der Erkenntnis konsultiert habe. Sie alle überschneiden sich, nähern sich der Ähnlichkeit und sogar der Identität an.“

Und noch etwas fiel ihm auf: „Gipfelerlebnisse sprudeln aus vielen Quellen und jede Art Mensch kann sie haben.“ Und sein Zitat am Schluss des Vortrages ist gleichzeitig eine sehr treffende Überleitung zu dem nachfolgenden Buch „Religionen, Werte und Gipfelerlebnisse“. Er sagt am Ende seines Vortrages: „Es muss inzwischen denen klar geworden sein, die mit der Literatur der mystischen Erfahrungen vertraut sind, dass diese Gipfelerlebnissen diesen sehr ähneln und sich mit ihnen überlappen, aber nicht mit ihnen identisch sind. Was ihre wahre Beziehung ist, weiß ich nicht… Alle mystische Erfahrung, wie sie klassisch beschrieben wird, wurde mehr oder weniger durch Gipfelerlebnisse erlangt.“

In „Religionen, Werte und Gipfelerlebnisse“ schreibt Maslow unter anderem so etwas wie sein „Credo“: „Die wahre Religion ist auf den höheren Ebenen der persönlichen Entwicklung durchaus kompatibel mit Rationalität, Wissenschaft und sozialer Leidenschaft. Nicht nur das, sondern sie kann im Prinzip ganz einfach gesunde Sinnlichkeit, gesunden Materialismus und Egoismus mit natürlicher Transzendenz, Spiritualität und Werthaltung integrieren.“

Das sind nur wenige der so lesenswerten Aspekte in Maslows Buch „Jeder Mensch ist ein Mystiker“. Die beiden großen Texte werden ergänzt durch Anhänge, bei denen es um religiöse Aspekte der Gipfelerlebnisse geht, um die Frage von Verlässlichkeit, um Wahrnehmung etc.

Vorangestellt ist dem Buch die beeindruckende Einführung von David Steindl-Rast, in der er unter anderem schreibt: „Das Herz jeder Religion ist ja die Religion des Herzens. Nur Rückkehr in die mystischen Tiefen des Herzens kann eine Religion wieder religiös machen.“ Ebenfalls sehr lesenswert ist das Nachwort von Erhard Doubrawa, der im gleichen Verlag „Heilende Texte“ von Meister Eckhart herausgegeben hat. Doubrawa  gibt am Ende zu bedenken: „Ob mystische Erfahrungen von unserem Gegenüber überhaupt ausgesprochen werden können, hängt stark von unserer eigenen Haltung solchen Erfahrungen gegenüber ab.“

Noch etwas muss dringend erwähnt werden: Die Lektüre dieses Buches hat in besonderer Weise die hervorragende Übersetzung von Karola Tembrins so reich werden lassen. Ihre Anmerkungen und Fußnoten sind sehr klug und erweitern das Leseerlebnis um kenntnisreiche Hinweise.

Zum Schluss möchte ich im Geise von Maslow dem Rat von Doubrawa folgen: Halten wir uns offen für mystische Erfahrungen – eigene und die anderer. Dieses Buch kann dazu in hervorragender Weise behilflich sein.

  ©  Werner A. Krebber

 

Pilger sein

pilgerseinFoto: © wak

Ist es möglich, dass manche Orte an sich heilig sind, gleich, was sie Menschen bedeuten mögen? Manche Kulturen gehen davon aus. Pilgerorte sind oft Plätze von besonderer Naturschönheit. Dabei spielt vermutlich weniger die Bewunderung für ein Meisterwerk der Schöpferkraft eine Rolle als die menschliche Neigung, in bestimmten geographischen Merkmalen bestimmte Symbole zu sehen. Manche Orte, besonders Berge, Höhlen, Flüsse und Quellen, sind von alters her als Wohnstätten von Göttern betrachtet worden oder als Orte, an denen sich die Welt der Götter und die der Menschen treffen. …Der heilige Ort ist ein Teil der Sehnsucht“.

Jennifer Westwood (1940 – 2008)

Siehe auch hier:

https://mystikaktuell.wordpress.com/2012/04/08/pilgern-als-seins-weise/

Dss Foto zeigt einen Blick in die Pilgerkapelle St. Bartholomäus in Bochum-Sevinghausen

Mehr dazu hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Pilgerkapelle_St._Bartholom%C3%A4us_(Sevinghausen)