Göttliches Selbst im Seelengrund

Fotographik (c) wak

Den äußeren Menschen gilt es, soweit man es vermag, mit Gelassenheit zu bezwingen und ihn einwärts zu ziehen in den inneren Menschen, so dass der äußere nach den Weisungen des inneren wirke und nicht nach den Wünschen und Begierden des Ich. Wenn dann der innere Mensch in rechter freier Gelassenheit und Nicht-Anmaßung steht, halte er sich in seinem lauteren Nicht-Ich, über sich im Nicht-Tun, indem er sich Gott läßt und Gott wirken läßt. Dann erhebt sich der innerste Mensch, der Geist, Christus, das göttliche Selbst im Seelengrund, und kann sich in seinen Ursprung zurückwenden, in seine Ungeschaffenheit im Gottesgrund, wo er ewig gewesen ist: da steht er bildlos und formlos in seiner Ungewordenheit, und da erfüllt ihn Gott mit der Kraft und dem Reichtum seiner Herrlichkeit. So groß ist die göttliche Fülle, daß von diesem Reichtum der innere Mensch ganz erfüllt, durchlichtet und durchkraftet wird und selbst der äußere Mensch noch daran teilhat.

Johannes Tauler (1300 – 1361)

Lass nicht ab an deiner eigenen Statue zu wirken

Buddhaskizze von Antony Gormley / Foto: (c) wak

Kehre ein zu dir selbst und sieh dich an. Und wenn du siehst, dass du noch nicht schön bist, so mache es wie der Bildhauer, der von einer Statue, die schön werden soll, hier etwas fortmeißelt, dort etwas glättet und da etwas reinigt, bis er der Statue ein schönes Gesicht gegeben hat. So mach’ du es auch: Nimm weg, was unnütz, richte gerade, was krumm ist, reinige, was dunkel ist und mache es hell. Lass nicht ab, an deiner eigenen Statue zu wirken, bis dir der göttliche Glanz der Tugend aufleuchtet und du sie auf ihrem heiligen Sockel stehend erblickst. Und wenn du soweit gekommen bist, dann hemmt dich nichts mehr, dann bist du ganz du selbst und ganz und gar reines, wahres Licht. Du bist eins mit dem Schauen, gewinnst Zutrauen zu dir, bist so hoch gestiegen, dass du keine Weisung mehr brauchst.

Plotin (204 – 270) in den „Enneaden“

Keine Weisung mehr brauchen

Foto: © wak

 

Kehre ein zu dir selbst und sieh dich an. Und wenn du siehst, dass du noch nicht schön bist, so mache es wie der Bildhauer, der von einer Statue, die schön werden soll, hier etwas fortmeißelt, dort etwas glättet und da etwas reinigt, bis er der Statue ein schönes Gesicht gegeben hat. So mach’ du es auch: Nimm weg, was unnütz, richte gerade, was krumm ist, reinige, was dunkel ist und mache es hell. Lass nicht ab, an deiner eigenen Statue zu wirken, bis dir der göttliche Glanz der Tugend aufleuchtet und du sie auf ihrem heiligen Sockel stehend erblickst. Und wenn du soweit gekommen bist, dann hemmt dich nichts mehr, dann bist du ganz du selbst und ganz und gar reines, wahres Licht. Du bist eins mit dem Schauen, gewinnst Zutrauen zu dir, bist so hoch gestiegen, dass du keine Weisung mehr brauchst.

Plotin (204 – 270) in den „Enneaden“

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Weisheiten aus der Wüste – Doing Nothing / Herzliche Einladung zum 2. Juni in den Mystikkreis Köln

Weisheiten aus der Wüste und Doing Nothing – Einladung zum Mystik-Sonntag am 2. Juni 2019

Foto: © wak

 

In die Wüste begaben sich im 3. und 4. Jahrhundert unserer Zeit Frauen und Männer des noch jungen Christentums. In Ägypten, Syrien und Palästina ließen sie ihre gesellschaftlichen oder familären Verpflichtungen hinter sich und suchten Zuflucht im radikalen, asketischen Alleinsein mit Gott. Sie wandten sich unter anderem von einer Form von Christentum ab, die mit der Konstantinischen Wende (nach 315 n.Chr.) eine allzu enge Verbindung mit dem Staat eingegangen war und Hierarchie und Ämtern den Vorrang gab.

Die Wüstenmütter und -väter setzten sich in der selbst gewählten Einsamkeit ganz der eigenen Gefühls- und Gedankenwelt aus und erwarben in Erfahrungen einen reichen Schatz voll spiritueller Tiefe. Sie entwickelten kein theoretisches Konzept, folgten keiner spirituellen Anleitung oder ritualisierten Gebeten, sondern gaben durch ihr konkretes, mutiges Beispiel, spirituelle Anregungen und Weisungen. Eine ganze Reihe kurz gefasster Weisheiten von Wüstenvätern und Wüstenmüttern, die fast Koans aus dem Zen ähneln, sind in den Sammlungen „Apophthegmata Patrum“und „Meterikon“ überliefert. Sie haben in Herzensruhe und innerem Kampf, die kritischen Fragen des Lebens durchlitten und Antworten gefunden, die auch Ausdruck ihrer strahlenden Einfachheit, Milde und Barmherzigkeit sind. Auch heutige Eremiten weisen noch auf die orientierende Hilfe dieser Aussprüche hin.

Am 2. Juni wollen wir versuchen zu erspüren, welche Kraft die Worte dieser Frauen und Männer in den Wüste der Städte unserer Zeit haben und sie darauf abklopfen, wie aktuell sie auch heute noch für uns sind.
Für diejenigen, die sich nur für die Praxis des Nichts Tuns interessieren, bietet sich an, erst zum Praxisteil um 12:30 dazu zu kommen, wenngleich die Schätze der Wüstenväter auch im Doing Nothing relevant sind.

 

Organisatorisches:

Damit wir besser planen können, bitten wir um frühzeitige Anmeldung bei

Rani Kaluza: Tel: 0221 2406997/ eMail: weissefeder@netcologne.de.

Vielen Dank!

 

Wir treffen uns an jedem ersten Sonntag im Monat im Kölner Stadtteil Sülz. An diesen Sonntagen wird für beides Zeit sein – für stilles kontemplatives Sitzen und für das Studieren mystischer Texte & Themen sowie den gemeinsamen Austausch.

Der private Kurs ist auf 12 Teilnehmer beschränkt. Kostenbeitrag für den ganzen Tag: 15,– Euro (+ ein freiwilliger Obolus für den Mittagstisch). / Kostenbeitrag nur für den Nachmittag: 10,– Euro.

Wir freuen uns auf Euer / Ihr Kommen:

Rani und Werner

Informationen auch hier: https://www.facebook.com/events/2303888179824970/

Der Mensch: Innen und Außen

Den äußeren Menschen gilt es, soweit man es vermag, mit Gelassenheit zu bezwingen und ihn einwärts zu ziehen in den inneren Menschen, so dass der äußere nach den Weisungen des inneren wirke und nicht nach den Wünschen und Begierden des Ich. Wenn dann der innere Mensch in rechter freier Gelassenheit und Nicht-Anmaßung steht, halte er sich in seinem lauteren Nicht-Ich, über sich im Nicht-Tun, indem er sich Gott läßt und Gott wirken läßt. Dann erhebt sich der innerste Mensch, der Geist, Christus, das göttliche Selbst im Seelengrund, und kann sich in seinen Ursprung zurückwenden, in seine Ungeschaffenheit im Gottesgrund, wo er ewig gewesen ist: da steht er bildlos und formlos in seiner Ungewordenheit, und da erfüllt ihn Gott mit der Kraft und dem Reichtum seiner Herrlichkeit. So groß ist die göttliche Fülle, daß von diesem Reichtum der innere Mensch ganz erfüllt, durchlichtet und durchkraftet wird und selbst der äußere Mensch noch daran teilhat.

Johannes Tauler (1300 – 1361; Tauler war Schüler von Meister Eckhart, der von 1260 bis 1328 lebte; wurde Meister Eckhart als „Lesemeister“ bezeichnet, nannte man Tauler „Lebemeister“)

Äußerer und innerer Mensch

Den äußeren Menschen gilt es, soweit man es vermag, mit Gelassenheit zu bezwingen und ihn einwärts zu ziehen in den inneren Menschen, so dass der äußere nach den Weisungen des inneren wirke und nicht nach den Wünschen und Begierden des Ich. Wenn dann der innere Mensch in rechter freier Gelassenheit und Nicht-Anmaßung steht, halte er sich in seinem lauteren Nicht-Ich, über sich im Nicht-Tun, indem er sich Gott läßt und Gott wirken läßt. Dann erhebt sich der innerste Mensch, der Geist, Christus, das göttliche Selbst im Seelengrund, und kann sich in seinen Ursprung zurückwenden, in seine Ungeschaffenheit im Gottesgrund, wo er ewig gewesen ist: da steht er bildlos und formlos in seiner Ungewordenheit, und da erfüllt ihn Gott mit der Kraft und dem Reichtum seiner Herrlichkeit. So groß ist die göttliche Fülle, daß von diesem Reichtum der innere Mensch ganz erfüllt, durchlichtet und durchkraftet wird und selbst der äußere Mensch noch daran teilhat.

Johannes Tauler (1300 – 1361; Tauler war Schüler von Meister Eckhart, der von 1260 bis 1328 lebte)