Erfahrung des Ergriffenseins

Jean Benner, L’Extase / Foto: (c) wak

Spiritualität ist die  Erfahrung des Ergriffenseins durch den göttlichen Geist. Sie ist das Gespür für das Absolute, für das Alles-Transzendierende und Alles-Durchdringende, für das Göttliche. Spiritualität ist eine universelle Erfahrung der Geborgenheit im tragenden Seinsgrund und das Angezogenwerden vom letzten Ziel. Jeder Mensch hat eine Spiritualität im weiten Sinn des Wortes. Spiritualität verleiht dem Alltag den letzen Sinn und den Mut zum Sein.

Sebastian Painadath SJ (* 1942)

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Den Grund des Herzens öffnen

Foto: (c) wak

Im Licht innerer Schau öffnet sich der Grund des Herzens, weitet sich in Gott und wird so über das Weltall erhoben. Die Seele des Schauenden wird über sich selbst hinausgehoben. Wenn das Licht Gottes sie über sich selbst hinausreißt, wird sie in ihrem Inneren ganz weit; wenn sie von oben hinabschaut, kann sie ermessen, wie klein das ist, was ihr unten unermesslich schien.

Gregor der Große (ca. 540 – 604)

Alkohol und mystisches Bewusstsein

Foto: (c) wak

Die Herrschaft des Alkohols über die Menschen liegt zweifellos in seiner Macht, die mystischen Fähigkeiten der menschlichen Natur anzuregen, die gewöhnlich durch die kalte Wirklichkeit und die unerbittliche Kritik der nüchternen Stunden erstickt werden. Die Nüchternheit verengt, trennt, verneint. Trunkenheit weitet, eint, bejaht. Sie bildet in der Tat einen mächtigen Antrieb zur Bejahung im Menschen. Sie führt von der kalten Außenseite in das Herz der Dinge hinein; sie eint für den Augenblick mit der Wahrheit. Nicht aus reiner Verderbtheit gehen die Menschen ihr nach. Den Armen und Ungebildeten ersetzt sie Symphonie-Konzerte und literarische Genüsse. Das trunkene Bewusstsein ist also nur eine bestimmte — freilich pathologisch bedingte — Teilerscheinung des mystischen Bewusstseins.

William James (1842 – 1910) in: Die Religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit. Leipzig 1907, S. 362-363

Mehr zu Alkohol und Spiritualität hier: https://alkoholundspirit.wordpress.com/

Stille und Öffnung

Screenshot der Homepage http://www.haukejohannagerdes.de/

… Die Bewusstseinsschicht, die Hauke Johanna Gerdes in uns ansprechen will, liegt im geistigen Raum, ihre Bilder verlangen, dass wir bereit sind, uns mit unseren Empfindungen zu öffnen. Ihre künstlerischen Arbeiten fordern ein vorübergehendes „Leersein“, einen Zustand der Stille und damit einer Öffnung, wie etwa bei einer Meditation. Denn es geht um eine Wahrnehmung, die in die Transformation eines Bereiches des Erfassbaren reicht, der recht flüchtig ist und sich den Augen gerne entzieht. So kann es für den Betrachter manchmal etwas Zeit brauchen, bis die Arbeiten sich der Empfindung aufschließen und sich in der Betrachtung verwandeln. Dann aber tritt plötzlich, wie aus heiterem Himmel, seelisch tief Erlebtes zutage. Die Gesamtheit eines Moments kann wahrnehmbar werden. Das Unbekannte kann den Blick, sowie das Bewusstsein weiten und zu einem großen Glück werden.

Klaus Weingarten in seinem Text „Das Leben tritt von selbst hervor“ über Hauke Johanna Gerdes. Der ganze Text kann hier nachgelesen werden: http://www.haukejohannagerdes.de/text_neu.html

Mehr Arbeiten von ihr sind hier zu sehen: http://www.haukejohannagerdes.de/

Es hat für Myriaden Formen Raum und Licht…

Es hat für Myriaden Formen Raum und Licht,
Nur überlässt es denen sich wahrhaftig nicht,
Die es sich selbst als Eigengut erstreben
Und sich ihm selber nicht zu eigen geben.

Erst, wenn verzichtet wird auf eig‘nen Schein,
Kehrt das, was wirklich ist, im Menschen ein: –
Nur wer sich selbst zu leerem Raume weitet,
Findet sich ewig lichtem Leben zubereitet.

Bô Yin Râ (1876 – 1943) in: Mancherlei, Basel 1939

 

Aktuell erschienen in den Magischen Blättern, Frühjahr 2020. Mehr zu Bô Yin Râ, den Jacob-Böhme-Bund und die Magischen Blätter hier:  https://verlagmagischeblaetter.eu/

 

Gottes heiliger Tempel bist du

 

Foto: © wak

Die Pforte steht zwischen dem Draußen und dem Drinnen – zwischen Markt und Heiligtum – zwischen dem, was aller Welt gehört und dem Geweihten Gottes. Und wenn Einer durch sie hindurchgeht, dann spricht sie zu ihm: Lass draußen, was nicht hereingehört, Gedanken, Wünsche, Sorgen, Neugierde, Eitelkeit. Alles, was nicht geweiht ist, lass draußen. Mach dich rein, du trittst ins Heiligtum.

Wir sollten nicht eilfertig durch die Pforte laufen! Sollten mit Bedacht hindurchge­hen und unser Herz auftun, damit es vernehme, was sie spricht.

Aber die Pforte sagt noch mehr. Gib einmal acht: wenn du hindurchgehst, hebst du unwillkürlich Kopf und Augen. Der Blick steigt empor und weitet sich in den Raum. Die Brust tut sich auf – in der Seele wird es groß. Der hohe Kirchenraum ist ein Gleichnis der unendlichen Ewigkeit, des Himmels, wo Gott wohnt. Gewiss, die Berge sind noch höher, die blaue Weite draußen stiegt ins allem, engUnermessbare. Aber alles ist offen, ohne Grenze noch Gestalt. Doch hier aber ist der Raum für Gott aus­gesondert – für Ihn geformt, heilig durchbildet. Wir fühlen die aufsteigenden Pfeiler, die breiten Wände, die hohe Wölbung: Ja, das ist Gottes Haus, Gottes Wohnung in einer besonderen, geistlichen Weise. Die Pforte aber führt den Menschen in dieses Geheimnis: Sie sagt: Mach dich frei von allem, was eng und ängstlich ist. Wirf ab, was niederdrückt. Weite die Brust- hebe die Augen! Gottes Tempel ist dieses und ein Gleichnis deiner selbst, denn Gottes lebendiger Tempel bist ja du, dein Leib und deine Seele – mache ihn frei und hoch!

Romano Guardini (1885 -1968)

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Lebensfrage auf dem Gebiet des Geistes

Das Herz weitet sich in Gott

Wenn die Seele ihren Schöpfer schaut, wird ihr die ganze Schöpfung zu eng. Hat sie auch nur ein wenig vom Licht des Schöpfers erblickt, wird ihr alles Geschaffene verschwindend klein. Denn im Licht innerer Schau öffnet sich der Grund des Herzens, weitet sich in Gott und wird so über das Weltall erhoben. Die Seele des Schauenden wird über sich selbst hinausgehoben. Wenn das Licht Gottes sie über sich selbst hinausreißt, wird sie in ihrem Inneren ganz weit; wenn sie von oben hinabschaut, kann sie ermessen, wie klein das ist, was ihr unten unermesslich schien.

Gregor der Große (ca. 540 – 604) in: Vier Bücher der Dialoge über die Wunder der italischen Väter

Liebe weitet das Herz

Liebe strahlt in jeder ihrer Ausdrucksformen mit gleichem Wert.
Liebe zu unserem Partner, unseren Kindern, die Liebe zu Freunden und weit Entfernten, die Liebe zu den kleinen Dingen des Alltags und die Liebe zur Natur, die Liebe zu Gott und die Liebe der Erde zu uns – all das und noch viel mehr sind die Strahlen der großen Liebe.
Liebe ermöglicht unserem Herz sich zu weiten und alles was uns begegnet, sei es freudig oder schmerzlich mit unserem Herzen zu umschließen.

Pyar Rauch (*1960)