Wahrhaft schauendes Erleben

Foto: (c) wak

Entleertes, bilderloses Denken, ein klares Schauen im göttlichen Lichte und eine reine Entrückung des Geistes vor das Antlitz Gottes: diese drei zusammen bilden und erzielen das wahrhaft schauende Erleben, darin niemand sich irren kann. Der reine Geist nämlich neigt sich beständig zu dem verklärten Verstand und folgt ihm mit nackter Sehnsucht zu seinem Ursprung .

Jan van Ruysbroeck (1293 – 1381)

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Schauen ist ein Wissen weiselos

Foto: (c) wak

Schauen ist ein Wissen weiselos,
Das über der Vernunft bleibt allezeit.
Es kann sich zur Vernunft nicht neigen,
Und die Vernunft nicht zu ihm aufwärts steigen.

Verklärte Unweise ist ein Spiegel fein,
Darin Gott einstrahlt seinen ewigen Schein.
Unweise, die ist ohne Arten,
Darin alle Werke der Vernunft versagen.
Unweise ist Gott selber nit;
Doch ist sie das Licht, womit man sieht.

Die Unweisen wandeln im göttlichen Lichte,
Die sehen in sich eine große Wüste.
Unweise ist zwar über der Vernunft, doch ihrer nicht bar.
Verwundern ist hinieden,
Ohne Verwundern ist das schauende Leben.

Unweise sieht, aber sie weiß nicht was;
Es ist über allem, nich dies, nich das.
Jetzt muss ich das Reimen lassen bleiben,
soll ich das Schauen klar bechreiben.

Jan van Ruysbroek (1293 – 1381) im „Buch von den zwölf Beginen“

Jakob Böhme hat die Welt der Sefiroth noch einmal entdeckt

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In der Tat ist die Lehre Boehmes vom Ursprung des Bösen, die so viel Aufsehen gemacht hat, ganz kabbalistisch gedacht. Auch er kennt das Böse als ein dunkles und negatives Prinzip des Zornes in Gott, das im theosophischen Organismus des göttlichen Lebens freilich ewig ins Licht verklärt wird. Darüber hinaus kann nun überhaupt gesagt werden, daß unter allen christlichen Mystikern Jakob Boehme derjenige ist, dessen Denken gerade in seinen originellsten Antrieben die engste Affinität zur Kabbala aufweist, wobei man natürlich von den christlichen und alchemistischen Bildern absehen muß, in denen er seine Intuition mindestens teilweise auszudrücken suchte. Er hat die Welt der Sefiroth, wenn man so sagen darf, von sich aus noch einmal entdeckt.

Stark gekürztes Zitat aus: Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt/M. 1980

Das vollständige Zitat ist in längerer Form hier zu lesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH IV
CI. JAHRGANG WINTER 2020 / 2021
4. Quartalsausgabe November, Dezember, Januar
gebunden. ISBN-Nr. 978-3-948594-04-6

HEFT 10 | November 2020
TITELTHEMA: JACOB BÖHME

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

 

Schauen ist ein Wissen weiselos

 

Foto: © wak

Schauen ist ein Wissen weiselos,
Das über der Vernunft bleibt allezeit.
Es kann sich zur Vernunft nicht neigen,
Und die Vernunft nicht zu ihm aufwärts steigen.

Verklärte Unweise ist ein Spiegel fein,
Darin Gott einstrahlt seinen ewigen Schein.
Unweise, die ist ohne Arten,
Darin alle Werke der Vernunft versagen.
Unweise ist Gott selber nit;
Doch ist sie das Licht, womit man sieht.

Die Unweisen wandeln im göttlichen Lichte,
Die sehen in sich eine große Wüste.
Unweise ist zwar über der Vernunft, doch ihrer nicht bar.
Verwundern ist hinieden,
Ohne Verwundern ist das schauende Leben.

Unweise sieht, aber sie weiß nicht was;
Es ist über allem, nich dies, nich das.
Jetzt muss ich das Reimen lassen bleiben,
soll ich das Schauen klar bechreiben.

Jan van Ruysbroek (1293 – 1381) im „Buch von den zwölf Beginen“

Nackte Sehnsucht

Entleertes, bilderloses Denken, ein klares Schauen im göttlichen Lichte und eine reine Entrückung des Geistes vor das Antlitz Gottes: diese drei zusammen bilden und erzielen das wahrhaft schauende Erleben, darin niemand sich irren kann. Der reine Geist nämlich neigt sich beständig zu dem verklärten Verstand und folgt ihm mit nackter Sehnsucht zu seinem Ursprung .

Jan van Ruusbroec (1293 – 1381)

Sehnsucht zum Ursprung

Entleertes, bilderloses Denken, ein klares Schauen im göttlichen Lichte und eine reine Entrückung des Geistes vor das Antlitz Gottes: diese drei zusammen bilden und erzielen das wahrhaft schauende Erleben, darin niemand sich irren kann. Der reine Geist nämlich neigt sich beständig zu dem verklärten Verstand und folgt ihm mit nackter Sehnsucht zu seinem Ursprung.

Jan van Ruusbroec (1293 – 1381)