Das Gewand kann sich ändern, das Wesen bleibt

… Seit urältesten Zeiten gab es Weise, die, vom Urlicht durchleuchtet, zu Lehrern der Menschheit wurden. Töricht ist es, diese alten Meister zu verlachen und blindlings für Aberglauben zu erklären, was sie uns lehrten. Ebenso töricht ist es aber, uns gleichsam ihr Gewand zu borgen und Äußerlichkeiten ihres Gebahrens, soweit wir noch davon Kenntnis haben, nachahmen zu wollen. Eitlen Mummenschanz, schlechtes Theater treiben wir, wenn wir so handeln. Das ewige Licht leuchtete den alten Meistern und ihren Schülern ebenso, wie es uns heute leuchtet; wohl mögen auch sie von Vorgängern gewußt haben, deren leiseste Spur längst verwischt ist. Auch sie haben aufgenommen, was sie noch fanden, denn jeder wirklich Starke steht auf den Schultern seiner Vorgänger; nur der schwächliche Stümper ersehnt immerfort das „unerhört Neue“. Aber sie schritten vorwärts als Kinder ihrer Zeit, so wie wir als Kinder unserer Zeit fortschreiten sollen. Das Gewand kann sich ändern, das Wesen bleibt dasselbe.

Bô Yin Râs neuestes Buch: Das hohe Ziel von Felix Weingartner. In: Magische Blätter, Monatsschrift für geistige Lebensgestaltung, VI. Jahrgang 1925, S. 124-127, Talisverlag, Leipzig

Der vollständige Text von Felix Weingartner ist hier zu lesen:

MAGISCHE BLÄTTER, BUCH X
CIII. Jahrgang, Juli 2022, Heft 7 / Thema: MATERIALIEN ZUM FILM

Bestellt werden kann die Ausgabe hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Mehr hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/publikationsreihe/magische-bl%C3%A4tter-buchreihe

Sema: Gebetstanz der Derwische in Erfurt

Einladung für die Erfurter Sema-Veranstaltung

Wer immer fern von seinem Ursprung weilt, sucht nach der Zeit, da er mit Ihm noch eins war!“ Rumi

Von den Planeten unseres Kosmos bis zu den Elementarteilchen in Atomen, alles um uns dreht sich in ständiger Entwicklung und im Gedenken der Schöpfung. Reihen wir uns ein in dieses zentrierende Gebet erleben wir wie sich unser ganzes Sein auf die Einheit der Schöpfung ausrichten kann. Gemeinsam erkunden wir das Drehen im Gedenken Gottes wie es in der Tradition der Sufis seit Jahrhunderten praktiziert wird. Mit praktischen Übungen nähern wir uns diesem alten Wissen.

SEMA bedeutet auch Hören. Im Workshop wollen wir damit beginnen, uns im Lauschen auf die rituelle Musik mit den uralten Bewegungen der Stimme und des Körpers in Einklang zu bringen, die Drehbewegung zu erkunden, auf Spurensuche zu gehen.

Mit der internationalen Sufigruppe Tümata (Deutschland, Türkei)

Wann: 21. April 2022
Ort: Kapitelsaal der Predigerkirche Erfurt,
Predigerstrasse 4, 99084 Erfurt
Zeit: 16:00 – 18:30 Uhr Workshop
19:30 – 21:30 Uhr Sema

Info: Bequeme Kleidung und dicke Socken für den Workshop und den Sema mitbringen.

Teilnahme auf Spendenbasis / Kontakt: Tel.: 0176 2013 1098

Ungenannter Gott der Stummen des Himmels


In Wahrheit wissen wir von Tao ebenso wenig wie von logos, womit Tao gern wiedergegeben wird; wenn das Wort ursprünglich Weg bedeutet hat, so mag das ein Wandertitel für moralische Bücher gewesen sein, den wir im Orient wie im Abendlande oft finden. Was Lao-Tse und Tschuang-Tse dann in das Wort hineinlegten, war die uralte und immer noch lebendige Sehnsucht der Mystik, das Unaussprechliche mit einem Worte auszusprechen. Das Wort sagt nichts, durchaus nichts, was nicht die chinesischen Mystiker aus ihrer (genialischen oder überkommenen) Seelensituation hineingelegt, hineingeheimnißt haben. Das Wort ist nicht nur für das Abendland unübersetzbar, es ist auch für China positiv nicht definierbar, höchstens negativ zu umschreiben: es ist nach Buber (S. 105) das Unerkennbare, im Werden die Ungeschiedenheit, die Ungeschiedenheit auch im Sein, in den Dingen. Wer sich im Abendlande zum Taoismus bekennt, der bekennt sich zu einem suggestiv neuen Namen für den ungenannten Gott der Stummen des Himmels. Und nachdem ich eben zwischen Tao und unserem Gottesbegriff unterschieden habe, möchte ich jetzt hinzufügen, daß wir dennoch Tao religiös, fast theologisch wiedergeben könnten, wenn wir uns von der Sprache befreien und sagen wollten: »Das Gott«. Was wieder noch unpersönlicher mir klänge als etwa: »das Göttliche«.

Stichwort Tao in: Fritz Mauthner. Wörterbuch der Philosophie. Neue Beiträge zu einer Kritik der Sprache. Erste Ausgabe: München 1910. Hier nach der zweiten, vermehrten Auflage, Leipzig 1923

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

Foto: © wak

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke, 20.9.1899, Berlin-Schmargendorf

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen

rilke_leben

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

Rainer Maria Rilke, 20.9.1899, Berlin-Schmargendorf

Ich lebe mein Leben …

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehen.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang.

 
Rainer Maria Rilke (1875 – 1926)