Die Seele ist ein Weg, durch den Gott aus seinem Tiefsten in ihre Freiheit herauskommt; und Gott ist ein Weg, auf dem die Seele in ihre Freiheit herauskommt, d. h. in seinen Grund, an den nicht ohne der Seele Tiefe gerührt werden kann. Solange Gott noch nicht ganz der Seele gehört, kann er ihr auch noch nicht vollkommen genügen.
Hadewijch von Antwerpen (13. Jahrhundert) | Brief 18, 69–79
Die Seele ist eine Bodenlosigkeit, worin Gott sich selbst genügt, und sein eigenes Selbstgenügen findet sein vollstes Genießen in ihr und sie wiederum in ihm. Die Seele ist ein Weg, durch den Gott aus seinem Tiefsten in ihre Freiheit herauskommt; und Gott ist ein Weg, auf dem die Seele in ihre Freiheit herauskommt, d. h. in seinen Grund, an den nicht ohne der Seele Tiefe gerührt werden kann. Solange Gott noch nicht ganz der Seele gehört, kann er ihr auch noch nicht vollkommen genügen.
O Seele, suche dich in Mir, und, Seele, suche Mich in dir. Die Liebe hat in Meinem Wesen, Dich abgebildet treu und klar, kein Maler läßt so wunderbar, o Seele, deine Züge lesen.
Hat doch die Liebe dich erkoren als meines Herzens schönste Zier: bist du verwirrt, bist du verloren: o Seele, suche dich in Mir.
In meines Herzens Tiefe trage Ich dein Porträt, so echt gemalt; sähst du, wie es vor Leben strahlt, verstummte jede bange Frage.
Und wenn dein Sehnen mich nicht findet, dann such‘ nicht dort und such‘ nicht hier: gedenk, was dich im Tiefsten bindet, und Seele, suche Mich in dir.
Du bist mein Haus und meine Bleibe, bist meine Heimat für und für: Ich klopfe stets an deine Tür, daß ich kein Trachten von mir treibe.
Und meinst du, ich sei fern von hier, dann ruf Mich, und du wirst erfassen, daß Ich dich keinen Schritt verlassen: und, Seele, suche Mich in Dir.