Gott ließ allen Bergen Kunde geben,
daß Er auf ihnen sprechen wird.
Alle Berge haben sich darüber
stolz gefühlt und sich gebrüstet,
außer dem Berg Sinai,
und darum sprach Gott von ihm aus.
Fozeil Ayaz
Um den Dharma zu praktizieren, müsst ihr euren Geist zähmen:
Löscht die Flammen des Hasses mit dem Wasser der liebenden Güte.
Überquert den Fluss des Anhaftens auf der Brücke der wirkungsvollen Gegenmittel.
Erhellt die Dunkelheit der Unwissenheit mit der Fackel der Erkenntnis.
Rückt den Felsen des Stolzes mit dem Hebel des Mutes beiseite.
Schützt euch vor dem Wind der Eifersucht mit dem Gewand der Geduld.
Und da man im Allgemeinen seinen Geist dadurch zerstört, dass man den fünf Giften freie Hand lässt, lasst diese Gifte nicht nach Belieben schalten und walten: Dieser Punkt ist ganz besonders wichtig!
Padmasambhava (8. / 9. Jh.)
Wer nach dem SINN dem Menschenherrscher hilft,
zwingt nicht mit Waffen die Welt.
Seine Art ist es, den Rückzug zu lieben.
Wo Kämpfer geweilt, wachsen Disteln und Dornen.
Hinter den großen Heeren her kommt sicher böse Zeit.
Der Tüchtige will Entscheidung und nichts mehr.
Er wagt nicht Eroberung mit Gewalt.
Entscheidung, ohne sich zu brüsten,
Entscheidung, ohne sich zu rühmen,
Entscheidung, ohne stolz zu sein,
Entscheidung, weil’s nicht anders geht,
Entscheidung, ferne von Gewalt.
Sind die Geschöpfe stark geworden, altern sie.
Denn das ist Wider-SINN.
Und Wider-SINN ist nah dem Ende.
Laotse (ca. 6. Jh. v.u.Z.) in: Tao Te King. Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm. Jena 1911, S. 32
Absolute Wahrheit ist für den Sinnen-Menschen nicht, sie ist bloß für den Innern- für den Geist-Menschen, der ein eigenes Sensorium besitzet, oder pünktlicher zu sagen einen Inneren Sinn, um die absolute Wahrheit der transzendentalen Welt aufzunehmen, einen geistigen Sinn, der geistige Gegenstände so natürlich zur Objektivität benützt, als der äußere Sinn die äußern Gegenstände.
Dieser innere Sinn des Geistmenschen, dieses Sensorium einer metaphysischen Welt ist leider denen noch nicht bekannt, die außen sind, und ist ein Geheimnis des Reiches Gottes.
Karl von Eckartshausen (1752 – 1803) in: Die Wolke über dem Heiligtum oder Etwas, wovon sich die stolze Philosophie unseres Jahrhunderts nichts träumen lässt (1802)
Religion und Liebe beinhalten das Schema einer analog gebauten Utopie.
Sie sind jede für sich ein Schlüssel aus dem Käfig der Normalität.
Sie öffnen die Normalität auf einen anderen Zustand hin.
Die Köstlichkeit, die Symbolkraft, das Verführerische der Liebe
wächst mit ihrer Unmöglichkeit.
Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim
Und dennoch –
versuchen wir es.
Was bleibt uns anderes übrig?
Wir suchen
und wir finden
uns wieder
in einem du.
Wir überschreiten Grenzen.
Wir überschreiten uns selbst.
Wir transzendieren uns.
Wir transformieren uns.
Wir verwandeln uns.
Wir sehen die Welt
mit den Blicken
der Liebenden –
alles, alles annehmend,
verzaubernd,
vergebend.
Vergehend.
Wir lassen uns fallen.
Und wir fallen –
tief.
Und dennoch:
Versuchen wir es!
Stehen wir wieder auf,
erheben wir uns
über unseren Stolz,
über unser altes Selbst,
resignieren wir
nicht eine Sekunde lang!
Erheben wir uns
und einander!
Versuchen wir es!
25.1.2015
Hannah Buchholz
Quelle: Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim:
Das ganz normale Chaos der Liebe,
S. 231 und S. 9
Mehr Lyrik von Hannah Buchholz gibt es hier: https://hannahbuchholz.wordpress.com/