Das Zusehr, Zuviel, Zugroß meiden

Titel der Erstausgabe

Die Welt erobern und behandeln wollen,
ich habe erlebt, daß das mißlingt.
Die Welt ist ein geistiges Ding,
das man nicht behandeln darf.
Wer sie behandelt, verdirbt sie,
wer sie festhalten will, verliert sie.
Die Dinge gehen bald voran, bald folgen sie,
bald hauchen sie warm, bald blasen sie kalt,
bald sind sie stark, bald sind sie dünn,
bald schwimmen sie oben, bald stürzen sie.
Darum meidet der Berufene
das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß.

Laotse. Tao Te King. Das Buch des Alten vom Sinn und Leben. Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von Richard Wilhelm. Nr. 29 Vom Nichthandeln. Jena 1911, S. 31

Nichts anderes wollen und begehren

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Wenn ein starkes Gewitter in einem aufsteht, sollte sich der Mensch geradeso benehmen, wie die Leute tun, wenn ein Wetter heraufkommt, Regen und Hagel: sie fliehen unter ein Dach und warten, bis das Unwetter vorbei ist.
Geradeso soll sich der Mensch verhalten, wenn er aufrichtig in sich befindet, dass er nichts anderes will noch begehrt, ausser was Gottes ist.

Johannes Tauler (1300 – 1361)

Gottes lebendiger Tempel bist du

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Der hohe Kirchenraum ist das Gleichnis der unendlichen Ewigkeit, des Himmels, darinnen Gott wohnt. Wohl sind die Berge noch höher, unmeßbar die blaue Weite draußen. Doch  alles offen, keine Grenze darin und keine Gestalt. Hier aber ist der Raum für Gott ausgesondert. Für ihn geformt, heilig durchbildet. Wir fühlen in die ragenden Pfeiler hinauf, in die breiten, starken Wände, in die hohe Wölbung: Ja, das ist Gottes Haus, Gottes Wohnung in einer besonderen innerlichen Weise.

Und die Pforte führt den Menschen in dies Geheimnis. Sie sagt: „Wirf das Kleine ab, fort mit allem, was eng und ängstlich ist. Weg mit allem Niederdrückenden. Weit die Brust. Hinauf die Augen. Frei die Seele! Gottes Tempel ist dies, und ein Gleichnis von dir selbst. Denn Gottes lebendiger Tempel bist du ja, dein Leib und deine Seele. Mach ihn weit, mach ihn frei und hoch!“

Romano Guardini (1885 -1968) in: Von heiligen Zeichen. Mainz 1933, S. 32

Joseph Beuys 100

Vierte Umschlagseite des Buches „Zeige deine Wunde Kunst und Spiritualität bei Joseph Beuys“ von Rüdiger Sünner

Hier zum Buch http://www.europa-verlag.com/buecher/zeige-deine-wunde/

Hier geht es zum Film: http://www.ruedigersuenner.de/Beuysfilm.html

Trailer: https://www.youtube.com/watch?v=Vh6RUgKswYE

Das Nicht-Handeln üben

Die Bedeutenden nicht bevorzugen:
so verhütet man, daß die Leute streiten.
Schwer zu erlangende Güter nicht wert halten:
so verhütet man, daß die Leute zu Dieben werden.
Auf nichts Begehrenswertes sehen:
so verhütet man, daß das Herz sich verwirrt.
Also auch ist das die Ordnung des Berufenen:
Er macht ihr Herz leer und ihren Leib tüchtig.
Er macht ihr Begehren schwach und ihre Knochen stark.
Er sorgt stets, daß die Leute ohne Erkennen und ohne Begehren sind,
und daß jene »Erkennenden« nicht zu handeln wagen.
Das Nicht-Handeln üben:
so kommt alles in Ordnung.

Laotse (480 – 390 v.u.Z.)

Teilhabe am göttlichen Leben ermöglichen

Gedenktafel für Meister Eckhart (um 1260 – 1328) am Erfurter Predigerkloster | Foto: © wak

Das Schaffen Meister Eckharts gehört in den Kontext von Geistesentwicklungen, die mit folgenden Stichworten gekennzeichnet werden können:

– Frauenmystik, Beginentum
– Armutsstreit
– erwachende bürgerliche Frömmigkeit
– Spannung zwischen Kaiser und Papst, z.B. Ludwig der Bayer und Papst Johannes XXII in Avignon.

Eckhart als bedeutender Philosoph steht in der Tradition der arabischen Philosophie und ihrer Rezeption in der Hochscholastik. Eckhart als bedeutender Theologe schließt sich häufig an Augustinus an, ist aber auch von Dionysius Areopagita (6. Jh.) beeinflusst. Seine zentralen Themen sind die Schöpfung im Ursprung und die Gottesgeburt, sowie eine besondere Bildtheologie. Eckhart als spiritueller „Lebemeister“ erreicht es, auch „Ungelehrte“ in der Volkssprache zuinteressieren… Es gelingt ihm mit einer Sprache, die voller Bilder ist, andere, falsche Bilder abzulösen, auch mit der starken Wahrheitsergriffenheit des Predigers, und schließlich damit, dass in der Predigt ein besonderer Austausch entstand, der die Teilhabe am göttlichen Leben ermöglichte.

Leicht gekürzter Hinweis auf Meister Eckhart unter „Biographisches“ auf der Seite der Erfurter Predigergemeinde. Der vollständige Text findet sich hier: https://www.meister-eckhart-erfurt.de/biographisches/

Tao Te King: Vom Nichthandeln

Die Welt erobern und behandeln wollen,
ich habe erlebt, dass das misslingt.
Die Welt ist ein geistiges Ding,
das man nicht behandeln darf.
Wer sie behandelt, verdirbt sie,
wer sie festhalten will, verliert sie.
Die Dinge gehen bald voran, bald folgen sie,
bald hauchen sie warm, bald blasen sie kalt,
bald sind sie stark, bald sind sie dünn,
bald schwimmen sie oben, bald stürzen sie.
Darum meidet der Berufene
das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß.

29. Vom Nichthandeln – aus dem Tao Te King von Laotse (480 – 390 v.u.Z.)

Die Welt ist ein geistiges Ding

Foto: privat

 

Die Welt ist ein geistiges Ding,
das man nicht behandeln darf.
Wer sie behandelt, verdirbt sie,
wer sie festhalten will, verliert sie.

Die Dinge gehen bald voran, bald folgen sie,
bald hauchen sie warm, bald blasen sie kalt,
bald sind sie stark, bald sind sie dünn,
bald schwimmen sie oben, bald stürzen sie.

Darum meidet der Berufene
das Zusehr, das Zuviel, das Zugroß.

Laotse ( 6. Jh. v.u.Z.) im Tao-Tê-King

Seine Gedanken stillegen

Es sucht der Menschengeist im Außen alle Tage,
Je weiter er hinausgreift allerdings,
Desto stärker hemmt er sich selbst.
Jene allein, die einwärts schauen,
Können ihre Leidenschaften zügeln,
Und die Gedanken stillegen.
Kann man seine Gedanken stillegen
Dann wird der Sinn erfüllt mit heitrer Ruhe.
Den Sinn beruhigen heißt den Geist zu nähren,
Wer den Geist nährt, der kehrt zurück zum Wesen.

Chang Chung-yuan (1907-1988) in: Tao, Zen und schöpferische Kraft, Seiten 147/148 – Diederichs 1990

Aufmerksam geworden bin ich auf diesen Text in dem immer wieder neu bemerkenswerten Blog von Ralph Butler: https://daoweg.wordpress.com/2017/08/25/unbekannt-aber-von-chang-chung-yuan/

Mehr von Chang Chung-yuan hier: https://terebess.hu/zen/chang/chang_chung-yuan.html