Öffnung auf das Spirituelle hin

Herbert Falken, „o. T.“ (aus der Serie der Gitterköpfe), Tusche auf Bütten, 1993

Mystische Erfahrung liegt jenseits sprachlichen Ausdrucks, ist ur(gründig) eigene Erfahrung, primär nicht Mitteilung. So ist auch das unverständliche Reden ebenso ein Charakteristikum mystischer Erfahrung (z. B. Phänomene der Glossolalie oder das Stammeln des Jeremias nach der Begegnung mit Gott), wie es zugleich doch auch Ausdruck eines Mitteilungsbedürfnisses aus der Erregung heraus ist. In diesem Zwiespalt scheint eine eher schlichte poetische Ausdrucksform noch am ehesten geeignet, vom Unaussprechlichen Kunde zugeben. Dass die partielle Unberechenbarkeit des Aquarellauftrags, das immer wieder andere Aufsaugen der Farbe durch die Qualitäten des Papiers, und die Einfachheit der Formensprache der Gitterköpfe hier eine Entsprechung zur poetischen Ausdrucksweise bilden, scheint ebenso naheliegend wie die Entsprechung zum eremitisch / kontemplativen Ideal des Johannes vom Kreuz. Diese Gitterköpfe sind ganz in sich gekehrt, sie entbehren (fast immer) der Sinnesorgane, ja selbst des Körpers. Falkens Gitterköpfe ruhen losgelöst von Körper und Außenwelt in sich, bereit zur Öffnung auf das Spirituelle hin.

In: Das Ende der Nacht. Der Ausgang der Marge, dargestellt am Bild- Zyklus »Gitterköpfe« von Herbert Falken. In: Hartmut Kraft, Über innere Grenzen. Initiation in Schamanismus, Kunst, Religion und Psychoanalyse, München 1995, S. 305

Mehr zu Herbert Falken auf der zu seinem 90. Geburtstag gestalteten Seite, die auf Ausstellungen und Veranstaltungen hinweist: https://falken-wege.de/

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In Wahrheit kommen sie von Gott

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Wenn das Wasser nach einem Regen
durch die Rinnen vom Dach fließt,
sieht es aus,
als komme es aus dem Regenrohr,
aber eigentlich
fällt es vom Himmel.

Das gleiche Phänomen läßt sich
bei den Religionslehren
der Heiligen beobachten.
Es sieht aus,
als stammten diese Lehren von ihnen,
aber in Wahrheit
kommen sie von Gott.

Ramakrishna (1836 – 1886)

Große Vollkommenheit

Pyar Rauch in einem Beitrag im „Wegweiser-Magazin“ unter der Überschrift „Umwelt-Bewusstsein“. Mehr hier: https://wegweiser-magazin.de/wp-content/uploads/2019/07/WW-04-2019.pdf

Wovon der Mystiker überwältigt wird

Foto: © wak

Wie können wir den Mystiker denn ganz allgemein und so umfassend wie möglich charakterisieren? Er ist jemand, der auf überwältigende Weise die Anwesenheit erfährt von etwas, das ihn selbst übersteigt und viel wichtiger ist als alles, was man durchweg als Wirklichkeit betrachtet. Das menschliche Universum – die Welt, in der wir leben, und die uns so selbstverständlich und solid erscheint – wird für den Mystiker zu einer durchsichtigen Bühnenwand, weil sich ihm eine andere, endgültige Wirklichkeit anmeldet. Und diese Wahrnehmung einer unvergleichlichen Gegenwärtigkeit ist von einem komplementären psychologischen Phänomen begleitet: der Mystiker fühlt seine normale Ichheit verschwinden. Seine Persönlichkeit – das ist die bestimmte, je eigene Weise, in der man seine Existenz vollzieht – verliert ihre Umrisse. Die Abgeschlossenheit des Menschen, der „er selber ist“, wird bei ihm durchbrochen, seine Einsamkeit wird aufgehoben.

Paul Mommaers in: Was ist Mystik? Frankfurt/M. 1996, S 24

Wie können wir den Mystiker charakterisieren?

VorHang© Foto: wak

Wie können wir den Mystiker denn ganz allgemein und so umfassend wie möglich charakterisieren? Er ist jemand, der auf überwältigende Weise die Anwesenheit erfährt von etwas, das ihn selbst übersteigt und viel wichtiger ist als alles, was man durchweg als Wirklichkeit betrachtet. Das menschliche Universum – die Welt, in der wir leben, und die uns so selbstverständlich und solid erscheint – wird für den Mystiker zu einer durchsichtigen Bühnenwand, weil sich ihm eine andere, endgültige Wirklichkeit anmeldet. Und diese Wahrnehmung einer unvergleichlichen Gegenwärtigkeit ist von einem komplementären psychologischen Phänomen begleitet: der Mystiker fühlt seine normale Ichheit verschwinden. Seine Persönlichkeit – das ist die bestimmte, je eigene Weise, in der man seine Existenz vollzieht – verliert ihre Umrisse. Die Abgeschlossenheit des Menschen, der „er selber ist“, wird bei ihm durchbrochen, seine Einsamkeit wird aufgehoben.

Paul Mommaers in: Was ist Mystik? Frankfurt/M. 1996, S 24