Wahre Gemeinschaft aller Wesen

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Die Barmherzigkeit des Westens war die soziale Revolution, die Barmherzigkeit des Ostens war die individuelle Einsicht in das grundlegende Selbst bzw. die Leere. Wir brauchen beides. Sie sind beide in den traditionellen drei Aspekten des Dharma-Pfades enthalten: Weisheit ( prajna ), Meditation ( dhyana ) und Moral ( sila ). Weisheit ist intuitives Wissen über den Geist der Liebe und Klarheit, der hinter den vom Ego getriebenen Ängsten und Aggressionen liegt. Meditation bedeutet, in den Geist zu gehen, um dies selbst zu sehen – immer und immer wieder, bis es der Geist wird, in dem man lebt. Moral bedeutet, dies in der Art und Weise, wie man lebt, durch persönliches Beispiel und verantwortungsbewusstes Handeln wieder zum Vorschein zu bringen, letztlich in Richtung der wahren Gemeinschaft ( Sangha ) „aller Wesen“.

Gary Snyder (* 1930)

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Menschen der göttlichen Zeit

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Die wahren Menschen
der göttlichen Zeit
hatten während des Schlafens
keine Träume,
beim Erwachen
keine Angst.
Ihre Speise war einfach,
ihr Atem tief.

Ernst Weiß (1882 -1940) in seinem Essay „Mozart, ein Meister des Ostens

https://www.projekt-gutenberg.org/weisse/essay/chap006.html

Dschuang Dsi: Mystik des aufblühenden Lotus

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Die Lehre des Dschuang Dsi ist groß, sie ist umfassend und mehr als das, sie ist beglückend. Sie erfaßt die Welt und vernichtet sie nicht. Sie erkennt das Böse und leugnet es nicht. Sie weiß, daß der Mensch böse ist von Urbeginn, und glaubt doch an ihn, denn was wäre der Sinn des Lebens eines Weisen, wenn nicht die Erziehung? Sie begnügt sich nicht mit der sichtbaren Welt, die zu ermessen und zu messen ist, sondern er nimmt mystischen Aufschwung in das unbegrenzte und nie zu ermessende Reich. Aber das ist keine Mystik des müden Unterganges, sondern die des aufblühenden Lotus, der aufgehenden Sonne, des aufrauschenden, unbeschreiblich mächtigen, unbeschreiblich freudigen Vogels Rockh.

Das höchste und tiefste, das dieser Mensch der Vorzeit uns zu geben hat, ist eben diese Vereinigung des Tiefsten mit dem Höchsten. Es ist eine Religion der Versöhnung, nicht auf dem Boden eines Dogmas, also auch nicht auf dem Boden des ewig unerfüllbaren: Liebet einander, sondern durch den Weg, den er jedem zu (seinem) innersten Erlebnis, zum Sinn des Lebens führen will. Dann gehen alle Farben ein in den unwandelbaren Regenbogen der Vereinigung. Er ist der einzige Weltgelehrte, der die Weltanschauung nicht durchsetzen, sondern alle Weltanschauungen zur Ruhe bringen will. Keine Zeit konnte so dürsten nach der Ruhe und der Vereinigung wie die unsere. Und unsere Zeit, kann man ihr auch nachsagen, wieviel man will und wieviel sie verdient, sie hat viel gelitten; und hier, in der Freude des lichten Ostens, könnte sie Heilung finden; wenn irgendwie und irgendwo, so im südlichen Blütenland.

Ernst Weiß  (1882 – 1940) in seinem Essay „Von Chinas Göttern“

Es gibt keine Lehre für dich…

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Es gibt keine Lehre für dich, um daran zu kauen oder sich darüber zu hocken. Wenn du nicht an dich selbst glaubst, nimmst du dein Bündel und machst die Runde vor anderer Leute Häuser, nach Zen und Tao zu suchen. Du suchst nach Mysterien, nach Wundern, nach Buddhas, nach Zenmeistern und Lehrern. Du meinst, das sei Suchen nach dem Höchsten, und du machst es zu deiner Religion, aber das gleicht einem Rennen nach Osten, um etwas zu bekommen, was im Westen liegt.

Meister Youansou (14. Jahrhundert)

Im Osten wohnt das Licht

Im Osten, im Herzen Asiens, wurde das Messer des Gedankens am schärfsten geschliffen.

Hier aber waren auch schon vor Jahrtausenden die Großen, die über allem Denken den klaren Weg zur Wahrheit fanden, der Wahrheit, die nichts anderes als absolute Wirklichkeit ist, und nichts zu tun hat mit gedanklichen Erkenntnisbildern, in denen man gemeinhin das, was man „die Wahrheit” nennt, zu haben glaubt.

Unter hoher Leitung fanden jene ersten der „Brüder auf Erden” Weg und Ziel . . .

Seitdem unterweisen sie und ihre Nachfolger die Suchenden, die dazu „reif” befunden werden, im Geiste durch den Geist.

Sie haben „den heiligen Schutzwall des Schweigens”  um ihre Vereinigung gezogen, und nur der findet Zutritt zu ihnen, den sie im Geiste als „reif ” erkennen, ein Erkennender im Geiste zu werden.

Bô Yin Râ (1876 – 1943) in: Das Buch vom lebendigen Gott, Seiten 291-298

Der vollständige Beitrag von Bô Yin Râ ist hier zu lesen:

MAGISCHE BLÄTTER, BUCH IX
CIII. Jahrgang, April 2022, Heft 4 / Thema: Film

Bestellt werden kann die Ausgabe hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Mehr hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift-magische-bl%C3%A4tter

Botschaft der Liebe

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Die Behauptung von Schweitzer, Steiner und Martinus, die vorchristliche asiatische Geisteslehre sei der christlichen unterlegen, weil ihr die Botschaft der Liebe fehle, ist einfach nicht richtig. Diese Behauptung hätte niemals aufgestellt werden können, wenn diese drei Männer einige Zeit in Asien selbst verbracht hätten, um die klassischen Texte zu studieren und unter den gelehrten Gelehrten zu lernen. Sie basierte höchstwahrscheinlich auf der Aussage von Jesus: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe.“ Für die Israeliten, an die diese Worte gerichtet waren, galt das lieblose Gesetz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. Was Jesus lehrte, war sicherlich neu für sie, aber nicht für Asien. Buddha und Krishna, Lao Tzu und Konfuzius hatten es schon lange vorher gelehrt.

Paul Brunton (1898 – 1981) in: Das Christentum und der Osten. Gefunden habe ich diese Gedanken hier: https://www.paulbrunton.org/notebooks/15/7#section3

Einen harmonischen Seinszustand erreichen

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Die orientalischen Tänze haben – religiös, mystisch und wissenschaftlich – nichts von ihrer tiefen Bedeutung eingebüßt, die ihnen in längst vergangener Zeit innewohnte. Heilige Tänze waren immer eines der wichtigsten Themen, die in esoterischen Schulen des Ostens gelehrt wurden. Diese Gymnastik hat ein doppeltes Ziel: Zum einen enthält und zeigt sie eine gewisse Form von Wissen, zum anderen dient sie gleichzeitig als Mittel, um einen harmonischen Seinszustand zu erreichen. […] In jener frühen Zeit diente Kunst dem Zweck eines höheren Wissens und der Religion. […] Alter heiliger Tanz ist nicht einfach ein Medium für eine ästhetische Erfahrung, sondern sozusagen auch ein Buch, das […] ein ganz bestimmtes […] Wissen enthält. Aber es ist ein Buch, das nicht alle lesen können, die dies möchten.

Der ganze Beitrag „Die Vorgeschichte der Bewegungen“ von Roger Lipsey zu Georges Gurdjieff (1866 -1949) kann hier nachgelesen werden:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VII
CII. Jahrgang Oktober 2021 Heft 10, Thema: DIE MUSIKALISCHE DIMENSION DES JAKOB-BÖHME-BUNDES

Mehr hier:

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Wirklich aber nicht wahr

Impression von der Raketenstation HombroichFoto: © wak

Im Osten und im Westen gibt es einen Unterschied in der Definition der Wahrheit. In der westlichen Philosophie ist Wahrheit das Äquivalent des Wirklichen, Im Osten ist Wahrheit das Äquivalent des Ewigen. Denn im Osten sagen wir, selbst das Momentane ist wirklich – wirklich für den Augenblick – aber nicht wahr, weil es nicht ewig ist. Es ist nur ein Widerschein. Der Widerschein ist ebenfalls wirklich! Du siehst den Mond am Himmel und sein Spiegelbild auf dem See – das Spiegelbild ist ebenfalls wirklich, denn es ist da!

Rajneesh Chandra Mohan Jain (1931 – 1990)

Du bist der Herzknoten mir

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In meinem Herzen kreisen
alle Gedanken um Dich,
nichts anderes spricht die Zunge
als meine Liebe zu Dir.

Wenn ich nach Osten mich wende,
strahlst Du im Osten mir auf.
Wenn ich nach Westen mich wende,
stehst vor den Augen Du mir.

Wenn ich nach oben mich wende,
bist Du noch höher als dies.
Wenn ich nach unten mich wende,
bist Du das Überall hier.

Du bist, der allem den Ort gibt,
aber Du bist nicht sein Ort.
Du bist in allem das Ganze,
doch nicht vergänglich wie wir.

Du bist mein Herz, mein Gewissen,
bist mein Gedanke, mein Geist,
Du bist der Rhythmus des Atems,
du bist der Herzknoten mir.

Husain ibn Mansur al-Halladsch (857-913)

Licht des Himmels und der Erde

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Gott ist das Licht des Himmels und der Erde,
Das Gleichnis seines Lichtes ist
Wie eine Nisch’, in welcher eine Leuchte,
Die Leuchte ist in einem Glas,
Das Glas ist wie ein funkelnder Stern,
Die angezündet ist vom Segensbaume,
Dem Oelbaum nicht aus Osten noch aus Westen;
Das Oel fast selber leuchtet, wenns
Auch nicht berührt die Flamme;
Licht über Licht – Gott leitet
Zu seinem Lichte, wen er will:
Gott aber prägt die Gleichnisse den Menschen,
Und Gott ist jedes Dings bewusst.

Übertragung der Lichtvers genannten Koran-Sure 24,35 durch Friedrich Rückert (1788 – 1866)