Thomas Merton in der Abtei Gethsemane / Bild Archiv
Wir werden nie in der Lage sein, vollkommenen inneren Frieden und Sammlung zu finden, solange wir nicht innerlich sogar vom Wunsch nach Frieden und Sammlung frei sind. Wir werden nie auf vollkommene Weise beten können, solange wir nicht innerlich von der Freude frei sind, die uns das Gebet macht.
Wenn wir alle diese Wünsche lassen und nur eines suchen, nämlich Gottes Willen, schenkt er uns mitten in unsere Mühen, Konflikte und Prüfungen hinein Sammlung und Frieden.
Alle, die du in deine Arme schließt, Herr, ziehst du doch fest an dein Herz. Dein Herz ist das süße Manna, Gott, den du, Jesus, in deiner Weisheit in dir trägst wie in einem goldenen Krug. Selig sind alle, die deine Umarmung zu diesem Manna zieht, selig alle, die du in diesem verborgenen Geheimnis mitten in deinem Herzen geborgen sein lässt.
Wilhelm von Saint-Thierry (* zwischen 1075 und 1080 – 1148)
Der Seelsorger Eckhart kämpft lebenslänglich und in fast jeder Predigt gegen dieses Sekuritätsbedürfnis: Greift nicht so gierig nach Gott! Alles Jagen und Rennen nach Gnadenmitteln, Sakramenten, Messen, Wallfahrten, guten Werken nützt euch nichts, wenn ihr diese Sucht nicht aufgebt, wenn ihr nicht gelassen ausgeht aus eurem engen, ängstlichen und gierigen Ich, wenn ihr nicht auf den Genuß der Dinge, der Welt verzichtet und dann Gott hereinlaßt in den Raum, den ihr ihm erst freimachen müßt. Der Mensch der Gegenwart lächelt über das metaphysische Sekuritätsbedürfnis des mittelalterlichen Menschen und übersieht dabei, daß das „neurotische Sicherheitsbedürfnis“ des modernen Menschen, sein Sicherheitswahn mindestens ebenso lebensgefährlich und lebensgefährdend ist wie die Sicherheitsneurose des Mittelalters. Soziologen …, Politiker …, Theologen aller Konfessionen heute…, haben im gegenwärtigen neurotischen Sicherheitsbedürfnis der Massen, der Völker, der Politiker, der Gewerkschaftsführer, der Kirchenmänner die schwerste Bedrohung des Weltfriedens und des inneren Friedens festgestellt. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind nur noch schwieriger geworden, seitdem sich das Verlangen nach totaler Sicherheit vom Himmel auf die Erde verlagert hat. Der totale Staat, die totalitären Ideologien, die harten und „weichen“ Methoden der Gleichschaltung, die Bedrohung der Freiheit, die immer weiter gehende Liquidierung der Freiheitsräume und Freiheitszeiten: das alles wurzelt im Heilsheischen des heutigen Menschen, der vor dem Risiko, vor dem Leben in der Unsicherheit flieht. Meister Eckharts echte Gegenwartsbedeutung beruht nicht zuletzt auf seinem seelsorgerischen Bemühen, seinen Brüdern und Schwestern Gelassenheit zu lehren: ein Leben gottfroh, ja gottselig mitten in den schrecklichen Unsicherheiten seiner Zeit.
MeisterEckhart. Predigten und Schriften. Ausgewählt und eingeleitet von Friedrich Heer, Frankfurt/M. 1956, S. 21-22
Das für unsere Kultur relevante Symbol der Einheit von Gottesliebe und Solidarität ist Christus. Leben wie Christus gelebt hat, „gesinnt sein wie er war“ (Phil 2, 5) bedeutet die konsequente Weigerung, die Gottheit „Fatum“, die uns einredet, „so ist es eben, so war es immer“, an irgendwelchen Stellen des Lebens weiter anzubeten. Es bedeutet die Hinreise zur Entäußerung und Hingabe des Ich und die Rückreise mitten in diese Welt. Es bedeutet sterben lernen und auferstehen. Statt auferstehen können wir auch sagen: die Rückreise aus einer Art Tod in das Leben antreten.
Dorothee Sölle (1929 – 2003) in: Die Hinreise, Stuttgart 1975
In allem spirituellen Leben ist in erster Linie das innere Leben wichtig. Der spirituelle Mensch lebt stets in seinem Innern. In einer Welt der Unwissenheit, die ihre Umwandlung verweigert, muß er sich in gewissem Sinn von dieser absondern und sein inneres Leben gegen das Eindringen und den Einfluß der dunkleren Mächte der Unwissenheit schützen. Er steht außerhalb der Welt, selbst wenn er mitten in ihr ist. Wirkt er auf sie ein, so geschieht das von der Burg seines inneren spirituellen Wesens aus, wo er im innersten Heiligtum eins ist mit dem höchsten Sein, wo allein seine Seele und Gott beieinander sind. Das gnostische Leben ist ein inneres Leben, in dem der Gegensatz von innen und außen, von Selbst und Welt, versöhnt und überwunden sein wird. Das gnostische Wesen wird in Wahrheit ein inneres Sein besitzen, in dem es mit Gott allein ist, eins mit dem Ewigen, selbst-versunken in die Tiefen des Unendlichen, in Kommunion mit dessen Höhen und mit den erleuchteten Abgründen seines Geheimnisses. Nichts wird es in diesen Tiefen stören oder in sie eindringen können; nichts wird es von diesen Höhen herabziehen können, weder die Inhalte der Welt, noch sein Wirken, noch alles, was ihn umgibt. Das ist der Aspekt der Transzendenz spirituellen Lebens. Für die Freiheit des Geistes ist er notwendig.
Aurobindo (1872- 1950) über den „gnostischeen Menschen“