Die Zeit in west-östlicher Religionsbegegnung

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Wenn die Zeit der Erzfeind des Menschen und alles Bestehenden ist, dann fordert der Westen diesen Feind heraus. Er nimmt die Zeit tief in sich hinein, gebunden wird er selbst Zeit. Folglich begehrt er auf, entweder gewinnt er eine versöhnende religiöse Position, oder er wird ein Opfer metaphysischer Ungewißheiten. Sein Denkmodell macht ihn jedenfalls zum geborenen Rebellen.

Der östliche Mensch hütet sich gerade davor, die Zeit herauszufordern. Darum kann er ergeben, distanziert und konzentriert bleiben. Wie kann man das Sein lieben, an ihm und seiner Fülle zu partizipieren entschlossen sein, so argumentiert er, wenn man sich mit seiner unwesentlichsten Seite, seiner Zeitlichkeit am meisten herumschlägt?

Otto Wolff (1911 – 1986): Die fundamentale Wende in der west-östlichen Religionsbegegnung. In: Wilhelm Bitter (Hrsg), Abendländische Therapie und östliche Weisheit. Ein Tagungsbericht. S. 69 – 70

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Den Geist mit Licht und Heiterkeit überfluten

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Alle Wirklichkeit, die es gibt, alle Güte des Existierenden und Guten … können wir in einer einzigen metaphysischen Intuition des Seins und des Guten an sich geistig kosten und genießen.

… Dabei werden das Sein und die Güte, an denen alle Einzeldinge teilhaben, in einer einzigen lichtvollen Intuition erfasst, die unseren ganzen Geist mit Licht und Heiterkeit überflutet. Diese Intuition ist etwas so Gewaltiges, dass die heidnischen Philosophen sie für die höchste Seligkeit hielten, welche der Mensch je mit seinen natürlichen Kräften allein erlangen kann.

Thomas Merton (1915 – 1968) über Erleuchtung in seinem Buch „Aufstieg zur Wahrheit“, Einsiedeln 1952, S. 182 – 183

Geheimnis des Reiches Gottes

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Absolute Wahrheit ist für den Sinnen-Menschen nicht, sie ist bloß für den Innern- für den Geist-Menschen, der ein eigenes Sensorium besitzet, oder pünktlicher zu sagen einen Inneren Sinn, um die absolute Wahrheit der transzendentalen Welt aufzunehmen, einen geistigen Sinn, der geistige Gegenstände so natürlich zur Objektivität benützt, als der äußere Sinn die äußern Gegenstände.

Dieser innere Sinn des Geistmenschen, dieses Sensorium einer metaphysischen Welt ist leider denen noch nicht bekannt, die außen sind, und ist ein Geheimnis des Reiches Gottes.

Karl von Eckartshausen (1752 – 1803) in: Die Wolke über dem Heiligtum oder Etwas, wovon sich die stolze Philosophie unseres Jahrhunderts nichts träumen lässt (1802)

Ein kostbarer, noch zu hebender Schatz…

…Ich verehre Simone Weil, sie ist eine geistige Riesin, anders kann ich es nicht sagen – ihre Cahiers, ihre Essays und ihr letzter, unvollendeter Text „Die Einwurzelung“ sind monumentale Arbeiten, die noch nicht wirklich ausgeschöpft sind, ähnlich wie die Schriften Jacob Böhmes. Sie war politisch aktiv, arbeitete in Fabriken und lehrte an Universitäten, und sie hat auf ihrer Suche die gesamte metaphysische Weltliteratur studiert und analysiert und ihre wahrhaft radikalen Folgerungen daraus gezogen. Sie ist für mich, wie Jacob Böhme, ein kostbarer, noch zu hebender Schatz, eine eigentlich zukünftige Gestalt…

In: Der Mensch ist ein Doppelagent. Fragen von Marcelle De Michiel an Ronald Steckel

Erschienen in: „Magische Blätter“ CI. Jahrgang, Februar 2020, Heft 1. Mehr hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/

alkoholundspirit – Stand der Dinge 01/2018

Inzwischen sind Drogen als deus ex machina erschienen, um dem sich selbst bewussten kartesianischen Bewusstsein die Möglichkeit zu geben, sein Selbst-Bewusstsein noch weiter auszudehnen, indem es scheinbar aus sich herausgeht. Mit anderen Worten: Die Drogen haben dem sich selbst bewussten Selbst einen Ersatz für metaphysische und mystische Transzendenz des Selbst geliefert. Vielleicht auch einen Ersatz für Liebe? Ich weiß es nicht.

Thomas Merton in „Weisheit der Stille – Die Geistigkeit des Zen und ihre Bedeutung für die moderne christliche Welt“. Bern/München 1975, S. 33

Das Zitat ist jetzt hinzugefügt unter der Rubrik „Gebete, Mantren, Inspirationen“ auf der Seite alkoholundspirit.wordpress.com

https://alkoholundspirit.wordpress.com/0-1-stand-der-dinge/

 

Greift nicht so gierig nach Gott!

Der Seelsorger Eckhart kämpft lebenslänglich und in fast jeder Predigt gegen dieses Sekuritätsbedürfnis: Greift nicht so gierig nach Gott! Alles Jagen und Rennen nach Gnadenmitteln, Sakramenten, Messen, Wallfahrten, guten Werken nützt euch nichts, wenn ihr diese Sucht nicht aufgebt, wenn ihr nicht gelassen ausgeht aus einem engen, ängstlichen und gierigen Ich …
Der Mensch der Gegenwart lächelt über das metaphysische Sekuritätsbedürftnis des mittelalterlichen Menschen und übersieht dabei, dass das „neurotische Sicherheitsbedürfnis“ des modernen Menschen, sein Sicherheitswahn, mindestens ebenso lebensgefährlich und lebensgefährdend ist.

Friedrich Heer (1916 – 1983)

Umwandlung des „Seelengrundes“

Welches ist metaphysisch, ontologisch der Zustand des Menschen im Zustand der heiligmachenden Gnade? Es ist die Umwandlung des “Seelengrundes”. Die Bezeichnung Seelengrund wird von Eckhart und im Anschluss an ihn von seinen Schülern, besonders von Tauler, ständig gebraucht. Das Wort geht zurück auf Platon, der von den göttlichen Seelengründen (Gerechtigkeit, Wahrheit, Gutheit) spricht.

Die mittelalterlichen Mystiker sprechen sowohl vom göttlichen Grund als auch vom Seelengrund. In Gott gibt es keine Teile; daher ist mit dem göttlichen Grund Gott selbst gemeint. Aber dieses Wort hat bei Eckhart auch eine spezifische Bedeutung.

Mit dem Seelengrund des Menschen ist das eigentliche tiefste Wesen des Menschen gemeint. Die Umwandlung des Seelengrundes bedeutet also eine Umwandlung des Menschen in seinem tiefsten Wesen. Die Umwandlung durch die Gnade besteht demnach nicht in äußeren Werken und nicht in einem  Gesinnungswandel des Menschen; sie können höchstens die Folgen der Umwandlung sein, die im Seelengrund stattfindet, noch können sie die Rechtfertigung des Menschen ausmachen. Ohne die Umwandlung im Seelengrund sind sie wertlos, in Eckharts Sprache nur iustitia civilis, die allein nicht genügt. Diese Umwandlung im Seelengrund ist der Sinn der Wiedergeburt durch die Gnade, die wir durch Christus erlangen. Erst wenn das geschehen ist, sind wir wirklich “wesentlich” gut.

Hugo Makibi Enomiya-Lassalle (1898 – 1990)