Das Nicht-Handeln üben

Die Bedeutenden nicht bevorzugen:
so verhütet man, daß die Leute streiten.
Schwer zu erlangende Güter nicht wert halten:
so verhütet man, daß die Leute zu Dieben werden.
Auf nichts Begehrenswertes sehen:
so verhütet man, daß das Herz sich verwirrt.
Also auch ist das die Ordnung des Berufenen:
Er macht ihr Herz leer und ihren Leib tüchtig.
Er macht ihr Begehren schwach und ihre Knochen stark.
Er sorgt stets, daß die Leute ohne Erkennen und ohne Begehren sind,
und daß jene »Erkennenden« nicht zu handeln wagen.
Das Nicht-Handeln üben:
so kommt alles in Ordnung.

Laotse (480 – 390 v.u.Z.)

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Der Sufismus oder die Mystik

Der Sufismus oder die Mystik

  1. ist die Essenz alles Wissens.
  2. Er ist die Reinigung des Herzens und der Seele.
  3. Er ist das Vereintwerden mit Gott.
  4. Er ist das Wegnehmen der Schleier zwischen Mensch und Gott.
  5. Er ist die Bemeisterung der Gegenwart und die Sicherung der Zukunft.
  6. Er ist die Aufopferung der Ichheit.
  7. Er ist der Verzicht auf die Güter beider Welten.
  8. Er ist das innere Sichfinden, das innere Lauschen und das innere Entzücken.
  9. Er ist die Einweihung im Tempel der Wahrheit.
  10. Er ist die Entzündung des Gottesfunkens im Herzen.
  11. Er ist das Verzichten auf die Selbstüberhebung und Selbstanbetung.
  12. Er ist der Führer zur Einheit.
  13. Er ist das Schließen der Augen für alles außer Gott.
  14. Er ist das Nichtsein in sich und das Da-Sein in Gott,
  15. Er ist das Aufheben des Vorhanges der Geheimnisse Gottes.
  16. Er ist das Erlöstsein vom Ich und das Vereintsein mit dem Du.
  17. Er ist das Nichtsein, das alles Dasein umschließt.
  18. Er ist das Sichselbstbeschauen der Seele im Spiegel der göttlichen Liebe.
  19. Er ist das Schweigen der Vergänglichkeit und das Reden der Ewigkeit im Menschen.
  20. Er ist das Sterben, welches das ewige Leben in sich trägt.
  21. Er ist das Empfinden des Erlöstseins vom Dasein und vom Nichtdasein.

Iranschähr, Hossein Kazemzadeh (1884 -1962): Leben und Sprüche der Sufi-Meister des Islams,, Berlin 1934, S. 11-12

 

 

Meine Seele sieht das Land der Freiheit

Foto: © wak

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
meine Seele erhebt den Herren
und mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen
siehe von nun an werden mich seligpreisen alle
Kindeskinder

Heute sagen wir das so
meine Seele sieht das Land der Freiheit
und mein Geist wird aus der Verängstigung
herauskommen die leeren Gesichter der Frauen
werden mit Leben erfüllt
und wir werden Menschen werden
von Generationen vor uns, den Geopferten, erwartet

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
denn er hat grosse Dinge an mir getan, der da mächtig
ist und dessen Name heilig ist
und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu
Geschlecht

Heute sagen wir das so
die grosse Veränderung, die an uns und durch uns
geschieht wird mit allen geschehen – oder sie bleibt aus
Barmherzigkeit wird geübt werden, wenn die
Abhängigen das vertane Leben aufgeben können
und lernen, selber zu leben.

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
er übt Macht mit seinem Arm und zerstreut
die Hochmütigen
er stösst die Gewaltigen von ihren Thronen
und die Getretenen richtet er auf

Heute sagen wir das so
wir werden unsere Besitzer enteignen und über die,
die das weibliche Wesen kennen,
werden wir zu lachen kriegen
die Herrschaft der Männchen über die Weibchen wird
ein Ende nehmen
aus Objekten werden Subjekte werden
sie gewinnen ihr eigenes besseres Recht.

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
Hungrige hat er mit Gütern gefüllt
und die Reichen leer hinweggeschickt
er denkt der Barmherzigkeit und hat sich Israels
seines Knechts angenommen.

Heute sagen wir das so
Frauen werden zum Mond fahren und in den Parlamenten entscheiden
ihre Wünsche nach Selbstbestimmung werden in
Erfüllung gehen
und die Sucht nach Herrschaft wird leer bleiben
ihre Ängste werden gegenstandslos werden
und die Ausbeutung ein Ende haben.

Dorothee Sölle (1929 – 2003)

Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen, sondern erwarten

Simone Weil im Jahr 1921 / Bild: wikimedia, gemeinfrei

Die Aufmerksamkeit besteht darin, sein Denken zu umgehen, den Geist verfügbar, leer und für den Gegenstand durchlässig zu halten, die verschiedenen bereits erworbenen Kenntnisse, die man zu nutzen genötigt ist, in sich dem Geist zwar nahe und erreichbar, doch auf einer tieferen Stufe zu erhalten, ohne dass sie den Geist berührten. Der Geist soll hinsichtlich aller eigenen und schon ausgeformten Gedanken wie ein Mensch auf einem Berg sein, der vor sich hinblickt und gleichzeitig unter sich – jedoch ohne hinzusehen – viele Wälder und Ebenen wahrnimmt. Und vor allem soll der Geist leer sein, wartend, nichts suchend, aber bereit, den Gegenstand, der in ihn eingehen wird, in seiner nackten Wahrheit aufzunehmen. Die kostbarsten Güter soll man nicht suchen, sondern erwarten. Denn der Mensch kann sie aus eigenen Kräften nicht finden, und wenn er sich auf die Suche nach ihnen begibt, findet er statt ihrer falsche Güter, deren Falschheit er nicht zu erkennen vermag.

Simone Weil (1909 – 1943) in: Schwerkraft und Gnade, München 1952

Gefunden habe ich diesen Gedanken von ihr hier: http://www.marschler.at

Dorothee Sölle: Magnificat

mariahimmelfahrt

Foto: © wak

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
meine Seele erhebt den Herren
und mein Geist freut sich Gottes meines Heilandes
denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen
siehe von nun an werden mich seligpreisen alle
Kindeskinder

Heute sagen wir das so
meine Seele sieht das Land der Freiheit
und mein Geist wird aus der Verängstigung heraus-
kommen
die leeren Gesichter der Frauen werden mit Leben er-
füllt
und wir werden Menschen werden
von Generationen vor uns, den Geopferten, erwartet

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
denn er hat grosse Dinge an mir getan, der da mächtig
ist
und dessen Name heilig ist
und seine Barmherzigkeit währt von Geschlecht zu
Geschlecht

Heute sagen wir das so
die grosse Veränderung, die an uns und durch uns
geschieht
wird mit allen geschehen – oder sie bleibt aus
Barmherzigkeit wird geübt werden, wenn die Ab-
hängigen
das vertane Leben aufgeben können
und lernen, selber zu leben.

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
er übt Macht mit seinem Arm und zerstreut
die Hochmütigen
er stösst die Gewaltigen von ihren Thronen
und die Getretenen richtet er auf

Heute sagen wir das so
wir werden unsere Besitzer enteignen und über die,
die das weibliche Wesen kennen,
werden wir zu lachen kriegen
die Herrschaft der Männchen über die Weibchen wird
ein Ende nehmen
aus Objekten werden Subjekte werden
sie gewinnen ihr eigenes besseres Recht.

Es steht geschrieben, dass Maria sagte
Hungrige hat er mit Gütern gefüllt
und die Reichen leer hinweggeschickt
er denkt der Barmherzigkeit und hat sich Israels
seines Knechts angenommen.

Heute sagen wir das so
Frauen werden zum Mond fahren und in den Parla-
menten entscheiden
ihre Wünsche nach Selbstbestimmung werden in
Erfüllung gehen
und die Sucht nach Herrschaft wird leer bleiben
ihre Aengste werden gegenstandslos werden
und die Ausbeutung ein Ende haben.

Dorothee Sölle (1929 – 2003)

 

Mariä Himmelfahrt ist in Bayern und im Saarland ein gesetzlicher Feiertag…