Gott ist weise
ohne Weisheit,
gut ohne Gutheit,
gewaltig ohne Gewalt.
Meister Eckhart (1260 – 1328) zitiert hier Augustinus (354 – 430). Zu finden in: Josef Quint (Hg.) Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. Predigt 10, S. 196
An Tieck
Die Zeit ist da, und nicht verborgen
Soll das Mysterium mehr sein.
In diesem Buche bricht der Morgen
Gewaltig in die Zeit hinein.
Verkündiger der Morgenröte,
Des Friedens Bote sollst du sein.
Sanft wie die Luft in Harf und Flöte
Hauch ich dir meinen Atem ein.
Gott sei mit dir, geh hin und wasche
Die Augen dir mit Morgentau.
Sei treu dem Buch und meiner Asche,
Und bade dich im ewigen Blau.
Du wirst das letzte Reich verkünden,
Was tausend Jahre soll bestehn;
Wirst überschwenglich Wesen finden,
Und Jakob Böhmen wiedersehn.
Friedrich von Hardenberg / Novalis (1772 – 1801)
In seinem „An Tieck“ gerichteten Gedicht aus dem Jahre 1800 zeigt Novalis, welche Bedeutung die Begegnung mit dem Werk Jacob Böhmes (1575 – 1624) für ihn hatte. Die letzten Verse verherrlichen gleichsam Böhmes „Morgenröte im Aufgang“.
Unter anderem dieser Text wurde in einem Hörstück Die Sprache ist Delphi / Novalis träumt von Ronald Steckel eingearbeitet:
https://mystikaktuell.wordpress.com/2022/03/24/17596/
Stille ist die machtvollste Art des Wirkens. Wie gewaltig und eindringlich die Schriften auch sein mögen, sie sind wirkungslos. Der Guru ist still, und in allen herrscht Friede. Seine Stille ist gewaltiger und eindringlicher als alle Schriften zusammen. Diese Fragen tauchen auf, weil man spürt, dass man schon so lange hier ist, so viel gehört, sich so sehr angestrengt und dennoch nichts erlangt hat. Das Wirken, das innerlich vor sich geht, ist nicht sichtbar. Tatsächlich ist der Guru immer in dir.
Ramana Maharshi (1879 – 1950)
Und siehe, der Herr ging vorüber,
und es kam ein gewaltiger Sturm,
der die Berge stürzte und die Felsen zerbrach.
Aber Gott sprach nicht im Wind.
Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben,
und es wütete im ganzen Land.
Aber Gott sprach nicht im Erdbeben.
Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer,
das alles von Menschen Geschaffene verbrannte.
Aber Gott sprach nicht im Feuer.
Und nach dem Feuer kam Stille.
Und im Rauschen der Stille,
da sprach Gott.
Martin Buber: Erstes Buch Könige 1,19
… Es sind in dieser natürlichen Welt Menschen geboren worden mit all unseren menschlichen Begrenzungen und Verlangen, aber sie beweisen, dass sie in der Welt des Geistes atmeten, dass die höchste Vollkommenheit in der Freiheit der Persönlichkeit, in der vollkommenen Einigung der Liebe besteht. …
… Ihr unerschöpfliches Leben fließt wie der Wogenschwall einer gewaltigen, mächtigen Flut durch grüne Felder und Wüsten, durch langgestreckte dunkle Höhlen der Vergessenheit in die tanzende Freude des Sonnenlichts. Sie bringen Leben vor die Türen der unzähligen Menschen endlose Jahre lang, heilend und durstlöschend, sie waschen die Flecken des Alltagsstaubes ab und singen mit lebenbebender Stimme in allen Lärm der Märkte das Lied des ewigen Lebens.
Rabindranath Tagore (1861 – 1941
Den vollständigen Text von Rabindranath Tagore über „Lichtbringer“ finden Sie hier:
MAGISCHE BLÄTTER BUCH V
CII. JAHRGANG FRÜHJAHR 2021
gebunden. ISBN 978-3-948594-06-0 – 20,00 €
https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter
Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu
Wohl kenne ich den Quell, der rinnt und fließet,
obgleich’s bei Nacht ist.
Verborgen ist dem Blick die ewge Quelle,
doch weiß ich wohl zu finden ihre Stelle,
obgleich’s bei Nacht ist.
Ich weiß, nicht Ursprung hat sie je genommen,
doch aller Ursprung ist aus ihr gekommen,
obgleich’s bei Nacht ist.
Ich weiß, dass keine Schönheit ihrer gleiche,
sie tränkt die Erde und die Himmelreiche,
obgleich’s bei Nacht ist.
Ins Bodenlose, weiß ich, würde gleiten,
wer sie beträte, um sie zu durchschreiten,
obgleich’s bei Nacht ist.
Niemals hat ihre Klarheit sich verdunkelt,
und alles Licht weiß ich aus ihr entfunkelt,
obgleich’s bei Nacht ist.
Gewaltig weiß ich ihre Ströme eilen
durch Höllen, Himmel und wo Menschen weilen,
obgleich’s bei Nacht ist.
Den Wassern, die aus dieser Quelle steigen,
wohl weiß ich ihnen alle Macht zu eigen,
obgleich’s bei Nacht ist.
Den Strom, zu dem zwei Ströme sich verbinden,
weiß ich mit beiden nur zugleich zu finden,
obgleich’s bei Nacht ist.
Verborgen rinnt der Quell, auf dass wir leben,
in dem lebend’gen Brot, das uns gegeben,
obgleich’s bei Nacht ist.
Hier ruft er die Geschöpfe, dass sie kommen,
zu stillen sich, von Dunkelheit umschwommen,
obgleich’s bei Nacht ist.
Ersehnter Quell, dich such‘ ich nicht vergebens,
ich schaue dich in diesem Brot des Lebens,
Weil es bei Nacht ist.
Johannes vom Kreuz (1542 – 1591)
Abbildung aus dem Rabbula-Evangeliar (6. Jh.) / Foto: wikimedia – gemeinfrei
Und als der fünfzigste Tag erfüllt war, waren sie alle einmütig beieinander. Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel wie eines gewaltigen Windes und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeglichen unter ihnen; und sie wurden alle voll des Heiligen Geistes und fingen an, zu predigen mit anderen Zungen, nach dem der Geist ihnen gab auszusprechen.
Aus der Apostelgeschichte des Neuen Testamentes
Gute, frohe und gesegnete Pfingsttage wünscht Werner A. Krebber
Vielleicht: eine stille Mitte im Orkan der Materie.
Und – in der stillen Mitte der Materie Gottes Weisheit
Und die Weisheit hatte eine Vision: irgendwo im gewaltigen All
eine kleine Oase des Lebens,
wo Gespräch und Liebe erblühen.
Kurt Marti (1921 – 2017)
Aus einem Codex der Hildegard von Bingen wikimedia/gemeinfrei
Mitten im Weltenbau steht der Mensch, denn er ist bedeutender als alle übrigen Geschöpfe. An Statur ist er zwar klein, an Kraft seiner Seele jedoch gewaltig. Sein Haupt nach oben gerichtet, die Füße auf festem Grund, vermag er alles in Bewegung zu setzen. Was er mit seinem Werk bewirkt, das durchdringt das All. Wie nämlich der Leib des Menschen das Herz an Größe übertrifft, so sind auch die Kräfte der Seele gewaltiger als die des Körpers, und wie das Herz des Menschen im Körper verborgen ruht, so ist auch der Körper von den Kräften der Seele umgeben, da diese sich über den gesamten Erdkreis erstrecken. So hat der gläubige Mensch sein Dasein im Wissen aus Gott und strebt in seinen geistlichen wie weltlichen Bedürfnissen zu Gott. Immer richtet sich sein Trachten auf Gott, dem er in Ehrfurcht entgegentritt. Denn wie der Mensch mit den leiblichen Augen allenthalben die Geschöpfe sieht, so schaut er im Glauben überall den Herrn. Gott ist es, den der Mensch in jedem Geschöpf erkennt. Weiß er doch, daß Er der Schöpfer aller Welt ist.
Hildegard von Bingen (um 1098 – 1179)
Johannes vom Kreuz / Bildquelle: wikimedia – gemeinfrei
Wohl kenne ich den Quell, der rinnt und fließet,
wenn es auch Nacht ist.
Verborgen ist dem Blick die ewge Quelle,
doch weiß ich wohl zu finden ihre Stelle,
wenn es auch Nacht ist.
Ich weiß, nicht Ursprung hat sie je genommen,
doch aller Ursprung ist aus ihr gekommen,
wenn es auch Nacht ist.
Ich weiß, dass keine Schönheit ihrer gleiche,
sie tränkt die Erde und die Himmelreiche,
wenn es auch Nacht ist.
Ins Bodenlose, weiß ich, würde gleiten,
wer sie beträte, um sie zu durchschreiten,
wenn es auch Nacht ist.
Niemals hat ihre Klarheit sich verdunkelt,
und alles Licht weiß ich aus ihr entfunkelt,
wenn es auch Nacht ist.
Gewaltig weiß ich ihre Ströme eilen
durch Höllen, Himmel und wo Menschen weilen,
wenn es auch Nacht ist.
Den Wassern, die aus dieser Quelle steigen,
wohl weiß ich ihnen alle Macht zu eigen,
wenn es auch Nacht ist.
Den Strom, zu dem zwei Ströme sich verbinden,
weiß ich mit beiden nur zugleich zu finden,
wenn es auch Nacht ist.
Verborgen rinnt der Quell, auf dass wir leben,
in dem lebend’gen Brot, das uns gegeben,
wenn es auch Nacht ist.
Hier ruft er die Geschöpfe, dass sie kommen,
zu stillen sich, von Dunkelheit umschwommen,
weil’s in der Nacht ist.
Ersehnter Quell, dich such‘ ich nicht vergebens,
ich schaue dich in diesem Brot des Lebens,
auch wenn es Nacht ist.
Johannes vom Kreuz (1542 – 1591)