Im Dunklen ist die Schönheit verborgen

Foto: (c) wak

… (es) ist interessant, daß die Mayas angeblich die Bücher ihrer heiligen Schriften im Dunklen aufbewahrten und vortrugen. Es waren für die Dunkelheit geschriebene Texte, die nur dort im Dunklen bei Dämmerlicht von den Priestern gelesen wurden. Nur einmal im Jahr wurden sie während eines Rituals ans Tageslicht gebracht. Womit gewissermaßen öffentlich ihre Existenz bezeugt wurde. Dann verschwanden sie wieder in der Dunkelheit im Innern von Pyramiden oder anderen sakralen Räumen.

Der Blick ins Dunkle ist lohnenswert, denn dort ist die Schönheit verborgen. Doch der Blick ins Dunkle erfordert Zeit und Geduld und Vertrauen und Mut. Es dauert eine gewisse Zeit, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben und zu sehen beginnen. Der hastige, ungeduldige,  flüchtige Blick in die Dunkelheit lässt die Augen nichts weiter sehen als Dunkelheit.

Die Schönheit offenbart sich nur dem, der bereit ist, sich auf den Weg zu ihr zu begeben. Da wir aber in einer Zeit des flüchtigen Blickes leben, bleibt diese Schönheit verborgen.

Und soweit die Künste, und vor allem der Film, als kapitalistische Unterhaltungsindustrie betrieben werden, sind sie nicht in der Lage, diesen wahrhaft sehenden, erkennenden Blick zu kultivieren. Deshalb stößt ein jeder auf Widerstand, der diesen Blick wagt.

Fred Kelemen (*1964) in seinem Beitrag „Die Schönheit harrt im Dunkeln“

Der vollständige Beitrag ist hier nachzulesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VIII
CII. JAHRGANG WINTER 2021/2022

Januar 2022: Sakralkunst

Mehr auch hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift-magische-bl%C3%A4tter

Bestellungen: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

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Eine gute Position um klar zu sehen

Atisha / Bild: wikimedia ~ gemeinfrei

„Wenn Übel die unbelebten und belebten Universen füllen,
dann verwandle widrige Umstände in den Bodhipfad“

Atisha (um 980 – 1054)

Lass all deine Vorstellungen weg, und selbst wenn dann alles ganz übel ist, widerstehe dem nicht, sondern wende auch da die Praxis (Tonglen) an, indem zu offen bist, ehrlich bist, nicht wissend, neugierig bist, die Phänomene als flüchtig betrachtest, als Blumen am Himmel – und einatmest und ausatmest. Hinterher können wir schauen, ob es etwas zu tun gibt. Das kann durchaus der Fall sein… Aber erst still sein, erst zur Natur des ungeborenen Gewahrseins zurückkommen, erst bereit sein, den Schmerz wirklich zu fühlen, ihn reinlassen und alles, was an Schönem da ist, loslassen, herschenken. Dann haben wir eine gute Position, eine gute Ausgangslage, um wirklich klar zu sehen.

Pyar Troll / Rauch (*1960) in: Bodhichitta – Das erwachte Herz. Das Sieben-Punkte-Geistestraining für Weisheit und Mitgefühl. 2005, o.O., S.88

William James: Mystik und Alkohol

Foto: © wak

Der nächste Schritt in mystische Zustände führt uns in einen Bereich, den öffentliche Meinung und philosophische Ethik immer schon als pathologisch gebrandmarkt haben, während ihn die private Praxis und bestimmte lyrische Kreise anscheinend immer noch idealisieren. Ich meine den Bewusstseinszustand, der durch Gifte und Anästhetika, besonders Alkohol erzeugt wird. Die Macht des Alkohols über die Menschheit beruht ohne Frage in seinem Vermögen, die mystischen Fähigkeiten der menschlichen Natur zu stimulieren, die in den nüchternen Stunden von den kalten Fakten und der trockenen Kritik niedergehalten werden. Nüchternheit verkleinert, unterscheidet und sagt Nein; Trunkenheit erweitert, verbindet und sagt Ja. Sie ist in der Tat der große Ja-Erreger im Menschen. Sie bringt ihren Jünger von der kalten Peripherie der Dinge zum strahlenden Herzen. Für den Moment vereint sie ihn mit der Wahrheit. Die Menschen laufen ihr nicht aus bloßer Perversität nach. Für den Armen und Ungebildeten nimmt sie den Platz ein, den für uns Symphoniekonzerte und Bücher einnehmen; und es gehört zu den unergründlichen Geheimnissen und der Tragik des Lebens, dass vielen von uns nur der Hauch und der Schimmer dessen gewährt wird, was wir in den flüchtigen Anfängen zunächst als etwas Großartiges wahrnehmen, was als Ganzes jedoch eine erniedrigende Vergiftung ist. Das trunkene Bewusstsein ist ein Stück des mystischen Bewusstseins, und unser Gesamturteil über dieses Teilstück muss in unser Urteil über das größere Ganze eingebettet sein.

William James (1842 – 1910) in: Die Vielfalt religiöser Erfahrung. Eine Studie über die menschliche Natur. Frankfurt am Main/Leipzig 1997, S. 389-390

Mehr zu Alkohol und Spiritualität hier: https://alkoholundspirit.wordpress.com/

Stille und Öffnung

Screenshot der Homepage http://www.haukejohannagerdes.de/

… Die Bewusstseinsschicht, die Hauke Johanna Gerdes in uns ansprechen will, liegt im geistigen Raum, ihre Bilder verlangen, dass wir bereit sind, uns mit unseren Empfindungen zu öffnen. Ihre künstlerischen Arbeiten fordern ein vorübergehendes „Leersein“, einen Zustand der Stille und damit einer Öffnung, wie etwa bei einer Meditation. Denn es geht um eine Wahrnehmung, die in die Transformation eines Bereiches des Erfassbaren reicht, der recht flüchtig ist und sich den Augen gerne entzieht. So kann es für den Betrachter manchmal etwas Zeit brauchen, bis die Arbeiten sich der Empfindung aufschließen und sich in der Betrachtung verwandeln. Dann aber tritt plötzlich, wie aus heiterem Himmel, seelisch tief Erlebtes zutage. Die Gesamtheit eines Moments kann wahrnehmbar werden. Das Unbekannte kann den Blick, sowie das Bewusstsein weiten und zu einem großen Glück werden.

Klaus Weingarten in seinem Text „Das Leben tritt von selbst hervor“ über Hauke Johanna Gerdes. Der ganze Text kann hier nachgelesen werden: http://www.haukejohannagerdes.de/text_neu.html

Mehr Arbeiten von ihr sind hier zu sehen: http://www.haukejohannagerdes.de/

Unergründliche Tiefe des Lebens

Foto: © wak

Hast du je in einem flüchtigen Moment der Zeit eine herrliche Ewigkeit wahrgenommen? Hast du je in der kleinsten Stelle eines Gegenstands eine strahlende Unendlichkeit gesehen? Dann weißt du, was der Spirit ist – die Turmspitze, zu der alle Dinge harmonisch aufsteigen und in der sie zusammenkommen und zufrieden in einer unergründlichen Tiefe des Lebens sitzen.

Peter Sterry (1613 – 1672)

William James: Mystik und Alkohol

Foto: © wak

Der nächste Schritt in mystische Zustände führt uns in einen Bereich, den öffentliche Meinung und philosophische Ethik immer schon als pathologisch gebrandmarkt haben, während ihn die private Praxis und bestimmte lyrische Kreise anscheinend immer noch idealisieren. Ich meine den Bewusstseinszustand, der durch Gifte und Anästhetika, besonders Alkohol erzeugt wird. Die Macht des Alkohols über die Menschheit beruht ohne Frage in seinem Vermögen, die mystischen Fähigkeiten der menschlichen Natur zu stimulieren, die in den nüchternen Stunden von den kalten Fakten und der trockenen Kritik niedergehalten werden. Nüchternheit verkleinert, unterscheidet und sagt Nein; Trunkenheit erweitert, verbindet und sagt Ja. Sie ist in der Tat der große Ja-Erreger im Menschen. Sie bringt ihren Jünger von der kalten Peripherie der Dinge zum strahlenden Herzen. Für den Moment vereint sie ihn mit der Wahrheit. Die Menschen laufen ihr nicht aus bloßer Perversität nach. Für den Armen und Ungebildeten nimmt sie den Platz ein, den für uns Symphoniekonzerte und Bücher einnehmen; und es gehört zu den unergründlichen Geheimnissen und der Tragik des Lebens, dass vielen von uns nur der Hauch und der Schimmer dessen gewährt wird, was wir in den flüchtigen Anfängen zunächst als etwas Großartiges wahrnehmen, was als Ganzes jedoch eine erniedrigende Vergiftung ist. Das trunkene Bewusstsein ist ein Stück des mystischen Bewusstseins, und unser Gesamturteil über dieses Teilstück muss in unser Urteil über das größere Ganze eingebettet sein.

William James (1842 – 1910) in: Die Vielfalt religiöser Erfahrung. Eine Studie über die menschliche Natur. Frankfurt am Main/Leipzig 1997, S. 389-390

 

Mit diesem Beitrag ist auf „Mystik aktuell“ nun eine neue Rubrik „Alkohol und Spiritualität“ zu finden. Die alte Webseite alkoholundspirit.wordpress.com wird nicht mehr fortgeführt.

 

Mond und Blumen werden dich begleiten

Der Regen hat aufgehört, die Wolken haben sich verzogen,
das Wetter ist wieder klar.
Wenn dein Herz geläutert ist,
sind alle Dinge in deiner Welt geläutert.
Lass diese flüchtige Welt sein, lass dich Selbst sein.
Dann werden dich der Mond und die Blumen
auf dem großen Weg begleiten.

Ryôkan (Japan, 18. Jh.)