Mit Geschriebenem nichts zu tun

Eine Nonne rezierte in einem fort das Nirvana-Sutra. Der Patriarch Huineng hörte ihr eine Zeit lang zu und erklärte ihr den tiefen Sinn des Textes. Nun bat ihn die Nonne, ihr auch einige Wörter im Text zu erklären. Sie nahm das Buch und hielt es dem Patriarchen hin.

„Wenn Ihr wollt, daß ich Euch den Sinn kundtue, das kann ich“, sagte der Patriarch zu der Nonne. „Lesen aber kann ich nicht.“

„Wenn Ihr nicht einmal lesen könnt, wie wollt Ihr mir da den Sinn erklären?“, erwiderte überascht die Nonne.

„Die tiefe Weisheit Buddhas hat mit Geschriebenem nichts zu tun“, gab der Patriarch ihr zur Antwort.

Zen-Geschichte

Wo bliebe die Poesie des Lebens?

Vivekananda (1863 – 1902) / Bild: Archiv

Der Gedanke ist die vorwärtstreibende Kraft in uns. Erfülle den Geist mit den höchsten Gedanken, hör auf sie Tag für Tag, sinne ihnen nach Mond für Mond. Achte nicht auf Schwächen; die Mißerfolge sind ganz natürlich, sind die Schönheit des Lebens. Was wäre das Leben ohne sie? Es hätte keinen Wert, wenn es keine Kämpfe gäbe: Wo bliebe da die Poesie des Lebens? Denk nicht an die Kämpfe, die Irrungen. Niemals hörte ich eine Kuh lügen, aber es ist nur eine Kuh — kein Mensch. So denke auch nicht an die Mißerfolge, diese kleinen Rückfälle; halte das Ideal tausendmal hoch, und wenn es dir tausendmal mißlingt, mach den Versuch noch einmal mehr. Das Ideal des Menschen ist, Gott in allen Dingen zu sehen. Aber, wenn du ihn nicht überall sehen kannst, sieh ihn in einem Ding, in dem, das dir am besten gefällt, und dann sieh ihn auch in einem anderen. So kommst du weiter. Unendliches Leben steht der Seele bevor. Benutze deine Zeit und du wirst dein Ziel erringen.

Vivekananda (1863 – 1902) in: Inana Yoga. Gemeinverständliche Einführung in die Gedankenwelt Indiens. Stuttgart / Heilbronn, 1923, S. 91

Aus der Tiefe des Herzens

Die Offenheit des Zuhörers
wirkt ansteckend auf den Erzähler,
sodass auch dieser sein Herz öffnen kann,
und ist dies erst einmal geschehen,
so stellt sich auch die Lösung ein.
Diese Lösung kommt dann
aus der Tiefe des Herzens des Betreffenden.

Safi Nidiaye (* 1951) in: Das Tao des Herzens

https://zuhoerer-ruhr.com/

Kontakt: zuhoerer@email.de

Das Erkennende und das Erkannte sind in Erkenntnis geeint

Labyrinth in Kevelaer / Foto: © wak

… Ich erkenne mich selbst! Das heißt das irdische „Ich“ erkennt des Geistes „Ich“ und umgekehrt. Das Erkennende und das Erkannte sind in Erkenntnis geeint. Damit dieses alles geschehen kann und einmal lebendige Wirklichkeit werde, sei jedem Einzelnen gesagt:

„A d v e n t , die Zeit der Vorbereitung sei hinfort in Deiner Seele; denn siehe: Du bist Bethlehem in Dir soll Dein König erscheinen, der Dich erlösen kann, – der allein Dich erlösen kann!“

„Advent“ von Dr. med. G. W. Vaubel, Griesheim-Darmstadt, 1955

Der vollständige Text ist hier nachzulesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH IV
CI. JAHRGANG WINTER 2020 / 2021
4. Quartalsausgabe November, Dezember, Januar
gebunden. ISBN-Nr. 978-3-948594-04-6

HEFT 11 | Dezember 2020
TITELTHEMA: WEIHENACHT

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

 

Jakob Böhme hat die Welt der Sefiroth noch einmal entdeckt

Foto: Archiv

 

In der Tat ist die Lehre Boehmes vom Ursprung des Bösen, die so viel Aufsehen gemacht hat, ganz kabbalistisch gedacht. Auch er kennt das Böse als ein dunkles und negatives Prinzip des Zornes in Gott, das im theosophischen Organismus des göttlichen Lebens freilich ewig ins Licht verklärt wird. Darüber hinaus kann nun überhaupt gesagt werden, daß unter allen christlichen Mystikern Jakob Boehme derjenige ist, dessen Denken gerade in seinen originellsten Antrieben die engste Affinität zur Kabbala aufweist, wobei man natürlich von den christlichen und alchemistischen Bildern absehen muß, in denen er seine Intuition mindestens teilweise auszudrücken suchte. Er hat die Welt der Sefiroth, wenn man so sagen darf, von sich aus noch einmal entdeckt.

Stark gekürztes Zitat aus: Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen, Frankfurt/M. 1980

Das vollständige Zitat ist in längerer Form hier zu lesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH IV
CI. JAHRGANG WINTER 2020 / 2021
4. Quartalsausgabe November, Dezember, Januar
gebunden. ISBN-Nr. 978-3-948594-04-6

HEFT 10 | November 2020
TITELTHEMA: JACOB BÖHME

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

 

Vor Weisheitsfülle schweigen – Fritz Mauthners Meister Eckhart-Zitat zu Skepsis und Mystik

Foto: © wak

Hier aber, wo ich notgedrungen von dem Verhältnisse zwischen Sprachkritik und dem Begriffe Religion reden muß, möchte ich einige Sätze des edlen Meisters Eckart voraufschicken.

„Einer unserer ältesten Meister, der die Wahrheit schon lange und lange vor Gottes Geburt gefunden hat, den dünkte es, dass alles, was er von den Dingen sprechen könnte, etwas Fremdes und Unwahres in sich trüge; darum wollte er schweigen. Er wollte nicht sagen: Gebt mir Brot, oder gebt mir zu trinken. Aus dem Grunde wollte er nicht von den Dingen sprechen, weil er von ihnen nicht so rein sprechen könnte, wie sie aus der ersten Ursache entsprungen wären; darum wollte er lieber schweigen, und seine Notdurft zeigte er mit Zeichen der Finger. Da nun er nicht einmal von den Dingen reden konnte, so schickt es sich für uns noch mehr, dass wir allzumal schweigen müssen von dem, der da ein Ursprung aller Dinge ist.“ Und wieder: „Das Schönste, was der Mensch von Gott sprechen kann, das ist, dass er vor Weisheitsfülle schweigen kann.“ Und wieder: „Die Seele ist eine Kreatur, die alle genannten Dinge empfangen kann; und ungenannte Dinge kann sie nur empfangen, wenn sie so tief in Gott empfangen wird, dass sie selbst namenlos wird.“

Ich meine es kaum viel anders; nur die Sprache ist etwas verschieden, weil sechs Jahrhunderte dazwischen liegen.

Fritz Mauthner (1849-1923) in: Sprache und Logik. Beiträge zu einer Kritik der Sprache.Dritter Band (1913)
Der vollständige Text ist hier zu finden: https://www.textlog.de/mauthner-logik-skepsis-mystik.html

Den Urgrund deines eigenen Geistes erfahren

Foto: © wak
Wenn du nur einmal den Urgrund
deines eigenen Geistes
erfahren hast,
dann lösen sich für dich
mit einem Mal
zahllose Irrtümer auf.
Diese Selbst-Wesensschau
ebnet dir
den Weg zu deinem wahren Zuhause.
Hakuin Zenji (1686 – 1769)

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre

 

Foto: © wak

Wenn es nur einmal so ganz stille wäre.
Wenn das Zufällige und Ungefähre
verstummte und das nachbarliche Lachen,
wenn das Geräusch, das meine Sinne machen,
mich nicht so sehr verhinderte am Wachen -:

Dann könnte ich in einem tausendfachen
Gedanken bis an deinen Rand dich denken

und dich besitzen (nur ein Lächeln lang),
um dich an alles Leben zu verschenken
wie einen Dank.

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926) | 22.9.1899, Berlin-Schmargendorf

Der Weg zum wahren Zuhause

Wenn du nur einmal den Urgrund
deines eigenen Geistes
erfahren hast,
dann lösen sich für dich
mit einem Mal
zahllose Irrtümer auf.
Diese Selbst-Wesensschau
ebnet dir
den Weg zu deinem wahren Zuhause.

Hakuin Zenji (1686 – 1769)