Saatkörner der Kontemplation

Kontemplation ist der höchste Ausdruck des intellektuellen und geistigen Lebens des Menschen. Sie ist das Leben selbst, voll wach, voll aktiv, voll bewusst, dass es lebendig ist. Sie ist geistiges Staunen. Sie ist spontane Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Lebens, des Seins. Sie ist eine lebendige Erkenntnis der Tatsache, dass das Leben und das Sein in uns aus einer unsichtbaren, transzendenten und unendlich reichhaltigen Quelle stammen. Kontemplation ist vor allem ein Bewusstsein für die Realität dieser Quelle. Sie kennt die Quelle, obskur, unerklärlich, aber mit einer Gewissheit, die über die Vernunft und über den einfachen Glauben hinausgeht… Es ist eine tiefere Tiefe des Glaubens, ein Wissen, das zu tief ist, um in Bildern, in Worten oder sogar in klaren Begriffen erfasst zu werden.

Thomas Merton (1915 – 1968) in: New Seeds of Contemplation

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Ave verum | Wolfgang Amadeus Mozart

Das Ave verum ist kunstvoll und liedhaft zugleich; es ist ebenso tief wie einfach; es wahrt zugleich den Abstand vor dem Göttlichen, die Ehrfurcht vor dem Unerforschlichen, und ist voll Vertrauen und Reinheit des Gefühls, man möchte sagen: voll Zutraulichkeit.“ ~ Alfred Einstein (1880 – 1952) in: Mozart. Sein Charakter, sein Werk. Bermann-Fischer, Stockholm 1947

Ave, ave, verum corpus,
natum de Maria virgine,
vere passum immolatum
in cruce pro homine,
cuius latus perforatum
unda fluxit et sanguine
esto nobis praegustatum
in mortis examine,
in mortis examine!

Sei gegrüßt, wahrer Leib,
geboren von Maria, der Jungfrau,
der wahrhaft litt und geopfert wurde
am Kreuz für den Menschen;
dessen durchbohrte Seite
von Wasser floss und Blut:
Sei uns Vorgeschmack
in der Prüfung des Todes!

Geheimnisse offenbaren sich nur dem…

Dies und mehr hier:

MAGISCHE BLÄTTER
CI. JAHRGANG HERBST 2020
3. Quartalsausgabe August, September, Oktober, gebunden
ISBN.Nr. 978 -3-948594-03-9

HEFT 7 | August 2020 | TITELTHEMA: KUNST

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Wahre Natur des Geistes

Foto: © wak

 

Wenn wir bereit sind, auf die Stille selbst zu hören
und nicht nur auf das, was in ihr erscheint,
wenn wir uns des unendlichen Raums bewusst bleiben
und nicht nur die Phänomene des Innen und Außen wahrnehmen,
die allesamt vergänglich,
allesamt leer an eigener Substanz sind,
dann stehen wir in Staunen und Ehrfurcht da
und erkennen uns als das,
was immer ungetrennt war von der Unendlichkeit,
von der Liebe,
vom reinen Bewusst-Sein,
von der wahren Natur des Geistes.

Pyar (*1960)

Die Geburt der Mystik in der menschlichen Seele

Foto: © wak

 

Die Mystik ist zugleich mit der Menschheit selbst geboren. Sie ist zugleich mit der Entstehung des Menschenreiches auf Erden offenbar geworden, und sie wird auch mit seiner Vollendung ihr Ziel errichen.

Als der Urmensch diese irdische Welt betrat, und seine Augen das Licht empfinen; – als er zum ersten Male die mannigfache Schönheit und die reizvolle Pracht der Natur um sich herum erschaute, – und als er seine Blicke, einem unschuldigen Kinde gleich, nach oben erhebend die Sonne, den Mond und die unzählbaren Gestirne in dem hohen Gewölbe des Himmels betrachtete, –

da bewegte sich in einem unbefleckten Herzen ein namenloses Sehnen, ein zartes, bebendes und geheimnisvolles Gefühl der Bewunderung, der Ehrfurcht und der Dankbarkeit. Dies war die Geburt der Mystik in der menschlichen Seele.

Vorwort zu „Leben und Sprüche der Sufi-Meister des Islams“. Aus dem Persischen übersetzt von Hossein Kazemzadeh Iranschähr (1884 – 1962), Berlin 1934

Mitten im Weltenbau steht der Mensch

Aus einem Codex der Hildegard von Bingen   wikimedia/gemeinfrei

Mitten im Weltenbau steht der Mensch, denn er ist bedeutender als alle übrigen Geschöpfe. An Statur ist er zwar klein, an Kraft seiner Seele jedoch gewaltig. Sein Haupt nach oben gerichtet, die Füße auf festem Grund, vermag er alles in Bewegung zu setzen. Was er mit seinem Werk bewirkt, das durchdringt das All. Wie nämlich der Leib des Menschen das Herz an Größe übertrifft, so sind auch die Kräfte der Seele gewaltiger als die des Körpers, und wie das Herz des Menschen im Körper verborgen ruht, so ist auch der Körper von den Kräften der Seele umgeben, da diese sich über den gesamten Erdkreis erstrecken. So hat der gläubige Mensch sein Dasein im Wissen aus Gott und strebt in seinen geistlichen wie weltlichen Bedürfnissen zu Gott. Immer richtet sich sein Trachten auf Gott, dem er in Ehrfurcht entgegentritt. Denn wie der Mensch mit den leiblichen Augen allenthalben die Geschöpfe sieht, so schaut er im Glauben überall den Herrn. Gott ist es, den der Mensch in jedem Geschöpf erkennt. Weiß er doch, daß Er der Schöpfer aller Welt ist.

Hildegard von Bingen (um 1098 – 1179)

Uns des unendlichen Raums bewusst bleiben

Foto: © wak

Wenn wir bereit sind, auf die Stille selbst zu hören
und nicht nur auf das, was in ihr erscheint,
wenn wir uns des unendlichen Raums bewusst bleiben
und nicht nur die Phänomene des Innen und Außen wahrnehmen,
die allesamt vergänglich,
allesamt leer an eigener Substanz sind,
dann stehen wir in Staunen und Ehrfurcht da
und erkennen uns als das,
was immer ungetrennt war von der Unendlichkeit,
von der Liebe,
vom reinen Bewusst-Sein,
von der wahren Natur des Geistes.

Pyar (*1960)

Tu‘ andern nicht an, was du nicht willst, dass dir angetan werde

Foto: © wak

Tu‘ andern nicht an, was du nicht willst, dass dir angetan werde. Wir, die wir von unsern Kindern und von unserem Nächsten verlangen, dass sie uns ehren und das wenige Gute, das wir ihnen erwiesen, vergelten, — welche Ehrfurcht, welche Dankbarkeit schulden wir dann erst Gott, der uns alles gegeben hat, der uns zu dem gemacht hat, was wir sind, in dem wir leben, weben und sind. Lob und Preis ihm von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Tommaso Campanella (1568 – 1639) im „Sonnenstaat“ (1623)

Staunen und Ehrfurcht

Wenn wir bereit sind, auf die Stille selbst zu hören
und nicht nur auf das, was in ihr erscheint,
wenn wir uns des unendlichen Raums bewusst bleiben
und nicht nur die Phänomene des Innen und Außen wahrnehmen,
die allesamt vergänglich,
allesamt leer an eigener Substanz sind,
dann stehen wir in Staunen und Ehrfurcht da
und erkennen uns als das,
was immer ungetrennt war von der Unendlichkeit,
von der Liebe,
vom reinen Bewusst-Sein,
von der wahren Natur des Geistes.

Pyar (*1960)