Was die Seele in ihrem Grunde sei…

Im Grunde der Seele ist die Kraft,
die in den Augen wirkt,
ebenso hoch im Rang wie der Verstand,
und da ist der Fuß und das Auge gleich edel.
Was die Seele in ihrem Grunde sei,
das ward noch nie gefunden.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in den Fragementen, die Gustav Landauer in Meister Eckharts Mystische Schriften veröffentlichte. Berlin, 2. Auflage 1920, S. 131 (Bearbeitet und neu herausgegeben von Martin Buber)

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Die Zeit der Früchte

Foto: (c) wak

Nun geht der Winzer bald in seinen Weinberg und schneidet den Reben das wilde Holz ab; täte er das nicht und ließe es am guten Holze stehen, so brächte der Weinstock nur sauren, geringen Wein; so soll der edle Mensch auch tun, er soll sich selbst beschneiden von aller Unordnung und vom Grund ausroden all seine Arten und Neigungen, in Liebe und Leid …

Die Natur ist an sich selber gut und edel; was willst du daran abhauen? Wenn dann die Zeit der Früchte kommen sollte, das heißt das göttliche Leben, hast du die Natur verdorben.

Johannes Tauler (1300 – 1361) in seiner Predigt „Simile est regnum caelorum“ – Das Himmelreich ist gleich (Matth. 20, 1—16)

Erkenntnis ist ein Licht der Seele

Gedenktür für Meister Eckhart (1260 – 1328) in Erfurt

Noch gibt es eine andere Erklärungsweise und Belehrung für das, was unser Herr einen „edlen Menschen“ nennt. Man muß nämlich auch wissen, daß diejenigen, die Gott unverhüllt erkennen, mit ihm zugleich die Kreaturen erkennen; denn die Erkenntnis ist ein Licht der Seele, und alle Menschen begehren von Natur nach Erkenntnis, denn selbst böser Dinge Erkenntnis ist gut. Nun sagen die Meister: Wenn man die Kreatur in ihrem eigenen Wesen erkennt, so heißt das eine „Abenderkenntnis“, und da sieht man die Kreaturen in Bildern mannigfaltiger Unterschiedenheit; wenn man aber die Kreaturen in Gott erkennt, so heißt und ist das eine „Morgenerkenntnis“, und auf diese Weise schaut man die Kreaturen ohne alle Unterschiede und aller Bilder entbildet und aller Gleichheit entkleidet in dem Einen, das Gott selbst ist. Auch dies ist der „edle Mensch“, von dem unser Herr sagt: „Ein edler Mensch zog aus“, darum edel, weil er Eins ist und Gott und Kreatur im Einen erkennt.

Aus  Meister Eckharts Traktat „Vom Edlen Menschen“. In: Meister Eckhart. Deutsche Predigten und Traktate. Herausgegeben und übersetzt von Josef Quint. München 1963, 71995, S. 146

In demütiger Gelassenheit wonnigliche Frucht

Foto: (c) wak

Das Pferd macht Mist in dem Stall, und obgleich der Mist Unsauberkeit und üblen Geruch an sich hat, so zieht doch dasselbe Pferd denselben Mist mit großer Mühe auf das Feld; und daraus wächst der edle schöne Weizen und der edle süße Wein, der niemals so wüchse, wäre der Mist nicht da. Nun, dein Mist, das sind deine eigenen Mängel, die du nicht beseitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst, die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Streue deinen Mist auf dieses edle Feld, daraus sprießt ohne allen Zweifel in demütiger Gelassenheit edle, wonnigliche Frucht auf.

6. Predigt: „Mein Joch ist sanft und meine Bürde leicht“ (Matth. 11,29)

Aus: JOHANNES TAULER (1300 – 1361), PREDIGTEN; übertragen und herausgegeben von Georg Hofmann, Einsiedeln 1979

Die ganze Predigt von Johannes Tauler kann hier nachgelesen werden:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VIII
CII. JAHRGANG WINTER 2021/2022

November 2021: Mystiker, die B.Y.R. empfohlen hat

Mehr auch hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift-magische-bl%C3%A4tter

Bestellungen: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Den edlen Grund bereit finden

Holzschnitt des Titelblattes von Hans Holbein zu den Predigten von Johannes Tauler, die 1522 in Basel gedruckt worden waren

„Steh auf, Jerusalem, und werde Licht!“ Gott begehrt und bedarf in aller Welt nur eines Dinges; das begehrt er aber so sehr, als ob er seinen ganzen Fleiß darauf verwendete, dies einzige nämlich, dass er den edlen Grund, den er in dem edlen Geist des Menschen gelegt hat, ledig und bereit finde, sein göttliches Werk darin zu vollbringen; …

Was soll nun der Mensch dazutun, dass Gott diesen lieblichen Grund erleuchten und darin wirken könne? Er soll aufstehen; „Surge“, sagt das Wort, „steh auf“; dies lautet, als ob der Mensch dabei mitwirken solle; der Mensch muss aufstehen von allem, was nicht Gott ist, von sich selber und von allen Geschöpfen; von diesem Aufstehen entsteht in dem Grund ein ungestümes Begehren nach Entblößung und Befreiung von allem, was den Menschen von Gott fernhält, und je mehr das abgelegt wird, um so mehr wächst jenes Begehren, geht über sich selbst hinaus und dringt gar oft bei Berührung des bloßen Grundes durch Fleisch und Blut und Mark.

Aus der 5. Predigt: „Surge et illuminare, Jerusalem“ von Johannes Tauler (1300 – 1361)

Die ganze Predigt von Johannes Tauler kann hier nachgelesen werden:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VIII
CII. JAHRGANG WINTER 2021/2022

November 2021: Mystiker, die B.Y.R. empfohlen hat

Mehr auch hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift-magische-bl%C3%A4tter

Bestellungen: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

In Gelassenheit wonnigliche Frucht

Foto: (c) wak

Das Pferd macht den Mist in den Stall, und obgleich der Mist Unsauberkeit und üblen Geruch an sich hat, so zieht doch dasselbe Pferd denselben Mist mit großer Mühe auf das Feld; und daraus wächst der edle schöne Weizen und der edle süße Wein, der niemals so wüchse, wäre der Mist nicht da. Nun, dein Mist, das sind deine eigenen Mängel, die du nicht beseitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst; die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Streue deinen Mist auf dieses edle Feld; daraus sprießt ohne allen Zweifel in demütiger Gelassenheit edle, wonnigliche Frucht auf.

Johannes Tauler (1300 – 1361) In: Georg Hofmann (Hg.): Johannes Tauler Predigten. Freiburg/Basel/Wien 1961, S. 43 – 44

Zentrum unserer inneren Welt und die Quelle alles Lebens in uns finden

 

Glücklicherweise entstehen von Zeit zu Zeit große Menschen. Führer der Menschheit, Erforscher des Geistes und der ewigen Gesetze des Universums, welche durch ihr edles Beispiel uns aus dem Schlafe rütteln und uns von unserer nutzlosen Geschäftigkeit und unserem blinden Begehren befreien. Sie inspirieren uns durch die sublime Schönheit ihrer Worte, ihrer Taten und ihres Lebens und öffnen unsere Augen für die Wirklichkeiten in uns und um uns.

Auf diese Weise werden wir wieder jener tiefen Mysterien, die selbst in dieser unserer physischen Welt sich manifestieren, gewahr, und unser körperliches Dasein wird vor unseren Augen zu einer Manifestation des Geistes, sobald wir nur das Zentrum unserer inneren Welt und die Quelle alles Lebens in uns gefunden haben.

Lama Anagarika Govinda – Schöpferische Meditation und Multidimensionales Bewusstsein, 178 f., Aurum-Verlag, Breisgau, 1977

Jetzt aktuell nachzulesen in: Magische Blätter. Monatsschrift für geistige Lebensgestaltung.CI. Jahrgang, Juni 2020, Heft 5, S. 162

Mehr hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/

Ein gegenwärtiges Nun

Foto: © wak

 

Bei der Wahrheit, die Gott ist: Hast du es auf irgend etwas denn allein auf Gott abgesehen oder suchst du irgend etwas anderes als Gott, so ist das Werk, das du wirkst, nicht dein noch ist es fürwahr Gottes. Worauf deine Endabsicht in deinem Werke abzielt, das ist das Werk. Was in mir wirkt, das ist mein Vater, und ich bin ihm untertänig. Es ist unmöglich, daß es in der Natur zwei Väter gebe; es muß stets ein Vater sein in der Natur. Wenn die anderen Dinge heraus und „erfüllt« sind, dann geschieht diese Geburt. Was füllt, das rührt an alle Enden, und nirgends gebricht es an ihm; es hat Breite und Länge, Höhe und Tiefe. Hätte es Höhe, aber nicht Breite noch Länge noch Tiefe, so würde es nicht füllen. Sankt Paulus spricht: „Bittet, daß ihr zu begreifen vermöget mit allen Heiligen, welches sei die Breite, die Höhe, die Länge und die Tiefe« (Eph.3,18).

Diese drei Stücke bedeuten dreierlei Erkenntnis. Die eine ist sinnlich: Das Auge sieht gar weithin die Dinge, die außerhalb seiner sind. Die zweite ist vernünftig und ist viel höher. Mit der dritten ist eine edle Kraft der Seele gemeint, die so hoch und so edel ist, dass sie Gott in seinem bloßen, eigenen Sein erfaßt. Diese Kraft hat mit nichts etwas gemein; sie macht aus nichts etwas und alles. Sie weiß nichts vom Gestern noch vom Vorgestern, vom Morgen noch vom Übermorgen, denn in der Ewigkeit gibt es kein Gestern noch Morgen, da gibt es (vielmehr nur) ein gegenwärtiges Nun; was vor tausend Jahren war und was nach tausend Jahren kommen wird, das ist da gegenwärtig und (ebenso) das, was jenseits des Meeres ist.

Meister Eckhart (1260 – 1328) in Predigt 11

Gelassenheit und wonnigliche Freude

Foto: © wak

Das Pferd macht den Mist in den Stall, und obgleich der Mist Unsauberkeit und üblen Geruch an sich hat, so zieht doch dasselbe Pferd denselben Mist mit großer Mühe auf das Feld; und daraus wächst der edle schöne Weizen und der edle süße Wein, der niemals so wüchse, wäre der Mist nicht da. Nun, dein Mist, das sind deine eigenen Mängel, die du nicht beseitigen, nicht überwinden noch ablegen kannst; die trage mit Mühe und Fleiß auf den Acker des liebreichen Willens Gottes in rechter Gelassenheit deiner selbst. Streue deinen Mist auf dieses edle Feld; daraus sprießt ohne allen Zweifel in demütiger Gelassenheit edle, wonnigliche Frucht auf.

In: Emmanuel Jungclaussen, Der Meister in dir. Entdeckung der inneren Welt nach Johannes Tauler, Verlag Herder, Freiburg-Basel-Wien 1975

Mehr zu Johannes Tauler am 6. Januar hier: https://mystikaktuell.wordpress.com/2018/12/03/seine-sprache-ist-wie-ein-bergquell-johannes-tauler-im-mystikkreis-am-6-januar-2019/

Ernenne Minister, die eine gute Politik machen…

Screenshot aus dem u.a. Artikel „Ratschläge, ein Land mitfühlend zu regieren“

In seiner Schrift „Kostbarer Kranz“ (Ratnavali) hat Nagarjuna (2. Jh.) Hinweise gegeben, wie Politik aus spiritueller Sicht verantwortlich gestaltet werden kann. Mehr Zitate daraus gibt es hier:

https://www.tibet.de/fileadmin/migration/pdf/tibu/2005/tibu075-2005-16-n-ratschlaege.pdf