Nimm und lies

Foto: (c) wak/ki

Nach dem Besuch eines Landsmannes, der ihm von der Bekehrung des Einsiedlers Antonius sowie zweier kaiserlicher Offiziere erzählt hatte, zog Augustinus sich in den Garten zurück, wo er „eine Stimme aus dem Nachbarhaus“ vernahm, die in singendem Tonfall oftmals wiederholte: „Tolle lege! Tolle lege! – Nimm und lies! Nimm und lies!“. Er habe dies nicht anders deuten können, als dass ihm von Gott befohlen werde, ein Buch zu öffnen und darin zu lesen, was er finden würde.

https://www.augustinus.de/einfuehrung/86-texte-ueber-augustinus/185-augustinus-der-buecherfreund

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Wir nehmen nichts mit von dieser Welt

Das Jacob Böhme Lesebuch: Paul Hankamer, 1925 / Ronald Steckel, 2022

Wir nehmen doch nichts mit von dieser Welt, was zanken wir denn um das Eitele, und verscherzen damit das Unvergängliche; es muss doch zu dem Ziel kommen, oder wird ja noch böser werden; und welch Volk nicht wird wollen in dies Ziel eingehen, das muss ganz ausgezehrert und gefressen werden, deutet der Geist der Wunder.

Jacob Böhme (1575 – 1624 in Görlitz) in: Zweyte Schutz-Schrift wider Balthasar Tilken, S. 322, 324 – 325

In: Das Jacob Böhme Lesebuch. Aus Jacob Böhmes Schriften ausgewählt und eingeleitet von Paul Hankamer (1925). Neu herausgegeben, erweitert und mit einem Glossar versehen von Ronald Steckel (2022), Verlag Magische Blätter, Ronnenberg, S. 53

Mehr hier: https://verlagmagischeblaetter.eu/publikationsreihe/buecher

Böhmes Schriften sollen zur Erleuchtung führen

Jacob Böhme / Bild: Archiv

Jacob Böhmes Schriften sollen zu einer Erleuchtung führen, zu einer Gelassenheit religiöser Art, zu deren performativer Gewissheit ekstatische Zustände gehören oder inspirierte Schreib-Räusche …

Böhmes Anweisungen, überdeutlich in ihrem apokalyptischen Anspruch, deuten auf den Zweck der Lektüre seiner Schriften.

Aus: Die Rezeption Jacob Böhmes im 20. Jahrhundert von Thomas Isermann (*1957)

Der ganze Beitrag Isermanns, der näher auf diese Fragen eingeht, ist hier zu lesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VII
CII. Jahrgang September 2021 Heft 9, Thema: DIE MAGIE DER SPRACHE

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Die Wolke des Nichtwissens

Foto: © wak

Eine der wichtigsten Aussagen über Mystik in der westlichen Hemisphäre ist das Buch „Die Wolke des Nichtwissens“. Der Name des Autors ist nicht bekannt; es ist gut, dass wir nicht wissen, wer es geschrieben hat. Es deutet auf eines hin: dass er, bevor er es schrieb, in einer Wolke des Nichtwissens verschwunden war. Es ist das einzige Buch in der westlichen Welt, das den Upanishaden, dem Tao Te Ching, nahe kommt, dem Dhammapada. Es gibt eine seltene Einsicht darin:

Zuerst nennt er es eine Wolke. Eine Wolke ist vage, hat keine definierbaren Grenzen. Sie ist ständig im Wandel; sie ist nicht statisch – niemals, nicht einmal für zwei aufeinanderfolgende Momente, ist sie dieselbe. Sie ist ein Fluss, sie ist reine Veränderung. Und es gibt nichts Substantielles darin. Wenn Sie es in der Hand halten, bleibt nur Nebel übrig, sonst nichts. Vielleicht werden deine Hände nass, aber du wirst keine Wolke in deiner Faust finden.

Chandra Mohan Jain (1931 – 1990) in „Theologia Mystica“

Das Gipfelerlebnis im Tal des Alltags verwirklichen

Foto: © wak

Jede Religion entspringt einem Gipfelerlebnis. Dies gilt für ihr innerstes Wesen, aber auch für ihre Entstehung und Entfaltung in der Geschichte. Lehre, Ethik und Ritual, drei Säulen jeder religiösen Tradition, lassen sich auf das mystische Erlebnis zurückführen. Die Lehre ist letztlich der Versuch, seinen Inhalt verstandesmässig zu deuten; die Ethik gibt Anweisungen, wie die beglückende Allzugehörigkeit, die wir auf dem Gipfel erleben, auch im Tal des Alltags willig verwirklicht werden kann; im Ritual feiert die Religion den Gefühlsgehalt mystischer Erfahrung und erreicht ihn sogar in ihren geglücktesten Formen. In Gemüt, Willen und Verstand, entfaltet sich also die Mystik geistig und leiblich in jeder Religion – will sich zumindest so verwirklichen.

David Steindl-Rast in seinem Vorwort zu Abraham H. Maslow: Jeder Mensch ist ein Mystiker. Wuppertal 2014, S. 10

Heiligung ist Sehen – der Heilige ist Seher

Foto: © wak

Heiligung ist „Sehen“, der Heilige ist Seher. Diesen Tatbestand, der seinen inneren Beruf zum Schauen des Ewigen in Welt wie Seele beweist, der (gegen die Ablehnung des Faustischen durch die Reformation) eben solche Artung als die seine erhärtet, sucht er zu deuten. Seele und Welt, Selbsterkenntnis und Erkennen des Alls sind ein und dasselbe, nur in der Form verschieden. Indem er sorgend in frommer Be obachtung und Pflege seine Seele zu suchen wähnt, findet er die große Frage und das Wissen: „wie alle Wesen aus einem einigen Mysterio urständen und wie sich dasselbe Mysterium von Ewigkeit immer in sich selber erbäre, wie das Gute ins Böse und das Böse ins Gute verwandelt werde“. Böhme sieht und lebt kosmisch – auch das Persönlich-Menschliche. Das religiöse Interesse umgreift nicht mehr nur Seele und Menschheit, umgreift das All und bettet das Persönliche und Menschliche darin ein.

Paul Hankamer (1891 – 1945) in der „Einführung zu ‚Das Böhme-Lesebuch‘“

Der vollständige Text ist hier zu lesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH IV
CI. JAHRGANG WINTER 2020 / 2021
4. Quartalsausgabe November, Dezember, Januar
gebunden. ISBN-Nr. 978-3-948594-04-6

HEFT 10 | November 2020
TITELTHEMA: JACOB BÖHME

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

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Ich werde sein, der ich immer war

In der hebräischen Bibel wird der Name Gottes mit vier Konsonanten bezeichnet: JHWH. Was Mose aus dem brennenden Dornbusch gehört hat, können wir schwer wiedergeben. Die genaue Übersetzung dieser Konsonantenreihe, dieses Tetragramms, beschäftigt die Gelehrten seit eh und je. Das Hebräische spart die Vokale aus, wie wir wissen, und außerdem gibt es keine Zeitbezeichnung. Der große jüdische Übersetzer des Tanachs ins Deutsche, Martin Buber, hat dafür folgende Lösung gefunden:

„Ich werde da sein,
als der ich da sein werde.“

Das kann man unterschiedlich und vielfach deuten. Einfach als:
„Ich bin,
der ich bin.“

Oder:
„Ich werde sein,
der ich sein werde.“

Oder aber:
„Ich werde sein, der ich immer war.“

Allgemein neigt man zu einer weiteren Deutung, einer dynamischeren, verheißenden. Also:
„Ich werde da sein,
helfend,
stärkend,
befreiend.“

Waltraud Lewin in: Der Wind trägt die Worte. Geschichte und Geschichten der Juden. München 2012, Band 1, S. 46-47