Thomas Merton und Thich Nhat Hanh: Brüder und Dichter

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… Ich habe gesagt, dass Nhat Hanh mein Bruder ist, und das stimmt auch. Wir sind beide Mönche, und wir leben seit etwa der gleichen Anzahl von Jahren im klösterlichen Leben. Wir sind beide Dichter, beide Existentialisten. Ich habe mit Nhat Hanh weit mehr gemeinsam als mit vielen Amerikanern, und ich zögere nicht, das zu sagen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass solche Gemeinsamkeiten anerkannt werden. Es sind die Bande einer neuen Solidarität und einer neuen Brüderlichkeit, die sich auf allen fünf Kontinenten abzuzeichnen beginnen und die alle politischen, religiösen und kulturellen Grenzen überschreiten, um junge Männer und Frauen in jedem Land in etwas zu vereinen, das konkreter ist als ein Ideal und lebendiger als ein Programm. Diese Einheit der Jugend ist die einzige Hoffnung für die Welt. In ihrem Namen appelliere ich für Nhat Hanh. Tun Sie, was Sie können, für ihn. Wenn ich Ihnen etwas bedeute, dann lassen Sie es mich so sagen: Tun Sie für Nhat Hanh das, was Sie für mich tun würden, wenn ich in seiner Lage wäre. In vielerlei Hinsicht wünschte ich, ich wäre es.

Zuerst veröffentlicht im Magazin „Jubilee“ 1966, später in Mertons Buch „Faith and Violence“ 1968

Gefunden habe ich Thomas Mertons Anmerkungen hier:  https://plumvillage.org/thomas-mertons-words-on-thich-nhat-hanh/

Mehr zu den Verbindungen von Merton und Thich Nhat Hanh hier: http://fatherlouie.blogspot.com/2007/02/thich-nhat-hanh-connection.html

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Du bist wie ein kostbarer Edelstein

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Ein Bruder fragte den Altvater Poimen: „Es ist eine Verwirrung über mich gekommen: ich möchte diesen Platz verlassen.” Der Greis antwortete: „Aus welchem Grund?” Und jener sagte: „Weil ich von einem Bruder Reden hören muß, die mich nicht erbauen.” Und der Greis fragte: „Ist das wahr, was du gehört hast?” Er sagte ihm: „Ja, Vater, es ist wahr, denn der Bruder, von dem ich es vernahm, ist verläßlich.” Er entgegnete ihm: „Nein, er ist nicht verläßlich, der dir das sagte; denn wenn er verläßlich wäre, dann hätte er dir nie so etwas gesagt. Auch Gott glaubte nicht, als er das Geschrei der Sodomiter hörte, sondern stieg herab und sah mit seinen eigenen Augen” (Gen 18, 20). Darauf sagte jener: „Auch ich habe mich augenscheinlich überzeugt.”

Als der Greis das hörte, blickte er auf den Boden, nahm einen kleinen Splitter und fragte ihn: „Was ist das?” Jener antwortete: „Ein Splitter!” Darauf blickte der Greis an die Decke der Zelle und fragte ihn: „Was ist das?” Jener antwortete: „Es ist ein Balken, der das Dach trägt!” Da sagte der Alte: „Bewahre in deinem Herzen, daß deine Sünden so sind, wie dieser Balken; die Sünden jenes Bruders aber, von dem du sprachst, sind wie dieser kleine Splitter.” Als der Altvater Sisoes das hörte, ward er verwundert und sprach: „Wie kann ich dich genug selig preisen, Abbas Poimen? Wahrlich, du bist wie ein kostbarer Edelstein, so voller Gnade und Herrlichkeit sind deine Worte.”

Aus den Apophthegmata Patrum – Weisung der Väter. Übersetzung von Bonifaz Miller, Trier 1986

Die Gedanken nicht hindern aber…

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Ein Bruder kam zum Altvater Poimen und sagte: „Vater, ich habe vielerlei Gedanken und komme durch sie in Gefahr.“ Der Altvater führte ihn ins Freie und sagte zu ihm: „Breite dein Obergewand aus und halte die Winde auf!“ Er antwortete: „Das kann ich nicht!“ Da sagte der Greis zu ihm: „Wenn du das nicht kannst, dann kannst du auch deine Gedanken nicht hindern, zu dir zu kommen. Aber es ist deine Aufgabe, ihnen zu widerstehen.

Bonifaz Miller: Weisung der Väter. Apophtegmata Patrum, Freiburg 4. Auflage 1998, Ausspruch 602