Verschieden wie Himmel und Erde entfernt

Foto: (c) wak

Ich behaupte, der innere und der äußere Mensch sind voneinander so verschieden, wie Himmel und Erde voneinander entfernt sind. Betrachte ich die Lilien auf dem Felde, dann sehe ich wohl ihren Schein und ihre Farbe und ihre Blätter; aber ihren Duft sehe ich nicht. Warum? Weil der Duft in mir ist. Was mich ansprechend dünkt, das ist in mir, und ich spreche es aus mir heraus. So auch schmecken alle Kreaturen meinen äußeren Menschen als Kreatur, wie Wein und Brot und Fleisch. Aber meinem inneren Menschen schmeckt nicht die Kreatur als solche, sondern allein die Kreatur, sofern sie Gottes Selbsthergabe ist.

Von unsagbaren Dingen | Nolite timere eos, qui corpus occidunt. (Matth. 10, 28)

Meister Eckhart (1260 – 1328)

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Warte bis du in dich selber blickst

Rumi / Bild: Archiv

Warte, bis du in dich selber blickst –
Erkenne, was dort wächst.
O Suchender.
Ein Blatt in diesem Garten
Bedeutet mehr als alle Blätter,
Die im Paradies du findest!

Dschalal ad-Din Muhammad Rumi (1207 – 1273)

Der Welt Grund und Heimlichkeit

Mein Buch hat nur drei Blätter.
Das sind die drei Principia der Ewigkeit.
Darinnen kann ich alles finden.
Ich kann der Welt Grund
und alle Heimlichkeit darinnen finden.

Jakob Böhme (1575 -1624) in: Theosophische Sendbriefe 12, 15

Das Buch des Wesens aller Wesen

Foto: (c) wak

Also habe ich nun geschrieben, nicht von Menschen-Lehre oder Wissenschaft aus Bücher-Lernen, sondern aus meinem eigenen Buche, das in mir eröffnet ward. Denn das Buch der edlen Bildnis – das Ebenbild Gottes – ward mir vergönnet zu lesen. Mein Buch hat nur drei Blätter. Das sind die drei Principia der Ewigkeit. Darinnen kann ich alles finden. Ich kann der Welt Grund und alle Heimlichkeit darinnen finden. Ich bedarf kein ander Buch dazu. Dann das Buch, da alle Heimlichkeit innen lieget, ist der Mensch selber: Er ist selber das Buch des Wesens aller Wesen, dieweilen er die Gleichnis der Gottheit ist; das grosse Arcanum lieget in ihme, allein das Offenbaren gehöret dem Geiste Gottes. Gott hat meine Seele in eine wunderliche Schule geführet, und ich kann mir in Wahrheit nichts zumessen, dass meine Ichheit etwas wäre oder verstünde. Denn das Werk meiner Arbeit ist nicht mein, ich habe es nur nach dem Maß, als mir es vom Herrn vergönnet wird. Ich bin nur sein Werkzeug, mit dem Er tut, was Er will.“

Jacob Böhme (1575 – 1624) in:, „Theosophische Sendbriefe“, Kap. 12 u. 20

Texte aus der Langen Nacht über Jacob Böhme von Ronald Steckel sind hier zu lesen:

MAGISCHE BLÄTTER BUCH VI

CII. Jahrgang SOMMER 2021

Thema: Die erste Ausstellung des Jakob-Böhme-Bundes

Heft 5, Mai 2021

https://verlagmagischeblaetter.eu/monatsschrift/magische-blaetter

Bestellt werden können die Magischen Blätter hier: kontakt@verlagmagischeblaetter.eu

Rainer Maria Rilke: Herbst

 

Foto: © wak

 

Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
sie fallen mit verneinender Gebärde.

Und in den Nächten fällt die schwere Erde
aus allen Sternen in die Einsamkeit.

Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
Und sieh dir andre an: es ist in allen.

Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen
unendlich sanft in seinen Händen hält.

Rainer Maria Rilke, 11.9.1902, Paris

Dein Diener, dein Atem, dein Herz

O Liebe, reine tiefe Liebe,
sei hier, sei jetzt, sei alles;
Welten lösen sich auf
in deine reine, makellose Strahlung.
Zarte, lebendige Blätter
brennen heller in deinem Licht
als alle kalten Sterne:
Lass mich dein Diener sein,
dein Atem und dein Herz.

Dschelaluddin Rumi / Mevlana (1207-1273)