Es besteht kein Bedarf an geistigem Fortschritt, noch der Kontemplation, der Disputation oder der Diskussion, noch Meditation, Konzentration oder gar die Anstrengung des Gebets.
Bitte sagen Sie mir klar und deutlich: Was ist die höchste Wahrheit?
Höre: Weder verzichte auf etwas, noch besitze etwas, nimm teil an der Freude der totalen Wirklichkeit und sei wie du bist!
Holzschnitt des Titelblattes von Hans Holbein zu den Predigten von Johannes Tauler, die 1522 in Basel gedruckt worden waren
„Steh auf, Jerusalem, und werde Licht!“ Gott begehrt und bedarf in aller Welt nur eines Dinges; das begehrt er aber so sehr, als ob er seinen ganzen Fleiß darauf verwendete, dies einzige nämlich, dass er den edlen Grund, den er in dem edlen Geist des Menschen gelegt hat, ledig und bereit finde, sein göttliches Werk darin zu vollbringen; …
Was soll nun der Mensch dazutun, dass Gott diesen lieblichen Grund erleuchten und darin wirken könne? Er soll aufstehen; „Surge“, sagt das Wort, „steh auf“; dies lautet, als ob der Mensch dabei mitwirken solle; der Mensch muss aufstehen von allem, was nicht Gott ist, von sich selber und von allen Geschöpfen; von diesem Aufstehen entsteht in dem Grund ein ungestümes Begehren nach Entblößung und Befreiung von allem, was den Menschen von Gott fernhält, und je mehr das abgelegt wird, um so mehr wächst jenes Begehren, geht über sich selbst hinaus und dringt gar oft bei Berührung des bloßen Grundes durch Fleisch und Blut und Mark.
Aus der 5. Predigt: „Surge et illuminare, Jerusalem“ von Johannes Tauler (1300 – 1361)
Die ganze Predigt von Johannes Tauler kann hier nachgelesen werden:
MAGISCHE BLÄTTER BUCH VIII CII. JAHRGANG WINTER 2021/2022
„Der erweiterte Kunstbegriff ist fähig, in das Herz der Gesellschaft einzudringen.“ Über Marx, Freud und das eigentliche menschliche „Kapital“. Den materiellen und seelischen Bedarf des Menschen. Die Zukunft des Menschen aus Sicht des erweiterten Kunstbegriffs. Ausschnitt aus dem Vortrag „Aktive Neutralität – Die Überwindung von Kapitalismus und Kommunismus“ vom 20. Januar 1985 in Rorschach/Schweiz. Der ganze Vortrag mit anschliessender Diskussion (Länge insgesamt: 90 Min.) ist auf DVD beim FIU-Verlag in Wangen/Allg. erhältlich. Link: http://www.fiu-verlag.com
Seit langem gibt es den Link auf dieses Video unter der Rubrik „Erweiterter Mystikbegriff“ auf meiner Seite. Ich habe dazu geschrieben:
In diesem Blog kommt es schon mal vor, dass gefragt wird: „Ist … ein Mystiker, eine Mystikerin?“ Letztlich könnte ich da wohl nicht immer „Ja“ sagen. Es ist dann wohl doch ein „erweiterter Mystikbegriff“, der mich bei der Auswahl der Texte leitet.
Aber: sie sollen jeweils fähig sein „in das Herz der Gesellschaft einzudringen,“ in das Herz der Menschen.
… In einem Schrank, der von Ihnen ausgestellt ist, sind unter anderem Zeitungsstapel drin die mit einem roten Kreuz bepinselt sind, und das findest sich auch an anderen Gegenständen. Was soll das bedeuten?
Hier auch! Das heißt, dass es nur eine Möglichkeit gibt: Das Christentum zu verwirklichen. Nun endlich mal mit dem Christentum zu beginnen. In etwa. Christentum hat’s noch nie gegeben, soll das bedeuten.
Und das, was wir meinen als direkte Demokratie – die also den Bedarf des Menschen nach seiner Freiheit, nach seiner Gleichheit, nach seiner Brüderlichkeit erfüllen will, das meinen wir als Anfang des Christentums.
Sie halten das Christentum für eine Möglichkeit?
Die einzige Möglichkeit. Ja.
Joseph Beuys: Jeder Mensch ist ein Künstler. Gespräche auf der „documenta 5“ 1972, aufgezeichnet von Clara Bodenmann-Ritter. Frankfurt/M, Berlin, Wien, 1975, S. 70