Wir haben Angst vor dem Tod,
wir haben Angst vor der Trennung,
wir haben Angst vor dem Nichts.
Wenn wir aber tief schauen,
erkennen wir
den unaufhörlichen Wandel der Dinge
und verlieren allmählich unsere Angst.
Thich Nhat Hanh (1926 – 2022)
Die wahren Menschen
der göttlichen Zeit
hatten während des Schlafens
keine Träume,
beim Erwachen
keine Angst.
Ihre Speise war einfach,
ihr Atem tief.
Ernst Weiß (1882 -1940) in seinem Essay „Mozart, ein Meister des Ostens„
O Herr, wenn ich Dich
aus Angst vor der Hölle liebe,
verbrenne mich dort,
und wenn ich Dich
in der Hoffnung auf das Paradies liebe,
schließe mich dort aus,
doch wenn ich Dich
aus Liebe zu Dir selbst liebe,
entziehe mir nicht
Deine göttliche Schönheit.
Rabia von Basra (ca. 715 – 801)
Ich sah mich als Jüngling, fast noch als Knaben in einer niedrigen Dorfkirche. — Die Flämmchen der dünnen Wachskerzen glühten wie kleine rote Punkte vor den alten Heiligenbildern.
Ein kleiner regenbogenfarbiger Lichtschein umgab jedes einzelne Flämmchen. Es war düster und dämmerig in der Kirche … Vor mir aber standen eine Menge Leute. Lauter schlichte, blonde Bauernköpfe. Von Zeit zu Zeit neigten sie sich, beugten sich herab und erhoben sich wieder gleich reifen Kornähren, wenn der sommerliche Wind wie eine sanfte Woge über sie hinstreicht. Mit einem Male kam jemand von hinten heran und trat neben mich.
Ich wandte mich nicht nach ihm um — aber ich fühlte sofort: dieser Mensch ist — Christus.
Rührung, Neugier und Angst bemächtigten sich meiner im selben Augenblick. Ich nahm mich zusammen … und sah meinen Nachbar an.
Ein Gesicht wie das aller anderen — ein Gesicht, das allen Menschengesichtern gleicht. Die Augen blicken ein wenig aufwärts, andächtig und ruhig. Die Lippen sind geschlossen, aber nicht zusammengepreßt: die Oberlippe ruht gleichsam auf der unteren; der kurze Bart ist in der Mitte geteilt. Die Hände gefaltet und unbeweglich. Auch die Kleidung ist dieselbe wie bei allen übrigen.
»Wie kann das Christus sein!« dachte ich bei mir. »Solch einfacher, einfacher Mensch! Es ist unmöglich!«
Ich kehrte mich ab. Doch ich hatte kaum den Blick von diesem einfachen Menschen abgewandt, als mich wiederum das Gefühl überkam, als stünde wirklich Christus an meiner Seite.
Noch einmal nahm ich mich zusammen … Und wieder erblickte ich dasselbe Antlitz, das allen Menschengesichtern gleicht, dieselben alltäglichen, wenn auch unbekannten Züge.
Da wurde es mir plötzlich schwer ums Herz — und ich kam zu mir. Nun begriff ich erst, daß gerade solch ein Antlitz — ein Antlitz, das allen Menschengesichtern gleicht — Christi Antlitz sei.
Iwan S. Turgenew (1818 – 1883) in: Gedichte in Prosa. Übertragen von Theodor Commichau, Leipzig 1922
In seinem Grund … findet der Mensch den inneren Meister als das ‚Ziehen‘ und ‚Sich-Wenden` zu Gott, als Heiligen Geist (den Tauler viel ausdrücklicher nennt als Eckhart und Seuse). Dieser überformt den Menschen und vergottet ihn, zurück in den Ursprung, wo der Mensch von Ewigkeit „Gott in Gott” war.
Was dabei als ,Lauterkeit`, Bildlosigkeit‘, ,Weiselosigkeit‘ usw. beschrieben wird, weist übrigens in die Nähe jener ,Leerheit‘, wie sie im Mahayana-Buddhismus, auf dessen Hintergrund sich auch die Zen-Erfahrung ausspricht, als Kennzeichnung des Absoluten verstanden wird, d.h. ,bar jeder Bestimmung‘. Die von Tauler aufgezeigte eigentümliche Rolle der Verwirklichung des eigenen Nichts — im Nichts Gottes — kann hier ebenfalls nicht näher mit der entsprechenden Zen-Erfahrung verglichen werden. Sie ist für Tauler allerdings das wichtigste Moment auf dem Wege der Entdeckung der inneren Welt!
In diesem Vorgang der Vernichtung kommt der schmerzlichen Selbsterkenntnis sowie der Angst — dem ,Gejagtwerden‘, wie es Tauler wiederholt beschreibt — eine wesentliche Aufgabe zu, um den mystischen Durchbruch als Gottesgeburt im Menschen letztendlich zu ermöglichen. Dabei darf die Liebe als entscheidender Faktor nicht übersehen werden!
Emmanuel Jungclaussen (1927 -2018) in: Der Meister in dir. Die Entdeckung der inneren Welt nach Johannes Tauler. Freiburg / Br. 1975
Erwählte des lebendigen Vaters / Thomas-Evangelium
Zur Wirklichkeit zu erwachen bedeutet, dass Form und Leerheit (Gott und Welt) zwei Aspekte der einen Wirklichkeit sind. Die Realisation dieser Wirklichkeit besagt, dass am Ursprung Bewusstsein steht, auch wenn der Mensch durch seine Körperidentifikation egobedingt ein grobstoffliches Universum wahrnimmt. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Schlange, die man in einem Stück Seil im Dunkeln wahrzunehmen glaubt. Angst und Entsetzen werden ausgelöst durch etwas, was nicht existiert. Wird das Stück Tau als solches erkannt, verschwinden Angst und Entsetzen. Erleuchtung ist nichts anderes als eine Erhellung der Wirklichkeit. Wer erkennt, dass es keinen Unterschied zwischen Form und Leerheit, zwischen Samsara und Sunyata (Brahman), zwischen dieser Form und der Nichtform, gibt, ist auferstanden.
Die Wirklichkeit spricht sich in allem aus, was Form hat. Immer ist der Mensch Sohn und Tochter Gottes, wie das Thomasevangelium sagt: „Wenn man euch fragt: ‚Wer seid ihr?‘, sagt: ‚Wir sind seine Söhne und Töchter und wir sind die Erwählten des lebendigen Vaters'“ (Thomasevangelium, 50). – Auch wenn es der Verstand nicht begreift: Wiedererstehen wird immer nur die Erste Wirklichkeit, die wir hier und jetzt leben.
Willigis Jäger (1925 – 2020)
Diese Textgraphik mit einem Gedanken des österreichischen Priesters Martin Gutl (1942 – 1994) fand ich hier: https://www.johanneum.ch/das-johanneum/fachbereiche/seelsorge/
Möge ich friedvoll, glücklich und leicht in Körper und Geist
sein.
Möge ich sicher und beschützt sein.
Möge ich frei von Ärger, Kummer, Furcht und Angst sein.
Möge ich lernen, mich selbst mit Augen des Verstehens
und der Liebe anzuschauen.
Möge ich fähig sein, die Samen der Freude und des Glücks
zu erkennen und zu berühren.
Möge ich lernen, die Gründe von Ärger, Begehren und
Unwissenheit in mir zu erkennen und zu sehen.
Möge ich erkennen wie ich die Samen von Freude in mir
jeden Tag nähren kann.
Möge ich fähig sein, frisch, gefestigt und frei zu leben.
Möge ich frei von Anhaftung und Abneigung sein –
ohne gleichgültig zu werden.
Visuddhi Magga (5. Jh.) / neue Fassung von Thich Nhat Hanh (*1926) ~ gefunden habe ich diese Version des Metta-Sutta hier: https://www.quelle-des-mitgefuehls.de/
Liebe ist ein Wunder. Und wie alle Wunder braucht sie nur eins, damit sie geschehen kann: Man muss bereit sein, sie zuzulassen. Sobald wir bereit sind, sie zuzulassen, strömt sie in unser Leben wie ein warmer Segen, heilt alle Wunden, lindert alle Krämpfe, entspannt unsere vor lauter Angst und Kampf verhärteten Muskeln und Organe, lockert unsere festgefahrenen Verhaltensmuster, schenkt uns Verstehen, Lächeln, schließlich Lachen. Liebe heilt. Letztlich heilt nur die Liebe.
Safi Nidiaye (*1951) in: Das Tao des Herzens
Adolf Holl (1930 – 2020)
1. Das Erste, was die Anfänger verlernen müssen, ist das Fasziniertsein vom Pompösen, Gewaltigen, Bedeutenden, usw…
2. Das Erste, was die Anfänger lernen müssen, ist Rücksichtslosigkeit
3. Das Zweite, was die Anfänger verlernen müssen, ist der Respekt vor der Definition
4. Das Zweite, was die Anfänger lernen müssen, ist der Unterschied zwischen Mystik und Mystifikation
5. Das Dritte, was die Anfänger verlernen müssen, ist die Fügsamkeit gegenüber siegreichen Traditionen
6. Das Dritte, was die Anfänger lernen müssen, ist ein Misstrauen gegenüber letzten Wahrheiten
7. Das Vierte, was die Anfänger verlernen müssen, ist die Neigung zur Idealisierung der Vergangenheit
8. Das Vierte, was die Anfänger lernen müssen, ist der fachmännische Umgang mit Seelenarzneien
9. Das Fünfte, was die Anfänger verlernen müssen, ist das Opferbringen
10. Das Fünfte, was die Anfänger lernen müssen, ist der Glaube an Wunder
11. Das Sechste, was die Anfänger verlernen müssen, ist die Trauer um ihren Kinderglauben
12. Das Sechste, was die Anfänger lernen müssen, ist Unbescheidenheit
13. Das Siebte, was die Anfänger verlernen müssen, ist die Angst vor Veränderungen
14. Das Siebte, was die Anfänger lernen müssen, ist die Pflege des Ketzergesinnung
Diese Auflistung der Überschriften aus dem Buch „Mystik für Anfänger“ fand ich hier https://www.zenklause.de/wp-content/uploads/2019/07/14Lektionen.pdf
Hier der Link zu dem Buch von Adolf Holl, das 1977 zuerst erschien und später neu aufgelegt wurde: https://www.rowohlt.de/taschenbuch/adolf-holl-mystik-fuer-anfaenger.html