Die mystische Spiritualität kennt viele Formen, von denen jede ihren eigenen Wert hat.
Die Naturmystik finden wir in allen Kulturen.
Die theistische Mystik, also eine auf Gott ausgerichtete, ist in allen Religionen außer dem Buddhismus und dem Jainismus zu finden.
Eng verbunden mit vielen Formen der theistischen Mystik ist die Liebesmystik, eine bedeutende und eindrucksvolle spirituelle Richtung in der kontemplativen Literatur der Christen und Sufis. Die Liebesmystik finden wir in der gesamten christlichen mystischen Tradition. Durch die Brautmystik der Victoriner und Zisterzienser, die größten Wert auf Lernen, Rückzug und Kontemplation legten, wurde wie zu einem integralen Bestandteil der mittelalterlichen Kultur. Das Wort „Braut“ ist eine Anspielung auf die menschliche Liebe, mit der die Nähe zu und die Einheit mit Gott ausgedrückt werden soll. Dieser von den Klöstern ausgehende Impuls war so stark, dass er die höfische Tradition der Minne inspirierte, die von den Rittern und Troubadouren der mittelalterlichen Gesellschaft zelebriert wurde.
Cover des Buches von Wayne Teasdale
Die Mystik des Wissens ist hauptsächlich unter den Buddhisten verbreitet. Ohne den Bezug zu Gott oder einem göttlichen Wesen geht es dabei um die Erlangung des höchsten Bewusstseins von Weisheit und Mitgefühl. Diese Form mystischer Spiritualität setzt Bewusstwerdung auf einer höchsten, nicht-dualistischen Stufe oder, anders ausgedrückt, die Verwirklichung des Einheitsbewusstseins voraus.
Die Mystik der Seele betont die ewige Natur des Selbst oder Atman als Vehikel für die Einheit mit dem Göttlichen. Mit der Betonung auf dem Selbst herrscht diese Form in der indischen Mystik vor. Wir finden sie aber auch bei einigen christlichen Mystikern, (insbesondere bei Augustinus, Meister Eckhart und dem Weisen Jan van Ruysbroeck, der über das Selbst oder die Seele eine tiefe Beziehung zu Gott herstellte) sowie bei Sufis wie Rumi und Attar und vielen anonymen jüdischen Weisen.
Wayne Teasdale. Das mystische Herz. Spirituelle Brücken bauen. Aurum, o.O. 2004, S. 45-46
Schön gesagt 🙂 Ich gebe offen zu, dass ich eine sehr große Neigung in Richtung der indischen Philosophie verspüre, welche die Erkenntnis des Selbst und die eigene Erfahrung und Schau der Wahrheit in den Mittelpunkt rückt:
„Western philosophy has remained more or less true to the etymological meaning of ‘philosophy’, in being essentially an intellectual quest for truth. Indian Philosophy has been, however, intensely spiritual and has always emphasized the need of practical realization of truth. The word ‘darshana’ means ‘vision’ and also the ‘instrument of vision’. It stands for the direct, immediate and intuitive vision of Reality, the actual perception of Truth, and also includes the means which led to this realization. ‘See the Self’ (ātmā vā are draṣṭavyaḥ) is the keynote of all schools of Indian Philosophy.“ (A Critical Survey of Indian Philosophy)*
Ein würdiger Nachfolger Swami Vivekanandas ist Swami Sarvapriyananda, meiner Ansicht nach.
* Übersetzung von deepl: Die westliche Philosophie ist der etymologischen Bedeutung von „Philosophie“ mehr oder weniger treu geblieben, da sie im Wesentlichen eine intellektuelle Suche nach der Wahrheit ist. Die indische Philosophie ist jedoch intensiv spirituell gewesen und hat immer die Notwendigkeit der praktischen Verwirklichung der Wahrheit betont. Das Wort „Darshana“ bedeutet „Vision“ und ist auch das „Instrument der Vision“. Es steht für die direkte, unmittelbare und intuitive Vision der Wirklichkeit, die tatsächliche Wahrnehmung der Wahrheit, und umfasst auch die Mittel, die zu dieser Erkenntnis geführt haben. ‚Siehe das Selbst‘ (ātmā vā sind draṣṭavyaḥ) ist der Grundton aller Schulen der indischen Philosophie“. (wak)
LikeLike
Danke und liebe Grüße! Werner Anahata
LikeLike